Herzog Knut der Erlauchte

[31] (Ermordet 1131.)


König Niels, der Alte, weißbärtig und kahl,

Hat die Brauen zusammengezogen.

Aus schwarzem Himmel schießen fahl

Blitzlichter um Säulen und Bogen.


Niels Sohn, König Magnus von Westgothland,

Grübelt neben ihm in der Halle.

Der Löwe Sturm kam hergerannt

Und brüllt vor Turm und Walle.
[31]

Ein Blümchen fällt aus dem Blitzestrauß

In den Kronast der alten Esche,

Der Regen gießt in Tonnen aus

Und hält gewaltige Wäsche.


König Niels schlug mit der Faust auf den Tisch,

Im Marmor blieb die Spur:

»Wann endlich zappelt Knut, der Fisch,

An deiner Angelschnur.


König Magnus, ich sehe Walhalla geschmückt,

Es rauschen die Rabenflügel.

Wenn ich gestorben, dann stehst du gebückt

An Knuts, deines Lehnsherrn, Bügel.


Nicht länger hälst du sein Recht in Bann,

Er ist dann König der Dänen,

Und schaut dich kaum vom Sattel an,

Du kämmst seines Hengstes Mähnen.«


König Magnus schoß einen Blick so wild,

Einen Blick voll Haß und Tücke.

Von den Wänden stürzen Helm und Schild

Und stürzen in tausend Stücke.


In Schleswig hält seinen Hof Herzog Knut,

Ein Schrecken der Heiden und Slaven.

Sein Gelbhaar quillt aus dem Eisenhut,

Sich selbst befreiende Sclaven.


Den Frieden gab er, daß Jeder schlief

Den Engeln gleich über den Wolken.

Der Ärmste selbst hatte Siegel und Brief,

Und hat seine Kuh gemolken.
[32]

Zart lag in seinem Arm stahlhart

Sein treues Weib Judithe.

Und jubelnd patscht nach dem langen Bart

Sein Töchterchen Syrithe.


Im Winter elf Hundert dreißig und ein,

Am Tage von Sanct Brigitten,

Ein Ritter sprengt ins Thor herein,

Den Herzog nach Roeskild' zu bitten.


König Magnus schrieb: Es treibt mich fort,

Zu beten am heiligen Grabe.

Herzog Knut gieb mir dein Fürstenwort,

Zu schützen mein Gut und Habe. –


Der Herzog nahm Abschied. Sein Auge blau

Sah träumend in die Weite.

Jens Wohnsfleth und Iven Reventlow

Gaben ihm das Geleite.


Und als er kam in Roeskilde Ort,

Viel Küssen war es und Herzen.

Die Bäume raunen von Frevel und Mord,

Und flüstern von großen Schmerzen.


Acht Tage war Jagd und Trinken und Tanz,

Turnier und Lanzenstechen.

Und als genug der Firlefanz,

Den Herzog wünscht Magnus zu sprechen:


»Die Weiber horchen an Vorhang und Spalt,

Und lästig ist hier die Helle.

Laß gehen uns in den dunklen Wald,

Ein Bote führt dich zur Stelle.«
[33]

Wie war der Wald so weiß und still,

Der Schnee lag stumm auf den Zweigen.

Fern von der Weltesche Yggdrasil

Zog her ein traurig Schweigen.


Tuk Ebbson, der Bote, sang vor sich hin,

Als in den Wald sie traten.

Und leise sang er vor sich hin,

Wie Kriemhild die Brüder verraten.


Der Herzog hört nicht. Mit fröhlichem Sinn

Verfolgt er den Flug einer Meise.

Tuk Ebbson, der Bote, singt vor sich hin,

Von Günthers Heunenreise.


König Magnus sitzt auf dem Eichenstumpf,

Allein, ohn' Paladine.

Unterm Bärenpelz und Wolffellstrumpf

Klirrt heimlich Panzer und Schiene.


Auf springt er, als er den Herzog erschaut,

Und eilt ihm freudig entgegen.

Er küßt ihn auf die Lippen traut,

Und grüßt den treuen Degen.


Dann tritt er zurück und klatscht in die Hand,

Die Mörder sind gerufen.

Und an der Waldblöße lichten Rand

Traben plötzlich zweihundert Hufen.


»Nun soll es sich zeigen, beim heiligen Christ,

Wer König wird von uns beiden.«

Dem Herzog ließ er keine Frist,

Dem blieb das Schwert in der Scheiden.
[34]

Und schlug ihn tot. Der Herzog fiel

Und konnte sich nimmer besinnen.

Der König trocknet Axt und Stiel,

Und reitet dann pfeifend von hinnen.


Wie war der Wald so weiß und still,

Der Schnee lag stumm auf den Zweigen.

Fern von der Weltesche Yggdrasil

Zog her ein traurig Schweigen.


Knuts Brüder ließen die Hunde los,

Und griffen nach Speer und Köcher.

Der Bürgerkrieg fiel übergroß

Auf Schloß und armseligste Löcher.


Bei Fodwig traf König Magnus der Pfeil

Und blieb zitternd im Halse stecken.

König Niels hieb sich Bahn mit Schwert und Beil

Und floh über weite Strecken.


Als in Schleswig am Ende die wilde Fahrt,

Im Sumpf lagen Kron' und Kleinode,

Sie spieen ihm auf den weißen Bart,

Und stampften ihn zu Tode.

Quelle:
Detlev von Liliencron: Adjudantenritte und andere Gedichte, Leipzig 1883, S. 31-35.
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