Sechster Auftritt


[455] Lisette. Solbist.


SOLBIST indem er sich noch die Krause abbindet. Ist Sies, Lisettchen? Nun, nun, Sie darf es endlich wissen, was ich hier gemacht habe.

LISETTE. Ist es gut abgelaufen, Herr Solbist?

SOLBIST. Als wenn nicht alles gut ablaufen müßte, womit ich[455] mich einmal abgebe. Hätte man mich fein eher zu Rate gezogen, so könnte Laura wohl schon von Leandern Kinder haben.

LISETTE. Man sollte es kaum denken, was in dem grauen Köpfchen für Schelmereien stecken müssen!

SOLBIST. Mache Sie mich nicht schamrot. Freilich würde Herr Wumshäter Leandern abgewiesen haben, wenn man den Antrag für ihn auf irgend eine andere Art getan hätte. Aber es war doch auch so schwer nicht, diese einzige Art zu finden; besonders für einen Mann von Erfahrung, wie ich – – Denn im Vertrauen, Lisettchen, Ins Ohr. glaubt Sie, daß dieses das erste Paar ist, das ich zusammen bringe?

LISETTE. Ei nicht doch; ich glaube vielmehr, daß Sie auf das Kuppeln ausgelernt haben.

SOLBIST. St! st! schrei Sie nicht so! Das hat mir müssen manchen schönen Taler einbringen. Die Leute irren sich erschrecklich, wenn sie denken, ich könnte nichts als Uneinigkeit stiften. Das muß ich zwar können, als ein ehrlicher Advokat; doch, wenn es damit nicht allezeit fort will, so kann ich auch Ehen stiften.

LISETTE. Als wenn Ehen stiften, und Uneinigkeit stiften, nicht einerlei wäre! Und so viel ich gehört habe, so können Sie Eheleute eben sowohl wieder von einander, als zusammen bringen. Sie sind ein schlauer Fuchs. Hätten Sie mit Ehescheidungsprozessen wohl so viel verdienen können, wenn Sie nicht durch Ihr Kuppeln den Grund dazu gelegt hätten?

SOLBIST. Der Geier! wer hat Ihr das gesagt? Ich tue doch alles in der Stille und im Verschwiegenen, und rede von solchen Sachen nicht gern einmal laut: und Sie hat es doch erfahren? Das kann mit rechten Dingen nicht zugehen. – – Aber das ist wahr; eine Lust ist es, wenn ich des Vormittags meinen Klienten Gehör gebe. Alles hat seine Zuflucht zu mir. Will der Bauer mit seinem Herrn prozessieren; so kömmt er zu mir. Will ein altes Mütterchen einen gesunden frischen Mann haben; so kömmt sie zu mir. Will ein Schelm den andern Injuriarum belangen; so kömmt er zu mir. Will eine junge Frau ihren alten Ehekriepel los sein; so kömmt sie zu mir. Aber alles das, alles das, besonders[456] was die Ehesachen anbelangt, geschieht so in der Stille, daß sie mir es nur ins Ohr sagen müssen. Und gleichwohl weiß Sies? Sei Sie verschwiegen, Lisettchen; und plaudre Sie es nicht weiter. Vielleicht, daß ich Ihr auch einen Dienst tun kann. Ich weiß zwar nicht, ob Sie schon Lust hat, sich zu verheiraten; aber die Lust kömmt manchmal ganz geschwind. Sage Sie mirs, wenn sie kömmt. Ich halte ein richtiges Register von allen mannbaren Jungfern, und allen weibbaren Junggesellen in der Stadt. Das lese ich alle Tage ein bis zweimal durch, und sehe nach, welche meiner Hülfe etwa nötig haben könnten. Die Wahrheit zu sagen; ich habe schon einige Mannspersonen mit einem Sternchen angemerkt, die sich ganz wohl für Sie schicken würden.

LISETTE. Wenn sie reich, jung und schön sind, so können Sie gewiß glauben, daß sie sich für mich schicken. Mehr gute Eigenschaften braucht mein künftger Mann eben nicht zu haben. Die andern habe ich.

SOLBIST. Ich will Ihr mein Register weisen. Kann Sie doch nachsehen, wer Ihr am meisten darunter gefällt. Ich habe sie umständlich nach ihren äußerlichen und innerlichen Gaben beschrieben, und aus der Proportion der Glieder gewisse nicht unebene Schlüsse gezogen; zumal der Nase, der Schultern, der Waden – Ein andermal hiervon ein mehreres, Lisettchen. Ich muß jetzt gehen, und den Herrn Leander herschicken. Trotz des Prozesses, hat er doch immer eine große Liebe zur Jungfer Laura gehabt.

LISETTE. O, und sie auch zu ihm. Vergessen Sie das Register nicht!

SOLBIST. Aber nur verschwiegen! verschwiegen! Geht ab.

LISETTE allein. Das laßt mir einen rechtschaffenen Advokaten sein! Wenn es mit seiner List nur nicht zu spät ist! Laura ist mir seit einigen Tagen sehr verändert gegen Leandern vorgekommen. Ich fürchte, ich fürchte, Valer hat seinen künftigen Schwager zur Unzeit mitgebracht![457]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 455-458.
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