XIII. Am Abend eines Festtages.

[67] (1831.)


So mild und hell und windstill ist die Nacht,

Und ruhig über Dächer hin und Gärten

Schwebt dort der Mond und zeigt auch in der Ferne

Klar jeden Bergesgipfel. O Geliebte,

Nun sind die Gassen stumm, nur aus den Fenstern

Schimmert noch hie und da die nächt'ge Lampe.

Du schläfst; denn deiner harrt' ein leichter Schlummer

Im lauschigen Gemach, und keine Sorge

Nagt dir am Herzen. Ach, du weißt, du ahnst nicht,

Welch eine Wunde meiner Brust du schlugst.

Du schläfst; ich tret' ans Fenster, diesen Himmel,

Der mir so gütig lächelt, zu begrüßen

Und die Natur, die alte, allgewalt'ge,

Die mich erschuf zum Leiden. Dir versag' ich

Die Hoffnung, sprach sie, selbst die Hoffnung. Dir

Soll nie das Auge glänzen, als von Thränen. –

Dies war ein Feiertag; von Spiel und Kurzweil

Ruhst du nun aus und denkst vielleicht im Traum

An Alle, denen heute du gefielst

Und die dir selbst gefielen. Ich – nie hofft' ich's –

Bin unter Diesen nicht. Indessen frag' ich,

Wie lang dies Leben währt, und hier zu Boden

Werf' ich mich stöhnend. Fürchterliche Tage

In solcher Jugend! Unfern auf der Straße

Kann ich den einsamen Gesang vernehmen

Des Tagelöhners, der in später Nacht

Heimkehrt vom Fest in seine arme Hütte,

Und heftig schnürt sich mir das Herz zusammen,

Denk' ich, wie Alles in der Welt vergeht

Und kaum noch Spuren läßt. Verflogen ist[68]

Der Festtag, und dem Feiertage folgt

Der Werkeltag, und so entführt die Zeit

Ein jedes Menschenloos. Wo ist nun hin

Der Ruf der alten Völker? Wo die Stimme

Unsrer erlauchten Ahnen und das Weltreich

Des großen Rom, die Waffen und das Tosen,

Das einst erschollen über Land und Meer?

Alles ist Ruh' und Frieden, stille liegt

Die weite Welt, und Niemand spricht von Jenen.

In meiner Jugendzeit, da noch mit Sehnsucht

Den Festtag ich erharrte, wenn er dann

Vergangen war, lag ich in Schmerzen wach

Auf meinem Bette; und in später Nacht

Ein Lied, das mir heraufklang von der Straße

Und sich entfernend nach und nach erstarb –

Ganz so wie heut beklemmte mir's das Herz!

Quelle:
Leopardi, Giacomo: Gedichte und Prosaschriften. Berlin 1889, S. 67-69.
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