An den Leser

[443] Geneigter Leser, in der Fürrede der ersten zwey Tausend meiner Sinn-Getichte habe ich etwas weniges gedacht von der Reim Fügung; hier solte ich etwas erinnern von der Rechtschreibung. Ich habe mich darinnen aber auch noch zur Zeit bequämet unserer Übligkeit, um meine Sachen nicht gar zu ungewöhnlich zu machen, als der ich mehr auff die Art der Getichte als etwas anders gesehen; wiewol ich nicht verwerffe, was von fleissigen Sinnen, sonderlich von Herren Schottelio, welcher meines ermessens wol die erste Stelle hat, dißfalls richtig gewiesen worden. Künnen, günnen, kummen schreibe ich mit einem ü und u, weil ich derer Gedancken bin, daß die meisten Zeitworte der Deutschen von denen Nennworten, nämlich das Thun vom Wesen sich herziehen und also von Kunst künstlich, künnen abfliesse, von Gunst günstig, günnen herrühre, wie auch von Kunft Ankunfft, Abkunfft, Herkunfft kummen; es sey dann daß man meine, diese Nennwörter wären auß den Zeitwörtern, wiewol auch zu geschehen pfleget, hergestaltet, da es doch abermal nichts hindern würde. Anderes mehr. Das c für dem k behalte ich, weil es einem Deutsch-gebornen zu einem k schone geläuffig ist, umstehe aber nicht, daß es einem Außländer zu Erlernung unsrer Sprache leichter fallen dürffte, wann das c außgemustert würde. Das i mit e in liegen, siegen und dergleichen ist uns zu unsrer Mundart nicht beschwerlich und wird unzerzogen außgesprochen, macht auch bißweilen einen Unterscheid an der Länge oder Kürtze eines Wortgliedes. Das y möchte zu einem End-Buchstaben wol hingehen, weil es in vielen Schrifften gefunden wird; doch wil ich ihm kein Schild seyn. Sonst halte ich dafür, daß die Wörter, so auß anderen Sprachen ins Deutsche angenummen werden, mit ihren eigenen Buchstaben füglich zu schreiben sind: als Christoph, Sophia,[444] Phöbus, damit wir nicht unser machen, was nicht unser ist, weil es nicht nöthig, in dem uns nichts mangelt. Die Geschlecht-Worte brauche ich, wie sie bey uns üblich; doch fange ich hierüber und über andrem keinen Krieg an. Ich erkläre mich nur, daß weder Zeit noch Meinung bey mir gewesen, solche Dinge vor und ietzo zu beobachten, hingegen aber auch kein Fürsatz, sie zu verachten. Bleib geneigt und gesund.

Der Verkleinernde.

Quelle:
Friedrich von Logau: Sämmtliche Sinngedichte, Tübingen 1872, S. 443-445.
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Die tapfere Wahrheit. Sinngedichte. Insel-Bücherei Nr. 614
Sinngedichte / Von Logau, Friedrich (German Edition)