Achter Auftritt

[390] Christoph in Stiefeln und Sporen, und zwei Mantelsäcke unter den Armen. Die Vorigen.


CHRISTOPH. Nun! mein Herr, es ist alles fertig. Fort! kürzen Sie Ihre Abschiedsformeln ein wenig ab. Was soll das viele Reden, wenn wir nicht da bleiben können?

DER BARON. Was hindert Euch denn, hier zu bleiben?

CHRISTOPH. Gewisse Betrachtungen, mein Herr Baron, die den Eigensinn meines Herrn zum Grunde, und seine Großmut zum Vorwande haben.

DER REISENDE. Mein Diener ist öfters nicht klug: verzeihen Sie ihm. Ich sehe, daß Ihre Bitten in der Tat mehr als Komplimente sind. Ich ergebe mich; damit ich nicht aus Furcht grob zu sein, eine Grobheit begehen möge.

DER BARON. O! was für Dank bin ich Ihnen schuldig!

DER REISENDE. Ihr könnt nur gehen, und wieder abpacken! Wir wollen erst morgen fort.

DAS FRÄULEIN. Nu! hört Er nicht? Was steht Er denn da? Er soll gehn, und wieder abpacken.

CHRISTOPH. Von Rechts wegen sollte ich böse werden. Es ist[390] mir auch beinahe, als ob mein Zorn erwachen wollte; doch weil nichts Schlimmers daraus erfolgt, als daß wir hier bleiben, und zu essen und zu trinken bekommen, und wohl gepflegt werden, so mag es sein! Sonst laß ich mir nicht gern unnötige Mühe machen: wissen Sie das?

DER REISENDE. Schweigt! Ihr seid zu unverschämt.

CHRISTOPH. Denn ich sage die Wahrheit.

DAS FRÄULEIN. O! das ist vortrefflich, daß Sie bei uns bleiben. Nun bin ich Ihnen noch einmal so gut. Kommen Sie, ich will Ihnen unsern Garten zeigen; er wird Ihnen gefallen.

DER REISENDE. Wenn er Ihnen gefällt, Fräulein, so ist es schon so gut, als gewiß.

DAS FRÄULEIN. Kommen Sie nur; – – unterdessen wird es Essenszeit. Papa, Sie erlauben es doch?

DER BARON. Ich werde euch so gar begleiten.

DAS FRÄULEIN. Nein, nein, das wollen wir Ihnen nicht zumuten. Sie werden zu tun haben.

DER BARON. Ich habe jetzt nichts Wichtigers zu tun, als meinen Gast zu vergnügen.

DAS FRÄULEIN. Er wird es Ihnen nicht übel nehmen: nicht wahr mein Herr? Sachte zu ihm. Sprechen Sie doch Nein. Ich möchte gern mit Ihnen allein gehen.

DER REISENDE. Es wird mich gereuen, daß ich mich so leicht habe bewegen lassen, hier zu bleiben, so bald ich sehe, daß ich Ihnen im geringsten verhinderlich bin. Ich bitte also – –

DER BARON. O! warum kehren Sie sich an des Kindes Rede?

DAS FRÄULEIN. Kind? – – Papa! – – beschämen Sie mich doch nicht so! – Der Herr wird denken, wie jung ich bin! – Lassen Sie es gut sein; ich bin alt genug, mit Ihnen spazieren zu gehen – Kommen Sie! – – Aber sehen Sie einmal: Ihr Diener steht noch da, und hat die Mantelsäcke unter den Armen.

CHRISTOPH. Ich dächte, das ginge nur den an, dem es sauer wird?

DER REISENDE. Schweigt! Man erzeigt Euch zu viel Ehre – –[391]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 390-392.
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