Die Familie

[21] Die Familie kommt in jedem Monat einmal zusammen. Die Frauen mit den Kindern treffen sich schon nachmittags.

Der Kaffee ist ausgetrunken. Die Kinder sind fortgeschickt. Sollen spielen. Müssen nicht alles hören.

Die Frauen aber flüstern. Sie haben mitleidige Gesichter. Sie sprechen von einem, der sehr krank ist.

Wenn es dämmrig wird, erzählen sie über Geistergeschichten und wunderbare Heilungen. Sie fürchten sich. Rufen die Kinder. Drücken die Kinder an die Brust.

Dann wird Obst gegessen.

Kommen die Männer. Gespräche über Haartrachten, über Geschäfte. Und so weiter. Die Unterhaltung geht ruckweise. Bleibt immer plötzlich stehen wie eine defekte Uhr. Furcht, sie werde ganz aufhören. Ein junges Mädchen wird rot –

Aber einmal schweigt alles. Man glaubt zu ersticken. Fühlt sich unsicher wie in einer Schaukel, hilflos wie in einer Rutschbahn ... kommt sich lächerlich vor. Man hört, wie der Wind um die Dächer fegt. Regen schlägt an die grauen Fenster.

Immer noch Schweigen.

Da –

Ob es so schlimm sei ... mit ihm – Wie das enden solle ... Man sieht aneinander vorbei.[21]

Quelle:
Alfred Lichtenstein: Gesammelte Prosa. Zürich 1966, S. 21-22.
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