Achtundsechzigster Brief

Wildberg an Amalien

[107] Triumph! Triumph! Bald werde ich auf dem Gipfel meiner Wünsche seyn! Der Hauptschritt ist gethan, das Eheband zerschnitten; nun sollen die andern Schritte mir leicht werden. Geld! mächtige Göttinn! du knüpfest Ehen und trennst sie wieder!

Da haben Sie das Scheidungsurtheil, Amalie. Sagen Sie zu Albrecht, ich wäre in seinem Hause gewesen, und da ich ihn nicht gefunden, hätte ich es zu Ihnen geschickt, weil ich vermuthet, daß er bey Ihnen wäre. Bewegen Sie ihn, es mit ein paar trocknen Zeilen an Marien zu schicken. Sie wird ihm gehäßig werden,[107] und zugleich wird ihr angeblicher Edelmuth und die Feinheit ihres Gefühls sie alle Verbindung mit Eduard aufheben lassen, und dann hindert mich nichts mehr.

Ihre Spöttereyen über mich und Marien verbitte ich ernstlich. Genug, daß ich sie besitzen will, es koste auch, was es wolle. Meine Liebe ist durch ihren Widerstand nur noch stärker entflammt. Der Sieg ist der süßeste, den man mit Mühe erkämpft. Hol es der Teufel, daß ich mich noch einige Wochen wenigstens ganz ruhig halten muß. Jetzt darf ich es noch nicht wagen, sie zu sehen; aller meiner Vorsicht ungeachtet, glaubt sie doch vielleicht, daß ich Schuld an der ganzen Sache sey, und dann würde auch Albrecht selbst große Augen machen, wenn ich mit der Beute davon gienge. Ich muß also warten, bis Eure Hochzeit vorüber ist, und dann sollst du selbst es mir danken, meine Marie, daß ich[108] dich von den beyden Pinseln entfernte, um dir einen gescheidten Kerl zum Mann zu geben.

Die Zeit bis dahin wird mir verwünscht lang dauren. Es soll mir also willkommen seyn, wenn Sie mir eine kleine Zerstreuung unterdessen verschaffen wollen; denn ich hoffe doch, daß Sie ein hübsches Mädchen für mich auf dem Korn haben.

Wildberg.

Quelle:
Margareta Sophia Liebeskind: Maria. Theil 1–2, Theil 2, Leipzig 1784, S. 107-109.
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