Siebenter Auftritt


[350] Damis. Valer.


VALER. So? anstatt zu antworten, reden Sie mit dem Bedienten?

DAMIS. Verzeihen Sie, Valer; Sie haben also mit mir gesprochen? Ich habe den Kopf so voll; es ist mir unmöglich, auf alles zu hören.[350]

VALER. Und Sie wollen sich auch bei mir verstellen? Ich weiß die Zeit noch sehr wohl, da ich in eben dem wunderbaren Wahne stand, es ließe gelehrt, so zerstreut, als möglich, und auf nichts, als auf sein Buch aufmerksam zu tun. Doch glauben Sie nur, der muß sehr einfältig sein, den Sie mit diesen Gaukeleien hintergehen wollen.

DAMIS. Und Sie müssen noch einfältiger sein, daß Sie glauben können, ein jeder Kopf sei so gedankenleer, als der Ihrige. Und verdient denn Ihr Geschwätz, daß ich darauf höre? Sie haben ja gewonnen, sobald Chrysander Julianen zu zwingen aufhört; Sie sind ja berechtiget, mich zu übergehen – –

VALER. Das muß doch eine besondere Art der Zerstreuung sein, in welcher man des andern Reden gleichwohl so genau höret, daß man sie von Wort zu Wort wiederholen kann.

DAMIS. Ihre Spötterei ist sehr trocken. Sieht wieder auf sein Buch.

VALER. Doch aber zu empfinden? – – Was für eine Marter ist es, mit einem Menschen von Ihrer Art zu tun zu haben? Es gibt deren wenige – –

DAMIS. Das sollte ich selbst glauben.

VALER. Es würden sich aber mehrere finden, wenn selbst – –

DAMIS. Ganz recht; wenn die wahre Gelehrsamkeit nicht so schwer zu erlangen, die natürliche Fähigkeit dazu gemeiner, und ein unermüdeter Fleiß nicht so etwas Beschwerliches wären – –

VALER. Ha! ha! ha!

DAMIS. Das Lachen eines wahren Idioten!

VALER. Sie reden von Ihrer Gelehrsamkeit, und ich, mit Vergebung, wollte von Ihrer Torheit reden. Hierin, meinte ich, würden Sie mehrere Ihres gleichen finden, wenn selbst diese Torheit ihren Sklaven nicht zur Last werden müßte.

DAMIS. Verdienen Sie also, daß ich Ihnen antworte? Sieht wieder in sein Buch.

VALER. Und verdienen Sie wohl, daß ich noch Freundes genug bin, mit Ihnen ohne Verstellung zu reden? Glauben Sie mir, Sie werden Ihre Torheiten bei mehrerm Verstande bereuen – –[351]

DAMIS. Bei mehrerm Verstande? Spöttisch.

VALER. Werden Sie darüber ungehalten? Das ist wunderbar! Ihr Körper kann, Ihren Jahren nach, noch nicht ausgewachsen haben, und Sie glauben, daß Ihre Seele gleichwohl schon zu ihrer möglichen Vollkommenheit gelanget sei? Ich würde den für meinen Feind halten, welcher mir den Vorzug, täglich zu mehrerm Verstande zu kommen, streitig machen wollte.

DAMIS. Sie!

VALER. Sie werden so spöttisch, mein Herr Nebenbuhler – Doch da ist sie selbst! Läuft ihr entgegen. Ah, Juliane –


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 350-352.
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