Erste Szene

[228] Mary. Stolzius.


MARY. Soll ich dir aufrichtig sagen Stolzius, wenn der Desportes das Mädchen nicht heuratet, so heurate ich's. Ich bin zum Rasendwerden verliebt in sie. Ich habe schon versucht mir die Gedanken zu zerstreuen, du weißt wohl mit der Duval, und denn gefällt mir die Wirtschaft mit dem Grafen gar nicht und daß die Gräfin sie nun gar ins Haus genommen hat, aber alles das – verschlägt[228] doch nichts, ich kann mir die Narrheit nicht aus dem Kopf bringen.

STOLZIUS. Schreibt denn der Desportes gar nicht mehr.

MARY. Ei freilich schreibt er. Sein Vater hat ihn neulich wollen zu einer Heurat zwingen und ihn vierzehn Tage bei Wasser und Brod eingesperrt – – Sich an den Kopf schlagend. Und wenn ich noch so denke, wie sie neulich im Mondschein mit mir spazieren ging und mir ihre Not klagte, wie sie manchmal mitten in der Nacht aufspränge, wenn ihr die schwermütigen Gedanken einkämen, und nach einem Messer suchte.

STOLZIUS zittert.

MARY. Ich fragte, ob sie mich auch liebte. Sie sagte, sie liebte mich zärtlicher als alle ihre Freunde und Verwandten, und drückte meine Hand gegen ihre Brust.

STOLZIUS wendet sein Gesicht gegen die Wand.

MARY. Und als ich sie um ein Schmätzchen bat, so sagte sie, wenn es in ihrer Gewalt stünde mich glücklich zu machen, so täte sie es gewiß. So aber müßte ich erst die Erlaubnis vom Desportes haben. – Faßt Stolzius hastig an. Kerl der Teufel soll mich holen, wenn ich sie nicht heurate, wenn der Desportes sie sitzen läßt.

STOLZIUS sehr kalt. Sie soll doch recht gut mit der Gräfin sein.

MARY. Wenn ich nur wüßte, wie man sie zu sprechen bekommen könnte. Erkundige dich doch.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 228-229.
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