Dritter Auftritt


[750] Clitander. Jungfer Ohldin.


CLITANDER. Mademoiselle, Jungfer Braut, Madam – – wie Teufel soll man Sie nennen? Ist es wahr, oder ist es nicht wahr, daß Sie heiraten wollen.

JUNGFER OHLDIN. Ja. Es ist allerdings wahr. Wer kann wider sein Schicksal? Ich versichre Sie, Herr Clitander, es ist eine ganz besondre Vorsehung dabei gewesen. Ich hatte an nichts weniger, als an einen Mann, gedacht, und plötzlich – –

CLITANDER. Und plötzlich ist Ihnen der Appetit angekommen?

JUNGFER OHLDIN. Sie können gewiß glauben, daß es mein Betrieb gar nicht gewesen ist. Die Heiraten werden im Himmel gestiftet, und wer wollte so gottlos sein, sich hier zu widersetzen?

CLITANDER. Da haben Sie recht. Die ganze Stadt lacht zwar über Sie; aber das ist das Schicksal der Frommen. Kehren Sie sich nicht daran. Ein Mann ist doch ein ganz nützlicher Hausrat.

JUNGFER OHLDIN. Ich weiß nicht, worüber die Stadt lachen sollte. Ist denn eine Heirat so was Lächerliches? die gottlose böse Stadt!

CLITANDER. Sie tun der Stadt unrecht. Sie lacht nicht darüber, daß Sie heiraten, sondern, daß Sie nicht schon vor 30 Jahren geheiratet haben.

JUNGFER OHLDIN. Ist das nicht närrisch. Vor dreißig Jahren! Vor dreißig Jahren war ich noch ein Kind.

CLITANDER. Aber doch schon ein ziemlich mannbares. Denn Ihr Geschlecht hat das Vorrecht, daß man ihm diese Benennung sehr lange läßt. Zum Henker, wenn ich in Sie verliebt wäre, würde ich Sie doch wohl noch itzo mein Kind heißen. Aber, Mademoiselle, das will ich ohne meinen Schaden gesagt haben. Glauben Sie nicht etwan, daß ich es bin.[750]

JUNGFER OHLDIN. Ich würde mir auch wenig darauf einbilden. So ein wilder, leichtsinniger, unverständiger – –

CLITANDER. O der Verstand kömmt nicht vor den Jahren. Danken Sie es Ihren Runzeln, wenn er schon bei Ihnen sollte eingezogen sein.

JUNGFER OHLDIN. Meinen Runzeln? Sagen Sie mir nur, durch was für ein Unglück ich heute in Ihre Hände komme? Meinen Runzeln? – – Ich soll Ihnen vielleicht mehr glauben, als meinem Spiegel? Ich bin gewiß die erste Braut, der man so eine niederträchtige Grobheit sagt!

CLITANDER. Es würde sonst keine kleine Beschimpfung für mich sein, wenn ich nicht wüßte mit einer Braut umzugehen. Aber bei Ihnen hat es eine Ausnahme. Und ich wäre höchst strafbar, wenn ich Ihnen das geringste artige Wörtchen, die geringste galante Tändelei vorsagte. Doch ich will ein übriges an Ihnen tun. Wenn Sie mich auf Ihre Hochzeit bitten wollen, so verspreche ich Ihnen einige neue Tänze, etliche Dutzend verliebte Ausdrückungen, gegen Ihren Bräutigam, und unterschiedene neumodische zärtliche Blicke zu lehren. Denn in allen dreien können Sie nicht anders als sehr schlecht, beschlagen sein. Ich will Sie auch zum Überflusse mit einigen artigen Frauenzimmern, die meine guten Freundinnen sind, bekannt machen, von denen Sie das Gesellschaftliche gar bald lernen können.

JUNGFER OHLDIN. Das mögen auch die Rechten sein, die sich mit Ihnen bekannt machen. Die müssen gewiß den Männern nachlaufen.

CLITANDER. Je nun, die zehnte hat die Gabe nicht, so lange zu warten, wie Sie. Ein Mann geht seine Straße fort. Er stößt bei jedem Schritte an ein Frauenzimmer an, das er bekommen kann. Die sich von ihnen nun nicht ein wenig hervortut, die bleibt dahinten. Und so ist es Ihnen gegangen. Doch, mit der Moral beiseite. Ich will mich um Sie und Ihren Bräutigam verdient machen. Lassen Sie sehen, ob Sie ein Menuet tanzen können.

JUNGFER OHLDIN. Wie weit wollen Sie Ihre Possen noch treiben?[751]

CLITANDER. Machen Sie keine Umstände. Sie sollten mir es noch Dank wissen.

JUNGFER OHLDIN. Daß Sie neue Gelegenheit zur Spötterei hätten.

CLITANDER. Zum Henker, Sie haben ja einen rechten artigen Fuß zum Tanzen. Er hebt ihr den Rock ein wenig in die Höh.

JUNGFER OHLDIN. Schämen Sie sich. Ich bitte Sie.

CLITANDER. Was brauchen Sie für alte abgesetzte Wörter? Schämen ist nun schon über hundert Jahr nicht mehr im Gange. Frisch! Wir wollen nur erstlich stückweise gehen. Wie machen Sie das Kompliment?

JUNGFER OHLDIN. O Ihre Dienerin! so weit lasse ich mich nicht zum besten haben. Hier macht sie eine Verbeugung.

CLITANDER. Ich sehe wohl, ich muß mich an Ihre Tat, nicht an Ihre Worte kehren. Das Kompliment war nicht uneben. Aber, nehmen Sie doch den Rock ein wenig in die Höh. Ich kann ja nicht sehen, was da unten vorgeht.

JUNGFER OHLDIN. Es ist wahr, der Rock ist mir ohnedem ein wenig zu lang. Ich muß wenigstens so viel lassen wegnehmen. Sie zieht ihn ein wenig in die Höh.

CLITANDER. Der Teufel, was für ein Fuß! Schade, daß er nicht an einem jungen Körper ist! Machen Sie nun einmal ein Pas.

JUNGFER OHLDIN. Mein Herr Clitander, ich muß es Ihnen gestehen. Das Tanzen ist mein Werk gar nicht, und mein Abscheu davor ist nicht geringe. Anstatt ein Paar natürliche und feste Schritte zu machen Sie geht ein Paar Schritte. ziert man sich, und macht ein unsinniges Pas. Sie macht wirklich ein Pas. Was für eine Torheit!

CLITANDER. Aber, bei meiner Seele, die Torheit läßt Ihnen nicht schlecht. Und also können Sie schon tanzen. Und eben so viel, wie ich. O! da hats gute Sache. Sie können den Hochzeitabend schon mit herumspringen.

JUNGFER OHLDIN. Das möchte wohl nicht geschehen, und der Herr Capitaine von Schlag wird das auch wohl nicht von mir verlangen.

CLITANDER. Was haben Sie mit dem Hundsfott zu tun? Was[752] soll der Capitaine von Schlag? Bekomme ich den einmal unter meine Hände – – Ich will dich mit ehrlichen Leuten spielen lehren, und sie nicht bezahlen – –

JUNGFER OHLDIN. Sachte! sachte! Sie wissen vielleicht noch nicht, daß eben der Herr Capitaine von Schlag mein Bräutigam ist.

CLITANDER. Was? Die nackigte Maus? Ihr Bräutigam? Der Lumpenhund, ist mir nun schon seit drei Monaten 25 Stück Dukaten schuldig, die ich ihm auf dem Billard abgewonnen habe. Wie kommen Sie zu dem?

JUNGFER OHLDIN. Herr Oronte, bei dem er im Hause wohnt, ist der Freiersmann gewesen. Und ich bitte, reden Sie ein wenig bescheidener von ihm.

CLITANDER. Ei, was? Hören Sie, Mademoiselle, ich lege auf Ihre Person Arrest. Und der Teufel soll mich holen, wo er Sie eher ehlichen darf, bis ich mein Geld habe.

JUNGFER OHLDIN. Das wird er Ihnen nicht vorenthalten – –

CLITANDER. Ei ja. Wenn ich sein einziger Schuldmann wäre. Aber, ich will wenig sagen, es sind ihrer gewiß so viel, als ich, er und Sie Haare auf dem Kopfe haben.

JUNGFER OHLDIN. Behüte mich Gott! das hat mir Herr Oronte nicht gesagt.

CLITANDER. Ich will itzo den Augenblick hingehen. Ich will ihm die Hölle so heiß machen. Er soll sich wohl unterstehen, ein ehrliches Frauenzimmer hinters Licht zu führen.

JUNGFER OHLDIN. Sein Sie nicht so hitzig. Verziehen Sie. Ich bitte. Ich will selbst, wenn es nicht anders ist, die 25 Dukaten – – –

CLITANDER. Lassen Sie mich. Eh der verfluchte Kerl Sie heiraten, und sich mit Ihrem Gelde breit machen soll – – eher – ja eher will ich selbst in einen sauren Apfel beißen, lieber will ich selbst die Mühe über mich nehmen, und Sie heiraten. Leben Sie wohl unterdessen.[753]


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 750-754.
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