[42] Dem Fremden gilt dein Evoe,

Du möchtest ihn tausendmal segnen.

Deine Augen sind ein gefrorner See,

Wenn sie den meinen begegnen.


Der fremde Mann ist kein Don Juan.

Er liebt dich zu sentimentalisch,

Und weil er dich nicht heirathen kann,

So denkt er viel zu moralisch.


Mein schönes Kind, du thust mir leid,

Doch das soll anders werden.

Ich liebe dich, und es kommt eine Zeit,

Dann vergessen wir Himmel und Erden.


Glaubst du, daß ich wie ein junger Fant

Stumm will und kläglich verzichten?

Ich bin deiner Hoheit kein Trabant,

Mit nichten, Madonna, mit nichten.


Ob kühn, ob bedachtsam, ich weiß es noch nicht,

Wie den Angriff ich soll planen.

Doch ehe der Herbststurm die Zweige bricht,

Verneigen sich tief deine Fahnen.
[42]

Dann schwenk' ich die Mütze hoch um die Stirn,

Seh' ich den Rauch deines Herdes.

Du horchst, dir entfallen Nadel und Zwirn,

Hörst du den Huf meines Pferdes.


Und klappert vor deiner Thüre mein Gaul,

Du wartest schon an der Treppe.

In der Eile haben sich Faden und Knaul

Verwickelt in deine Schleppe.


Vor Wonne jauchzt deine junge Brust,

Vor Wonne dein Herz, das ich raubte.

Unsre Küsse geben süßere Lust

Als trauscheinlich erlaubte.


Du weiß nicht, Mädchen, was Leidenschaft ist,

Sie klingt nicht aus Engelchören.

Nicht allzulange laß ich dir Frist,

Du sollst, du wirst mich erhören.


Heut hat noch der Fremde dein Herz in Pacht,

Mich behandelst du recht eintönig.

Doch ehe die Sichel rauscht, nimm dich in Acht,

Bin ich dein Herr und König.

Quelle:
Detlev von Liliencron: Adjudantenritte und andere Gedichte, Leipzig 1883, S. 42-43.
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