Vermischte Schriften

des Hrn. Christlob Mylius,

gesammelt von

Gotthold Ephraim Lessing


Vorrede

Es würde schwer zu bestimmen sein, ob Herr Christlob Mylius sich mehr als einen Kenner der Natur, oder mehr als einen witzigen Kopf bekannt gemacht habe, wenn nicht die letzten Unternehmungen seines Lebens für das erstere den Ausschlag geben müßten. Sein Bestreben war allezeit, diesen gedoppelten Ruhm zu verbinden, den nur diejenigen für widersprechend ansehn, welche die Natur entweder zu plumb oder zu leicht gebildet hat.

Ich war verschiedene Jahre hindurch einer seiner vertrautesten Freunde, und jetzt bin ich sein Herausgeber geworden; zwei Titel, die mir hinlängliche Erlaubnis geben könnten, mich weitläuftig in sein Lob einzulassen, wenn ich mir nicht ein Gewissen machte, denjenigen im Tode zu schmeicheln, welcher mich nie in seinem Leben als einen Schmeichler gefunden hat.

Mit diesem Vorsatze würde ich eine sehr kurze und kahle Vorrede machen müssen, wenn ich nicht, zu Glücke, eine kleine Folge von Briefen in Bereitschaft hätte, durch welche zum Teil diese Sammlung vermischter Schriften ist veranlasset worden. Sie sind an einen Freund geschrieben, welcher den Hrn. Mylius nur bei dem letzten Geräusche, welches er machte, recht kennen lernte. Ich bestimmte sie zwar nur für zwei Augen; da ich aber niemals gern für zwei Augen etwas zu schreiben pflege, welches nicht allenfalls tausend Augen lesen dürften: so mache ich mir kein Bedenken, sie dem Leser vorzulegen. Er wird alles darinnen finden, was ihn in den[526] Stand setzen kann, von den folgenden prosaischen und poetischen Aufsätzen, zugleich auch von allen übrigen Schriften des Hrn. Mylius, ein richtiges Urteil zu fällen. Sie bedürfen keiner weitern Einleitung.

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 3, München 1970 ff., S. 526-527.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Vorreden
Gotthold Ephraim Lessings Sämmtliche Schriften: Teil 8. Gesammelte Vorreden. Beiträge zur Kenntniss der deutschen Sprache. Vom Alter der Ölmalerei aus dem Theophilus Presbyter