Hofmann, Herrenhutische Grund-Irrtümer

[47] Wittenberg und Zerbst. Dritte und letzte gegründete Anzeige derer Herrenhutischen Grund-Irrtümer in der Lehre von der H. Schrift, Rechtfertigung, Sakramenten und letzten Dingen; denen evangelischen Kirchen zur nötigen Warnung ans Licht gestellet von D. Carl Gottlob Hofmann, Generalsuperintend. Nebst einem Register über sämtliche drei Teile. Wittenberg und Zerbst, verlegts Sam. Gottf. Zimmermann. 1751. in 8t. 8 Bogen. Dieses ist der Beschluß desjenigen Werks wodurch sich der Herr Generalsuperintendent den Herrenhutern keinen geringen Schaden zugefügt zu haben, rühmt; nicht etwa weil er ihre Irrtümer dadurch gedämpft, sondern weil er sie, wie man deutlich sieht, verhindert hat gewisse zeitliche Vorteile zu erlangen, die man, menschlich zu handeln, auch seinen irrenden Brüdern gönnen muß. Wir hoffen, daß die Leser schon wissen, was der Herr Verfasser Grundirrtümer der Herrenhuter heißt; nämlich diejenigen Stellen, wo sie nicht die Sprache der symbolischen Bücher führen. Diese Erklärung angenommen, müssen wir die Ausführung durchgängig loben; man wollte denn wünschen, daß sie mit etwas weniger Spötterei, die oft die feinste nicht ist, und mit etwas minder zweideutigen Absichten angefüllet sei. Der Kopf eines Herrenhuters, voll Enthusiasterei, ist zu nichts weniger als zu systematischen Begriffen und abgemeßnen Ausdrückungen geschickt. Warum macht man ihm die Schwäche seines Verstandes zu Verbrechen seines Willens? Warum folgert man aus gewissen Orten, wo er von Sachen, über welche die Scham einen geheimnisvollen Vorhang zieht, etwas zu frei, zu ekel, zu schwärmerisch geschrieben hat, Taten der sträflichsten Unzucht? Nur zum Beweise der Verleumdung, und mehr zum Ärgernisse als zur Erbauung, schreibt man aufgedeckte Bosheiten der Herrenhuter, so lange noch keiner von ihnen der Verbrechen, welche man ihnen Schuld gibt, und welche die schärfste Ahndung verdienten, vor der weltlichen Obrigkeit überführet worden ist. Man weiß es aber schon, daß man mit diesen unbarmherzigen Beschuldigungen vor Gerichte nicht fortkommen kann, und daß, am Ende, jeder billiger Richter kein ander Urthel[49] von den Herrenhutern zu fällen weiß, als das, was Plinius, obgleich in einer ganz verschiednen Sache, fällte: nihil aliud inveni quam superstitionem pravam et immodicam. Wäre es also nicht gut, wenn die Herren Theologen die Wahrmachung eines Ausspruches des Cicero, opinionum commenta delet dies ruhig erwarteten? Sie haben einen Ausspruch in der Bibel, der eben dieses sagt, und es ist zu verwundern, daß ihnen noch niemand des Gamaliels εασατε αυτους zugerufen hat. Könnten sie ihrem Charakter gemäßer handeln, als wenn sie, wie dieser Pharisäer gedächten: ist der Rat oder das Werk aus den Menschen, so wirds untergehen, ists aber aus Gott, so können wir nichts dämpfen etc.? Ein gewisser Christian Philaleth hatte der ersten Anzeige des Hrn. D. Hofmanns hundert Fragen entgegen gesetzt; und in der Vorrede zu dieser dritten Anzeige sagt uns der Verfasser, warum er auf diese Fragen zur Zeit noch nicht geantwortet habe. Die vornehmste Ursache ist, weil sich dieser Gegner nur unter einem falschen Namen genennt, und der Herr Doktor durchaus denjenigen erst persönlich kennen will, welchen er widerlegen soll. Die Wahrheit zu gestehen; wir sehen das schließende dieser Ursache nicht ein. Kann ein Schriftsteller unter erborgtem Namen keine Wahrheit sagen? Oder kann man niemanden widerlegen, wenn man nicht Persönlichkeiten in die Widerlegung mischt? In eben der Vorrede meldet der Herr Generalsup. daß allem Ansehen nach die Heilandskasse bald banquerot machen werde. Vielleicht zieht der Umsturz ihres ökonomischen Systems den Untergang der ganzen Gemeine nach sich. Ist in den Vossischen Buchläden hier und in Potsdam für 3 Gr. zu haben.

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 3, München 1970 ff., S. 47-50.
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