Funfzehnter Auftritt


[335] Lisette. Damis. Valer. Chrysander. Anton.


LISETTE. Nun Herr Chrysander? ich glaubte, Sie hätten die Herren zu Tische rufen wollen? Ich sehe aber, Sie wollen selbst gerufen sein. Es ist schon aufgetragen.[335]

ANTON. Das war die höchste Zeit! dem Himmel sei Dank!

CHRYSANDER. Es ist wahr; es ist wahr; ich hätte es bald vergessen. Der Zeitungsmann hielt mich auf der Treppe auf. Kommen Sie, Herr Valer; wir wollen die jetzigen Staatsgeschäfte ein wenig mit einander bei einem Gläschen überlegen. Schlagen Sie sich Julianen aus dem Kopfe. Und du, mein Sohn, du magst mit deiner Braut schwatzen. Du wirst gewiß eine wackre Frau an ihr haben; nicht so eine Xantippe, wie – –

DAMIS. Xantippe? wie verstehen Sie das? Sind Sie etwa auch noch in dem pöbelhaften Vorurteile, daß Xantippe eine böse Frau gewesen sei?

CHRYSANDER. Willst du sie etwa für eine gute halten? Du wirst doch nicht die Xantippe verteidigen? Pfui! das heißt einen ABCschnitzer machen. Ich glaube, ihr Gelehrten, je mehr ihr lernt, je mehr vergeßt ihr.

DAMIS. Ich behaupte aber, daß man kein einzig tüchtiges Zeugnis für Ihre Meinung anführen kann. Das ist das erste, was die ganze Sache verdächtig macht; und zum andern – –

LISETTE. Das ewige Geplaudre!

CHRYSANDER. Lisette hat Recht! Mein Sohn, contra principia negantem, non est disputandum. Kommt! Kommt!


Chrysander, Damis und Anton gehen ab.


VALER. Nun ist alles für mich verloren, Lisette. Was soll ich anfangen?

LISETTE. Ich weiß keinen Rat; wann nicht der Brief – –

VALER. Dieser Betrug wäre zu arg, und Juliane will ihn nicht zugeben.

LISETTE. Ei, was Betrug? Wenn der Betrug nützlich ist, so ist er auch erlaubt. Ich sehe es wohl, ich werde es selbst tun müssen. Kommen Sie nur fort, und fassen Sie wieder Mut.


Ende des zweiten Aufzuges.[336]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 335-337.
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