Die fünfte Abhandlung.

[333] Der Schauplatz stellet für den Tempel der Sonnen und des Mohnden.

Sophonisbe. Elagabal die Priesterin. Der Dido Geist.


SOPHONISBE.

Ist dis das Heyligthum / in welchem von zwey Sternen

Die blinden Sterblichen zukünfftge Dinge lernen?

ELAGABAL.

Dis ist es. Weil ihr Aug auf Erden alles sieht /

So Tag und Nacht erhellt; ist auch ihr Geist bemüht

Den düsteren Verstand der Menschen zu verklären;

Denn die / die Wissenschafft des Künftigen begehren /

Auch Sonn und Mond hierumb andächtig ruffen an /

Erlangen ihren Wunsch. Sie / Sophonisbe / kan

Ihr selber lesen aus / wordurch sie wil erlernen /

Was künftig ihr steht für. Hier stehn die von den Sternen

Beseelten Theraphim /164 dis ist des Thammuz Bild /165

Und dis der Hecate; von derer Regung kwillt:

Daß die und jene Seel einander lieben müssen;166

Die Hertzen müssen sich eröfnen oder schlüssen /

Nach dem man dreht dis Rad /167 und aufschlingt dieses Band.

Hier ist ein Erstlings-Haupt / das eines Pristers Hand

Ihm von dem Halse rieß /168 in Saltz und Würtzen legte /

Als jeder Irrstern sich zum neuen Lauffe regte.169

Wer auf dis güldne Blech des Molochs Nahmen schreibt /

Ihm steckt ein Wachs-Licht an / und eine Nacht hier bleibt

Für dem Altare knien / kriegt / was er wil / zu wissen.

Dis Bild ließ Dido noch aus Gold und Silber güssen /[333]

Worein so Sonn als Mohnd die Kräften flössen ein170

Dis weiß und redet aus / wie unser Glück wird sein /

Das kein Wahrsager gleich ist fähig uns zu sagen.171

Allein es läßt sich nur gewisse Tage fragen;172

Wenn Hada in den Krebs / Adad in Löwen tritt.173

Doch nichts theilt deutlicher die Wissenschafft uns mit /

Als Ob / ein grosser Geist / der Didons Grab beseelet;174

Nach welchem dieser Fels hier stehet ausgehölet /

Wie das zu Caccabe der Dido Tempel hegt.175

SOPHONISBE.

Auf was für Weise wird Elissens Geist geregt?

ELAGABAL.

Du must die Schuh ziehn aus /176 Elissens Bild umbfassen /

Aus deinem Arme Blutt in dieses Feuer lassen.177

Nun setze diese Haub aus weisser Woll aufs Haar /178

Nim hin den Myrten-Zweig;179 wirf Weyrauch aufs Altar.

Nun muß der Dido Grab mit Aepfeln seyn verehret /

Die Derceto zu seen auf Cypern hat gelehret.180

Nach deiner Andacht schlaff auf Didons Grabmal ein.

SOPHONISBE.

Wenn werd ich von der Sonn und ihr erhöret sein?

ELAGABAL.

So bald die Sonne früh mit ihrem Aufgangs-Lichte

Elissens Bild strahlt an / erscheinet ein Gesichte /

Das Schlaffenden allhier ihr künftig Glück entdeckt.

SOPHONISBE.

Gesichte sinds? durch die die Sonn ihr Licht aufsteckt!

ELAGABAL.

Ja / Dido zeiget sich / mit Purper angezogen /181

Die Haare deckt Schmaragd / ein Carchedonisch Bogen

Hengt von dem Rücken ab; die Pfeile find aus Gold;

Ihr Antlitz heget noch ihr Ansehn / ihre Hold.

SOPHONISBE.

Auf was für Art wird man der Geister Meinung innen?

ELAGABAL.

Zu Delphis regt der Erd ihr Geist die Pristerinnen182

Was uns begegnen sol. Dodonens Eich-Altar

Sagt durch zwey Tauben /183 theils auch durch die Zweige wahr.

Der Esculapius aus Ertzt und einem Drachen;184

Und Hammons hörnricht Kopf winckt zu gewehrten Sachen.185

Allein Elissa macht durch ihren Bauch und Mund /186

Was man zu wissen wünscht / viel deutlicher uns kund.

Nun schlaff; Es ist bald Zeit. Die kleinern Stern erbleichen.

SOPHONISBE.

Ist / eh die Sonn erwacht / nicht Antwort zu erreichen /[334]

Weil ja sonst jeder Geist mehr Lust zum Finstern trägt.

ELAGABAL.

Ja / diese / welche Moth und Hecate bewegt.187

Allein Elissens Geist wird mit dem Tage rege /

Als Baals Sonnen-Kind188. Man sieht auch ander Wege

Die Teraphim beseelt durchs Auge dieser Welt.

Ihr Licht ist voller Geist. So bald ein Strahl nur fällt

Auf Memnons steinern Bild /189 bewegt die todten Lippen

Ein angenehmer Schall. Das Licht beseelet Klippen /

Des Apis Seule kehrt der Sonne sein Gesicht190

Wie Sonnenwenden nach. Die Sonne geht auch nicht

Je auf: daß man nicht sie Serapens Bild siht küssen;191

Und Ströme süsser Milch aus hundert Brüsten flüssen /192

Von welchen Isis strutzt; so bald in ihrer Hand

Die Ampeln glimmen an. Ja solcher heilge Brand

Macht: daß Osiris Wein aus dem Altare spritzet.193

SOPHONISBE.

Die Schlafsucht fällt mich an; mein gantzer Körper schwitzet.

ELAGABAL.

Der Strahl der Sonne küßt schon ihr geweyht Altar /

Die Gottheit dieses Orths wird itzt gleich sagen wahr.

DIDONS GEIST.

Das Aug und Hertze dieser Welt /

Das Erd und Meer beseelt / den Sternen Glantz verleihet /

Strahlt auch durch das Elyser-Feld /194

Und unser Schatten bleibt der Sonne noch geweihet.

Elissa hat mit ihrem Leben

Ihr männlich Hertz nicht aufgegeben;195

Der Dido Schatten irrt196 noch emsiger umbs Grab /

Als weiland in der Welt / eh sie den Leib legt' ab.

Sie bleibet itzt noch Sonnen-Priesterin;197

Ihr Geist / der ihr geweiht wie selbst Sicharba war /

Brennt itzt noch Lorbeer-Holtz / und spritzt aufs Brand-Altar

Der Sonne noch ihr Blutt zum Opfer hin;

Labet ihres Eh-Herrns Geist / den des Brüdern Mordbeil fällte /198

Mit dem Balsam treuer Liebe / der aus ihren Wunden tröpft /

Weil sie ihr das Oel des Lebens199 selbst aus ihren Adern zöpft' /

Als Hiarbens tolle Brunst ihrer Keuschheit Netze stellte.

Dieses macht: daß mein Carthago mich als Göttin bethet an;

Und daß mein entseelter Schatten künftig Ding wahrsagen kan.

Doch / mein Carthago / Ach! ach! Himmel-hohe Stadt![335]

Ich sehe deinen Glantz in Flamm und Brand verkrachen /

Die Ochsen und den Pflug zur Saate Furchen machen /200

Wo vor mein Ochsenfell so weit gegräntzet hat.201

Wo Bilder itzt aus Ertzt und Marmel-Seulen stehen /

Wird Moos und Graß und Schlacke sein /

Und breite Buchen wurtzeln ein /

Die Schaaf in fetter Weid auf Thürm und Mauern gehen /

Die höher sich als viertzig Ellen strecken /202

Und itzt voll Volck und Elefanten stecken.

Ja / weil sich Rom nicht sicher schätzt zu sein /

Wenn es Carthago gleich wird in ein Aas verkehren /

Wird man in ihm zermalmen jeden Stein /203

Gleich könt jedweder Rom zerdrümern und verheeren.

Der Fall Numidiens und Cyrtha spielt vor an:

Daß sich Carthago ja vernünftig spigeln kan.

Elende Sophonisb'! ich klage dein Verterben!

Dein Syphax trägt das Joch / dich heists Verhängnüs sterben!

Jedoch nicht ohne rechtes Recht.

Du geußt ins Feuer Oel / Er träget Holtz zur Flamme.

Der Mohr wird itzt der Römer Knecht.

Ach! daß du nicht gezeugt wärst aus Elissens Stamme!

Wilst aber du mir noch mit einer Ader gleichen /

Den Fall des Vaterlands / der deine Marter würtzt /

Den Muth des Asdrubal sehn feines Weibes weichen /204

Wenn er in Fessel kreucht / sie in die Glutt sich stürtzt /

So rette selbst bey Zeiten Ruhm und Ehre.

Es steckt mehr Treue nicht in Masanissens Brust /

Als in Hiarbens Hertz. Ihr Zweck ist geile Lust;

Mein und ihr Holtzstoß diene dir zur Lehre!

Es ist ein groß Gelück in Asche sein verkehrt /

Eh als der Götter Blitz auf Reich und Zepter fährt.

Doch laß hierumb nicht Weiber-Thränen rinnen /

Denn der / der in den Wind so Eh als Eyde schlägt /

Und zu Carthagens Brand itzt Holtz und Schwefel trägt /205

Wird selbst hierbey nicht Gold und Seide spinnen.

Denn Masanissa / den die Stadt

Carchedon auferzogen hat /206[336]

Wird Kronen zwar / doch in den Fesseln tragen.

Rom / das die Dienstbarkeit der Welt

Für himmlisches Verhängnüs hält /

Wird seinen Stamm selbst in die Eisen schlagen.

Ich sehe's Joch schon seinen Enckel zihn.207

Alleine Palmen / Glück und Siege

Solln auch den Römern nicht stets blühn.

Die Sicherheit wird Rom nach diesem Kriege

In Schlaff und Faulheit wiegen ein;208

Das Geld / das Volck / die Macht den Adel blehen auf;

Die Tapferkeit der Wollust Dienst-Magd sein /

Rom sporn-streichs in Verterb beschleunigen den Lauff.

Der Gothen Sündflutt und der Schwarm der Wenden209

Wird Rom dis Raubgutt reissen aus den Händen.

Aber dieser Räuber Zepter wird so wenig ewig sein /

Als Carthago / dessen Grauß210 Tunis muß eine Grundstein werden.

Die verdamten Araber / Gottes Haß / die Pest der Erden /

Werden unsre beyde Reiche überschwemmend nehmen ein.

Ja der Saracenen Strom wird gehemmt von keinem Thamme /

Muzens Fahnen werden leuchten / wo Iber und Bötis rinnt /211

Wo der Fluß Garumna strömt / bis von dem großmächtgen Stamme

Des Durchlauchtgen Oesterreichs Welt und Erdkreiß Rath gewinnt.

Türcke / Mohr und Mohnd erbleichet für den güldnen Hochzeit-Kertzen /

Wenn der Philip ihm vermählt Ferdinands Erlauchtes Blutt;212

Und ihr letztes Nest Granata wird vereinbart seinem Hertzen.

Ja man siht: daß die Natur ihm den letzten Schatz aufthut /

Und die neue Welt entdeckt / weil die alte viel zu klein

Für des Hauses Oesterreich grosse Helden würde sein.

Atlas und Alcides weiß einen Welt-Ball nur zu tragen /

Alexander einer Erde nur den Zaum zu legen an.

Aber Oesterreichs sein Stamm mag von solchen Riefen sagen /

Denen auf jedweder Achsel eine Welt nicht schwer sein kan.

Diese müssen Africa von der Tyranney und Ketten /

Die ihm Omar leget an /213 durch ihr siegend Schwerd erretten.

Es wird der fünfte Carl durch seine Sieges-Fahnen /

Die Tunis / Tripoli / Biserta / Aphrodiß214

Mit Zittern schauen wird / den Weg den Kindern bahnen;[337]

Und lehrn: daß er noch dar was zu erobern ließ.

Amidas muß den Fuß des andern Philips küssen /215

Als Suleiman ihn wil zu Tunis König wissen.

Alleine diese Thaten find

Ein Vorspiel größrer Helden-Wercke.

Fürst Leopold / das Löwen-Kind /

Spinnt viel mehr Sieg / hegt größre Stärcke.

Ister / Rab / und Neutra färbt sich durchs Blutt der Saracenen /

Machmet hüllet für den Adlern seine blasse Monden ein.

Afrikens Gestade werden nicht nur Oesterreichisch sein /

Cyrtha und Carthago wird noch sein Haupt mit Lorbern krönen /

Und sein Siegs-Schwerd wird die Banden Mahumeds zertheiln entzwey /

Wenn der Löwe wird die Löwin Spaniens ihm legen bey.

Sihst du / wie der Adler dort mit dem Drach und Crocodile /

Als mit einer Fledermauß / wie mit Reh und Hasen / spiele;

Wie Europens Keyser-Vogel Donnerkeil' und Flammen blitzt /216

Wenn der Africaner Schutz-Thier217 Feuer speit / und Blitz ausspritzt.

Kurtz: Africa / Carthago sind vertorben.

Auf / Sophonisb'! am besten ists gestorben.


Sophonisbe. Elagabal. Adherbal. Hierba. Himilco.


SOPHONISBE.

Elendes Africa! wie mögt / ihr leichten Götter!

Nur schütten über uns Verterb- und Unglücks-Wetter?

Armseelge Sophonisb'! erbärmlichs Vaterland!

Jedoch / auf! laß uns nicht falln in des Feindes Hand!

Laß uns der Römer Grim / des Masanissen Laster

Und Untreu nicht erst fühln! Es scheint ein sanfter Pflaster

Verzweifelnden zu sein / dem Feinde kommen für.

Vertrautste Priesterin / hol aus der Halle mir

Die liebsten Kinder her. Ich wil den Ruhm erwerben:

Daß Sophonisbe könn Elissen gleiche sterben.

Du / ihr verschwunden Geist / empfang hier Eyd und Pflicht:

Dich / niemand andern sonst / wünsch ich zu küssen nicht.

Ich wil noch diese Nacht umbarmen deinen Schatten.

Itzt sehn wir: daß wir vor mehr Dunst umbhalset hatten /

Als unsers Syphax Lipp und Masanissens Mund[338]

An unsern Brüsten sog. Mein Hertze wird mir wund /

Die Seele bluttet mir / nun ich euch / liebsten Kinder /

Umbarm / und wissen soll: daß ihr dem Uberwinder

Solt in die Klauen falln. Habt aber ihr den Muth

Nebst euer Mutter aufzuopfern euer Blutt /

Eh ihr wolt Africa der Völcker Raub sehn werden /

Die edlen Mohren sein Verwürflinge der Erden /

Eh ihr wollt Fässel zihn?

ADHERBAL UND HIERBA.

Wir wünschen Ehr und Todt /

Und flihen Schand und Dienst. Sie meld uns ihr Geboth.

Wir sind / was sie befiehlt / begierig zu vollstrecken.

SOPHONISBE.

So laßt / weil unsern Fall die Götter uns entdecken /

Der Himmel ihn bestimmt / der Dido grosse That

Großmüttig ihr thun nach / Burg / Tempel / und die Stadt

In Brand / uns aufs Altar zu reinen Opfern setzen.

Was für ein schöner Grab kan uns die Nachwelt etzen /

Als wenn uns Africa mit feiner Asche deckt;

Und in der Tempel Graus sich Leich und Staub versteckt?

Was wolln wir von dem Feind uns erst ein Grab erbitten?

Kein Balsam kan auch nicht uns Faul und Wurm verhütten.

Ja / was die Made schont / schont doch der Römer nicht /

Der Gold bey Leichen sucht / und jedes Grab zerbricht.218

Die Glutt wird aber ihm von uns nicht Hülsen lassen /

Die er verunehrn kan. Die Flammen / die uns fassen /

Muß jeder Mensch verehrn / der Gott ein Opffer bringt.219

Sie find die Flügel auch / durch die die Seele schwingt

Sich zum Gestirn empor. Durchs Feuers Kräffte werden

Beseelet Erd und Meer. Die Glutt vertritt auf Erden

Der Sonne Gütt und Ampt;220 sie ist ihr Göttlich Bild.

Kein Thier / als nur der Mensch braucht Feuer;221 denn es kwillt

Sein Wesen vom Gestirn.222 Es reinigt / was beflecket /223

Es ist der Welt ihr Geist / das alle Sachen hecket /

Der Anfang / in den sich auch alles äschert ein.224

Welch ein gelücklich Grab wird uns die Glutt nun sein:225

Eilt diesemnach / und reißt die Fackeln vom Altare /

Steckt Burg und Tempel an. Mehr als beglückte Baare!

Wo Reich und Königin den Staub zusammen mischt /[339]

Und ihr verspritztes Blutt auf frischen Bränden zischt!

ELAGABAL.

Ihr Kinder? Sophonisb'? Ach! was wollt ihr beginnen?

ADHERBAL UND HIERBA.

Laß uns!

ELAGABAL.

Was? zünden an?

SOPHONISBE.

Ja / ja!

ELAGABAL.

Laßt euch besinnen!

Wollt ihr der Götter Zorn durch Brand mehr stecken an?

SOPHONISBE.

Es wird den Göttern selbst hierdurch ein Dienst gethan.

ELAGABAL.

Wenn ihre Bilder glühn / und ihre Tempel krachen?

SOPHONISBE.

Ja / eh aus ihnen man läßt frembde Götzen machen.226

Rom / das an einen Stein / nicht unsre Götter glaubt /227

Das Gadens Heyligthum des Oel-Baums hat beraubt /228

Der Früchte von Schmaragd auf güldnen Aesten brachte

Das den Pygmalion / Alcidens Bein' auslachte /229

Wird dieses Tempels auch nicht schonen / und ihn weihn

Dem Mörder Romulus und einer Wölfin ein230.

Die Hure Flora wird den Mohnden hier verdringen /231

Ja Rom wird Febern Furcht und Blässen-Opffer bringen.

ELAGABAL.

Rom streut der Sonne selbst ja Weyrauch aufs Altar.

SOPHONISBE.

Die Sonne saget selbst uns ihr' Entweihung wahr.

Ihr Kinder / steckt nur an. Die Sonne liebt die Flammen.

ELAGABAL.

Sol Sophonisb' und ihr von Sonn und Göttern stammen?

Halt! stürmt auf sie nicht loß. Versehrt nicht euer Hauß.

HIMILCO.

Durchlauchtst / ein Bothschafter hat was zu richten aus.

SOPHONISBE.

Wir fürchten böse Post.

HIMILCO.

Er kommt von Masanissen.

SOPHONISBE.

Auch dieser ist uns gram. Was Rath? ist aufzuschlüssen?

Nein! nein! doch ja! schleuß auf. Wir warten seiner hier;

Des Unglücks Aloe komt der nicht bitter für /

Die Galle schon gesaugt an ihrer Mutter Brüsten.

Nur Muth! denn Zagheit kan den Untergang nicht fristen.


Disalces. Sophonisbe. Adherbal. Hierba. Himilco. Micipsa. Elagabal. Das Frauenzimmer.


DISALCES.

Durchlauchtste Königin. Ihr grosser Helden-Geist /

Der dem Verhängnüsse die Spitze selber weist /

Ihr Felsen-hartes Hertz / das des Gelückes Schläge

Kaum als ein Ambos fühlt / eröfnet mir die Wege /

Macht meinen Kleinmuth keck: daß ich mich untersteh /

(Die Götter wissen es / wie mirs zu Hertzen geh!)[340]

Ihr / welche werth: daß sie nur stets auf Rosen giengen /

Nur Seuftzens-schwangern Gruß und herbe Post zu bringen.

SOPHONISBE.

Es ist nicht Noth bey der / die unversehns nicht fällt /

Daß man mit Grausamkeit viel hinterm Berge hält /

Den Sarch mit Tulpen blümt / den Mord mit Thränen decket.

Eröfne: wer uns hat das Sterbens-Ziel gestecket.

DISALCES.

Die Götter müssen mir wahrhafte Zeugen sein:

Daß Masanissa mich voll heisser Hellen-Pein /

Bestürtzt / verrückt / halb-tod / an sie hat absendet.

SOPHONISBE.

Die Feinde find erfreut / wenn man an Hafen lendet.

DISALCES.

Er ringt selbst nach dem Tod / und fleucht so Freund' als Licht.

Verflucht sich und die Zeit: daß er den Ehschluß nicht /

Den er ihr theuer schwur / und noch als heilig preiset /

Vollzihn kan / und die nur mit Hofnung hat gespeiset /

Der er die Seele selbst / die noch von Liebe glimmt /

Zur Nahrung / ja sein Blutt zum Opfer hat bestimmt.

Dis würd er für ihr Heil den giftgen Ungeziefern /

Die beyder reine Brunft vertilgen / willigst liefern;

Ja durch sein kreischend Fleisch besiegeln Eh und Eyd;

Könt es ein Pflaster sein für Tod und Dienstbarkeit.

Ach! aber er beweint der grimmen Römer Sitten /

Die er vergebens sich bemüht hat zu erbitten.

Der strenge Scipio reißt Eh und Recht entzwey /

Spricht: daß die Königin der Römer Sclavin sey /

Die müste Rom und ihm sein Siegs-Gepränge zieren.

Sie selbst kan unschwer fühln / wie dis sein Hertze rühren /

Der Seele weh thun muß. Weil nun nicht Müh und Fleiß /

Sein letzter Tropfen Blutt ihr nicht zu helffen weiß /

Noch auß der Löwen Klau und dieser Tyger Rachen

Sie seinen liebsten Schatz lebendig loß zu machen;

So heißt ihn Treu und Schwur ihr liefern Gift und Tod.

Ihr Uhrsprung / ihre Würd / ihr Witz / ihr Stand der Noth /

Ihr Vaterland wird ihr hier schon den Ausschlag geben:

Obs Sterben besser sey / als in den Fesseln leben.

SOPHONISBE.

Willkommen süsser Tranck! Ich nehm ihn freudig an /

Weil Masanissa mir nichts bessers schencken kan.[341]

Gewünschter Freyheits-Saft! verlangte Morgengabe!

Disalces / sichre dich: kein güldner Apfel hab

So angenehmen Saft / kein Weinstock süssern Wein /

Als Masanissens Tranck / schenckt er mir Gift gleich ein.

Mein Freund / geh und laß ihn von Sophonisben wissen:

Daß wie wir itzt mit Luft sein Trinckgeschirre küssen /

So auch die Zunge bald dis Necktar schmecken sol.

Es lebe Masaniß / und dencke dieser wol;

Die ihn itzt sterbende zu gutter Nacht gesegnet.

Geh meld ihm: daß uns dis / was uns von ihm begegnet /

Den Leib trennt / nicht die Lieb; ob uns schon hertzlich leid

Die wider unsern Ruhm begangne Eitelkeit:

Daß wir zum andern mal uns erst verehlicht haben /

Als das Verhängnüs uns schon eine Gruft hies graben.

Doch ein behertzter Todt lescht alle Flecken aus /

Ja Ruhm und Lorbern ziern der Tugend Asch und Graus.


Sophonisbe. Adherbal. Hierba. Tychæus. Himilco. Micipsa. Das Frauenzimmer.


SOPHONISBE.

Vertrautste / nunmehr ist der güldne Tag erschienen /

Des Glücks / der Eitelkeit / der taufend Seelen dienen /

Ihr Joch zu werffen ab; die Larve wegzuzihn

Gespenstern / die mit nichts sich uns zu schrecken mühn.

Der Todes-Schatten schafft nur blöden Augen Schrecken.

Verwehnten Lippen wil nur Aloe nicht schmecken.

Ein Helden-Geist gleicht sich Gefäßen / die Zibeth

Und Ambra hat durchwürckt. Was in denselben steht /

Zeucht den Geruch an sich / und ärgste Bitterkeiten

Verzuckert die Geduld.

HIMILCO.

O frembder Lauf der Zeiten!

Sol unsers Reiches Sonn itzt schon im Grabe stehn?

SOPHONISBE.

Die Sonnen sind erst schön / wenn sie zu Golde gehn.

MICIPSA.

Was wird an uns für Schuld durch so viel Kwal gerochen?

SOPHONISBE.

Wir haben mehr / als uns der Himmel strafft / verbrochen.

HIMILCO.

Des Masanissen Schuld und Untreu bleibt verschont.

SOPHONISBE.

Sein Meineyd wird zur Zeit wie meiner sein belohnt.

Die Sund ist auf die Sund ein Werckzeug gleicher Straffen.

Diespiter schärft Keil' auch wenn er scheint zu schlaffen /[342]

Führt wider Erd und Welt mit diesem Schwefel Krieg /

Der aus der Erde vor als Dunst zun Sternen stieg.

Die Untreu schläget mich umb meines Syphax willen /

Dem ich vor untreu ward. Auf! laßt uns nun erfüllen /

Was das Verhängnüs wil und Masanissa schafft!

Komm und entbinde mich / wahrhafter Freyheits-Saft!

MICIPSA.

Durchlauchtste Königin / wie / wil sie dem zu liebe /

Der nichts nicht lieber wünscht / als daß er sie betrübe /

Zu feiner grimmen Luft aufopfern Geist und Blutt?

SOPHONISBE.

Dis Opfer ist mehr mir als Masanissen gutt.

TYCHÆUS.

Der sie Blutt-dürstig frißt / als wie Saturn die Kinder?

SOPHONISBE.

Ich leide zwar von ihm / doch er vom Uberwinder

Dem harten Scipio.

TYCHÆUS.

Ist er der Römer Knecht?

SOPHONISBE.

Obliegender Gewalt ist alles Unrecht recht.

TYCHÆUS.

Könt er sie nicht befreyn / solt er sie selbst nicht tödten.

SOPHONISBE.

Der Tod ist ein Geschenck in solchen Freyheits-Nöthen.

TYCHÆUS.

Ein Greuel der Natur / der Rach und Ehrsucht Kind.

SOPHONISBE.

Glaubt: daß in diesem Gifft auch Oel der Liebe rinnt.

HIMILCO.

Ihr Ehherr baut sein Glück auf ihre Todten-Beine.

SOPHONISBE.

Wir finden in der Gruft die schönsten Edelsteine.

MICIPSA.

Des Körpers scharffen Schmertz / der Freinde gröstes Leid.

SOPHONISBE.

Dem Schmertz hilft ab der Tod / das Leid versüßt die Zeit. ses

HIMILCO.

Die Götter haben noch nicht allen Trost verschrencket.

SOPHONISBE.

Die Römer uns bereit Halß-Eisen angehencket.

MICIPSA.

Der Himmel kan aus Band- und Eisen machen frey.

SOPHONISBE.

Wenn man den Lebens-Drat selbst hertzhafft reißt entzwey.

HIMILCO.

Rom wird auf solch hoch Blutt nicht solch scharf Urthel sprechen.

SOPHONISBE.

Rom wird den Regulus in Sophonisben rechen.

MICIPSA.

Mißt Rom der, Königin mit Fug zu frembde Schuld?

SOPHONISBE.

Das Recht liegt / wo man liegt / und schafft nur Ungeduld.

Sätzt mir nicht ferner zu / macht meinen Geist nicht irre /

Es muß gestorben sein. Dis giftige Geschirre

Bewirthet unser Heil / und macht zur Göttin mich.

Ward doch Amilcar auch vergöttert232 / weil er sich

Des Gelo Hand entzoh / das Leben ihm verkürtzte /

Und in die Opffer-Glutt sich selbst zum Opffer stürtzte.[343]

Ich sterb / Elissa nimm mich zur Gespielin an!

Melcarthos / weil ich dir kein Erstling schlachten kan /233

Verwirf mich Todte nicht; Tychæus / nicht mein Bitten:

Sey auf dein Heil bedacht / entfleuch aus Cyrthens Hütten /

Zeuch deinen Helden-Arm nicht von Carchedon ab.234

TYCHÆUS.

Ich wil ihr Beystand sein / dein Priester bis ins Grab.

SOPHONISBE.

So sterb ich hochvergnügt. Dis kummerhaffte Leben /

Kan uns mehr keine Luft / die Zeit kein Heil mehr geben. /

Mit meinem Syphax ging mir meine Glücks-Sonn auf /

Itzt sinckt sie auch mit ihm; und rennt mit schnellem Lauf

Aufs Meer des Unglücks zu / aus dem nur Dünste steigen /

Die überm Haupte Blitz / in Augen Thränen zeugen;

Obs Hertze schon mehr Blutt / als jenes Wasser weint /

Nicht: daß der Himmel mir mit schwartzen Sternen scheint /

Nicht: daß man Perl und Gold von unser Scheutel scheidet /

Nicht: daß für Purper uns ein Sterbekittel kleidet /

Nein! nur der Kinder Fall / der Freinde Leid und Schmertz

Verwundet meine Brust / durchschneidet Seel und Hertz.

Ach! daß mein Fessel euch die Freyheit könt erwerben!

Mein Blut sein euer Heil! Wir wolten froher sterben /

Mit Luft der Römer Joch den Achseln legen an!

Ach! aber schnöder Trost! Nichts / als der Tod nur kan

Der Freyheits-Ancker sein / des Elends Hafen werden.

Spart / liebsten Freinde spart die ängstigen Gebehrden.

Ein steiler Felß und Geist weicht Sturm und Glücke nicht.

Die Eiche trotzt den Wind / der weiche Pappeln bricht.

Hertzliebste Kinder kommt / kommt laßt euch mich umbarmen /

Den letzten Kuß gewehrn. Die Götter woll's erbarmen:

Daß ich / ihr Freund' / euch Trost- und Hülfloß lassen muß.

Kommt und gesegnet uns auch noch durch einen Kuß.

Himilco hier nimm dir den Ring mit unserm Siegel235

Dir zum Gedächtnüs hin; und Euch zu einem Spiegel:

Daß des Verhängnüsses Hand alle Siegel bricht /

Oft uns ein Augenblick verleschet Glück und Licht.

Micipsa hier empfing zu süssem Angedencken

Der Sophonisbe Bild. Die Steine / die umbschrencken[344]

Mit Sternen-hellem Glantz ihr Antlitz / deuten an:

Daß auch ein Diamant zum Kiesel werden kan.

Orynthie nimm hin dis Kleinod; Elenisse

Dis Halßband / Agathe den Ring / und so viel Küsse

Als ein itzt sterbend Mund euch zu gewehren weiß.

ORYNTHIA.

Mein Hertze wird mir kalt / und alle Glieder Eiß.

SOPHONISBE.

Nehmt mir die Perlen ab / Elissens Ohrgehencke /

Behalte diese dir / Elgada / zum Geschencke.

Mein itzt zerdrümmert Stand bringt dir den Uhrsprung bey /

Warumb ein löchricht Ohr des Adels Merckmaal sey.236

ELGADA.

Der Himmel woll ihr Heil und ihr Gelück ergäntzen.

SOPHONISBE.

Gar recht! es wird geschehn. Drumb mögen wir mit Kräntzen /

Die welck und irrdisch find / nicht länger treiben Pracht.

Drumb sagen wir der Erd und Schatten gutte Nacht.

Elissa rufft mir zu: Ich were frey gebohren.

Mein Schutz-Geist zopffet mich an den durchbohrten Ohren /

Und sagt: So zeichne man zu Rom jedweden Knecht.237

Allein ein hertzhafft Tod erwerb ein kräftig Recht

Uns zu der Ewigkeit.

ELGADA.

So mögen unsre Leichen

Ihr heilig Vortrab sein.

ELENISSA.

Laß uns zu erst erbleichen

Eh als die Königin behertzt sich opfert auf.

SOPHONISBE.

Nein / liebsten Kinder nein / hemmt euren Unmuths-Lauf /

Ermuntert Seel und Geist! Rom hat auf euch zu wütten

Nicht Uhrsach / wie auf uns.

ELENISSA.

Solln wir die Stirne bitten

Des Unglücks ernstem Grimm / das grosse Riesen fällt /

Gekrönte Häupter schlägt? Der Blitz / der Stamm erschellt /

Zermalmt die schwachen Aest.

SOPHONISBE.

Er schont der kleinen Hecken

Wenn er die Zedern trifft. Laßt euch den Fall nicht schrecken /

Noch in Verzweifeln ziehn. Ich wünsch euch Heil und Trost /

Des Himmels Hold und Gunst / der sich auf Uns erboost.

Was aber wird itzt euch / hertzliebsten Kinder / lassen

Die Mutter / die der Schluß der Götter heißt erblassen?

Die das Verhängnüs schon umbs Erbgutt hat gebracht /

Eh als ihr Tod das Recht zu erben lebend macht?

Thron / Purper / Kron und Reich ist in des Feindes Händen.

Zwey Schwerdter find noch hier; dis hat des Syphax Lenden /

Dis die behertzte Faust des Asdrubals geziert.[345]

Die solln das Erb-Gutt sein. Wo eure Seelen rührt

Der Tugend reger Geist / der Väter groß Gemütte /

Wo euch in Adern steckt ein Tropffen vom Geblütte /

Das Barchens Stamm gehegt / wird mit der Zeit der Stahl

Noch unser Recher sein. Kommt / laßt zum letzten mahl

Die Mutter / die itzt stirbt / die Schwerdter umb euch gürten.

Jedoch / was schwermen wir? die Lybier bewirthen

Nicht Drachen / die so wild als unsre Feinde sind.

Wenn Rom ein Haupt abstürtzt / muß des Gestürtzten Kind

Auch auf die Fleischbanck fort. Ihr würdet doch erbleichen

Durch dieser Löwin Grimm. Mit euren todten Leichen

Würd ihm Rom Kurtzweil-Spiel / uns ärgstes Leid stelln an.

Der sterbe nur / der nicht unschimpflich leben kan!

Auf! laßt uns nun den Tranck von Masanissen schmecken!

Dis Gift ist uns kein Gift. Denn Heil und Freyheit stecken

In dieses Glaß vermischt. Euch Kindern trinck ichs zu.

ADHERBAL.

Sie glaube: daß ich ihr vergnügt bescheiden thu.

HIERBA.

Ich lechse dieses Gift als Nectar zu genüssen.

SOPHONISBE.

Es schmeckt / weil Noth und Muth den bittren Tranck versüssen.

HIEMPSAL.

Sie reiche mir dis Glaß nun auch / Frau Mutter / her.

SOPHONISBE.

Macht unser Unglücks-Faß mit diesem Glase leer.

HIMILCO.

Micipsa / lassen wir der Fürsten Fall geschehen?

HIERBA.

Wollt ihr uns lieber nicht todt / als in Fesseln sehen?

MICIPSA.

Die Hülfs-Hand ist ja noch den Göttern nicht verkürtzt.

HIEMPSAL.

Wer nicht guttwillig weicht / wird mit Gewalt gestürtzt /

Wenn das Verhängnüs stößt. Laßt mich das Glaß nun fassen /

In dem du / Bruder / mir zu wenig hast gelassen.

SOPHONISBE.

Recht so! wer hertzhaft stirbt / lacht Feinde / Glück und Zeit;

Verwechselt Ruh und Ruhm mit Angst und Eitelkeit.

Kommt laßt / ihr Kinder / euch den Abschieds-Kuß gewehren /

Auf Euch die Sterbende das Mutter-Hertz ausleeren.

Die Augen starrn mir schon / ihr Licht verdüstert lieh /

Die Glieder werden kalt.

HIEMPSAL.

Umb-arme Sie und Mich /

Mein Bruder: Daß allhier bey unzertrennten Leiben

Die Seelen unzertrennt auch nach dem Tode bleiben.

HIERBA.

Ein Himmel schleußt die Seeln / ein Sarch drey Leichen ein.

SOPHONISBE.

Sol euer erste Wieg auch eure Baare sein?[346]

ORYNTHIA.

Hilf Himmel! sie vergehn! sie sincken zu der Erden.

SOPHONISBE.

Wir sterben (gutte Nacht!) mit uns Angst und Beschwerden.

ELENISSA.

Uns geht der Unglücks-Stern auf / nun die Sonnen falln.

HIMILCO.

Sol über uns allein der Römer Zornsturm knalln?

Micipsa / laß uns auch durch ein behertztes Sterben

Schimpf und Gefängnüs flihn / Ruh / Ehr und Ruhm erwerben!

MICIPSA.

Micipsa lobt den Schluß. Laß unser edles Schwerdt /

Eh als durch unsern Hals ein knechtisch Messer fährt /

Uns selbst durch tapfren Kampf und Purper-schöne Wunden

Den Fürsten / denen wir bis auf den Tod verbunden /

Grosmüttig opffern auf.238 Ein Knecht hats höchste Gutt

Der Treu und Ehr erreicht / der durch verspritztes Blutt

Des Herren Leiche salbt.

AGATHE.

Ihr unbarmhertzgen Götter!

Was schüttet ihr auf uns nicht für ergrimmte Wetter?

Nun sich itzt Africa durch eignen Stahl aufreibt;

Der Helden Faust das Schwerdt durch eigne Därmer treibt.

Sie falln; ach Himmel hilf! itzt falln des Reiches Seulen.

Laßt Schwestern uns nun auch zu der Erlösung eilen /

Der Brüste reine Milch bepurpern durch dis Schwerdt.


Masanissa. Orynthia. Elenissa. Menalippe.


MASANISSA.

Halt / Sophonisbe! wie? welch Basilißke kehrt

Sein Gift- und tödlich Aug ihm selber zum Verterben?

Und euer Wahnwitz wil durch eigne Mordthat sterben?

Ach! Sophonisbe / wie? ist sie schon todt und kalt?

Verfluchtes Volck! habt ihr der Fürstin mit Gewalt

Aus ihren Händen nicht das Gift-Glaß können reißen?

ORYNTHIA.

Steht Mägden zu / zu wehrn was grimme Sieger heissen?

MASANISSA.

Wenn die Verzweifelung ein schlimmes Urtheil fällt.

ELENISSA.

Wenn Furcht und Ohnmacht uns die Hände selber hält.

MASANISSA.

Eilt! rettet! wo in ihr sich noch ein Athem reget.

Bringt Balsam / Oele / Wein / im Fall der Pulß noch schläget.

Ich Mörder! Ach! ich muß selbst ihren Zustand fühln!

Und mein hell-lodernd Hertz auf ihrer Leiche kühln!

Ja! leider! sie ist hin. Die Rosen sind verschwunden /

In denen meine Seel hat süsse Weide funden.

Ihr Athem ist verraucht / der Zunder meiner Lust.[347]

Allein es glimmet noch in ihrer kalten Brust

Ihr unausleschlich Oel und Schwefel meiner Liebe /

Die starren Augen zihn mit süssem Anmuths-Triebe

Mein lodernd Hertz an sich. Und meine Seele lächst

Nach Balsam / der noch itzt auf ihren Lippen wächst.

Gib / Sophonisbe / zu / mein Abgott / Masanissen:

Dir noch zum letzten mal den kalten Mund zu küssen!

Ja flösse mir noch itzt des Liebens Zucker ein.

Dein todter Leib sol mir nicht nur die Baare sein /

Er sol mein liebster Schatz wie Periandern bleiben;239

Ja ich wil Lieb und Lust mit ihrem Schatten treiben.

Alleine Masaniß / auf was für Wahn rennst du?

Störst du nach ihrem Mord auch ihres Geistes Ruh?

Wilst du die Leich ihr noch wie vor den Leib beflecken?

Siehst du mit Flammen dich nicht ihr Gespenste schrecken?

Besänfte deinen Grimm / Durchlauchtste Königin!

Weil ich mich selbst alsbald zu straffen schlüßig bin.

Ach! was hab ich gethan? wie viel hab ich verschuldet?

Ach! daß der Himmel mich noch unzerschmettert duldet?

Ach! daß der Abgrund mich lebendig nicht verschlingt?

Und ihr hier schwermend Geist Megæren mit sich bringt;

Mich mit verdienter Kwal und Martern zu entseelen.

Ich sehs! itzt öfnen sich die unter-irrdschen Holen.

Ihr Antlitz schüttet Blitz / ihr Arm wirft Glutt auf mich.

Auf! Masanissa / auf! stich selbst dis Schwerdt durch dich!

Daß beyd ein Tag / ein Sarch zu Grabe kan bestatten.

Versöhne durch mein Blutt und deinen blassen Schatten

Ihr zorniges Gespenst!240


Masanissa. Scipio. Lælius. Syphax. Juba. Mamercus. Bogudes. Eine Menge Römischer Kriegs-Obersten und Soldaten.


SCIPIO.

Halt! bist du Sinnenloß?

MASANISSA.

Hilf Himmel! wer verzückt mir so gerechten Stoß?

SCIPIO.

Wie läßt du dich so sehr Brunft und Verzweifeln Wänden?

Stracks reißt dem Wüttenden den Degen aus den Händen.

MASANISSA.

Wird mir nun auch der Todt als letzte Ruh verwehrt?

SCIPIO.

Dem billich / welcher selbst nicht weiß / was er begehrt.[348]

MASANISSA.

Mein Meuchel-Mord hat mehr als schlechten Tod verschuldet.

SCIPIO.

Entdecks: wer was von dir Unrechtes hat erduldet.

MASANISSA.

Durch mein geschicktes Gift liegt hier der Eh-Schatz todt.

SCIPIO.

Stand nicht die Wahl bey ihr? Dein Rath war kein Geboth.

MASANISSA.

Ist ein betrüglich Rath was minders / als Gebitten?

SCIPIO.

Sie hat zu wenig noch für ihre Schuld erlitten.

MASANISSA.

Sie hat an mir sich nicht verbrochen / Ich an Ihr.

SCIPIO.

Rom und der Himmel gab zu straffen Vollmacht dir.

MASANISSA.

Die Götter fordern itzt auf mein Verbrechen Rache.

SCIPIO.

Ist ihnen Eigen-Mord doch selbst verdammte Sache.

Wer auf sich selber raast / ist unwerth ihrer Gunst /

Verletzt Natur und Recht. Laß dich den tummen Dunst /

Den Wahnwitz nicht verwirrn / umb eines geilen Weibes

Gelücklichen Verlust ein Hencker deines Leibes

Und deines Ruhms zu sein. Gib treuer Warnung Raum.

Dein Hertz umbwölckt Begierd / und dein Gehirn ein Traum.

Du wirst so schlimmen Schluß bereun und schamroth bleiben /

Wenn der Vernunft ihr Licht den Nebel wird vertreiben.

Ermunter mit mehr Ruhm bald deinen Helden-Geist;

Eh als dir Zeit und Feind die Thorheit selbst verweist /

Da itzt dein bester Freind dich nur zu warnen suchet.

Dein Feind selbst Syphax hier / der dich vorher verfluchet /

Fängt wegen ihres Falls dich selbst zu lieben an /

Weil ihrer Untreu doch kein Mensch nicht hold sein kan.

Behertzig: Ob mit Fug dich kan ihr Fall betrüben;

Die einen Tag sich nicht zwey Männer schämt zu lieben /

Und nach des Glückes Uhr auch ihre Liebe stellt;

Ja geile Wechselung für Witz und Klugheit hält.

MASANISSA.

Ich wil / Großmächtger Held / mich mühn zu überwinden;

Wo meine Wunden nur noch Salb und Pflaster finden;

Weil doch mein halbes Hertz in ihr begraben liegt:

Jedoch / da Sie und Ich nicht diese Gnade krigt:

Daß ihre Leiche nicht wird erst nach Rom geschicket /

Da ihr Begräbnüs ihr von Römern wird verstricket /

Mag ich lebendig nicht solch Hertzeleid schaun an.

SCIPIO.

Du bittest / was dir Rom nicht wol versagen kan /

Und unser Siegs-Fest sol mit keiner Leiche prangen.

Was Masanissa wird für Arth und Pracht verlangen[349]

Die todte Königin ins Grab zu setzen bey /241

Wird Rom und uns gefalln; dir stehet alles frey.

Ja: daß auf diesen Tag kan Masanissa lernen:

Die Tugend schwinge lieh bis an das Dach der Sternen;

Rom lasse treue Dienst' und grossen Helden-Muth

Auch Frembder Tapferkeit und Ruhm-verspritztes Blutt

Durchaus nicht unbelohnt / nicht Untreu ungerochen /

So wird durch meinen Mund sein Urtheil ausgesprochen.

Fürst Syphax hat verspielt Reich / Freyheit / Zepter / Thron /

Die Rom sind heimgefalln. Du Lælius wirst schon

Mit dem Gefangenen242 nach Rom zu eilen wissen.

Wer Treu und Eyd zerreißt / den müssen Fessel schlüssen.

Doch sol die Beute nur des Sieges Vorschmack sein.

Carthago muß auch noch geäschert werden ein.

LÆLIUS.

Die Götter wollen Rom und dich mit Siege krönen /

Auf dessen Achseln sich Rath / Herr / und Bürger / lehnen.

Den allen wird noch mehr mein Zeugnüs bringen bey:

Daß vom Verhängnüsse fürlängst beschlossen sey:

Die Scipionen solln der Juno Stadt zerstören.243

SCIPIO.

Dich / Masanissa / wird Rom stets als Bunds-Freund ehren.

Dis überliefert dir des Syphax Reich durch mich.

Nimm Cron und Zepter hin;244 du wirft hingegen dich

Der Römer treuer Freund hinfort zu sterben mühen.

ALLE.

Daß Rom und Scipio und Masanissa blühen.


Reyen


Des Verhängnüsses / der vier Monarchien.


DAS VERHÄNGNÜS.

Ihr grossen Reiche dieser Welt /

Die ihr verblüht seyd / und solt blühen.

Mein Arm / der Erd und Himmel hält /

Der euch hat Sieg und Macht verliehen /

Stellt einen güldnen Siegs-Krantz hier[350]

Dem Grösten unter allen für.

Ich hab Ihn an den Himmel an

Mit Stahl und Diamant gebunden /

Daß ihn kein Arm abreißen kan /

Als der den Welt-Kreiß überwunden.

Kommt und versuchet euer Heil.

Dem Stärcksten wird der Preiß zu theil.

DAS ASSYRISCHE REICH.

Rühmt eure Würd / ihr Reiche / wie ihr wolt.

Ihr seyd aus Silber / Ertzt / Stahl / Thone / meine Glieder.245

Ich bin das Haupt; und dis ist feines Gold.

Und meine güldne Zeit kömmt mit euch keiner wieder.

Mein Babylon ists güldne Haupt der Welt /246

Das Thürm und Mauern hebt bis an der Sternen Gipfel.

Ich bin der Baum / der fernem Schatten fällt

Als Asien247 / es reicht zum Himmel ja mein Wipfel.

Auf Asien! reiß Stahl und Kett entzwey!

Und lege mir der Reiche Siegs-Krantz bey.

DAS PERSISCHE REICH.

In Asien war deiner Hoffarth Ziel.

Für Elymais muß nicht Asien nur knien /

Als Babylon zu Persens Füssen fiel.

Mohr- und Egypten-Land muß meinen Siegs-Karn zihen.

Gantz Africa bückt sich für meiner Macht /

Der raue Scyth ist zahm / wenn sich mein Cyrus reget.

Gantz Grichen-Land erschüttert sich und kracht /

Wenn übern Hellespont mein Xerxes Brücken schläget.248

Auf Asien! auf Africa! kommt raubt

Den Siegs-Krantz weg / und setzt ihn auf mein Haupt.

DAS GRIECHISCHE REICH.

Ihr setzt umbsonst mit Weiber-Händen an.

Sardanapal kan Stahl nicht wie den Flachs zerziehen.

Ja Asien hegt Weiber / keinen Mann.

Für wenig Grichen muß das gantze Persen fliehen.[351]

So bald mein Blitz dein gläsern Haupt zerschellt /

Verstäubt Persepolis bis auf kaum viertzig Säulen /249

Gantz Asien / und halb Europa fällt /

Nicht nur / auch Indien bückt lieh für meinen Keilen.

Auf Asien / Europa steht bey dir!

Weißt eure Kräft und bringt den Siegs-Krantz mir!

DAS RÖMISCHE REICH.

Der Sieges-Krantz gehöret Rom allein /

Für dem Europa lieh und Africa schon bücket.250

Doch Asien wird auch besigt bald sein /

Weil Hannibal in Krieg der Syrer Haupt verstricket.251

Glückseeligs Rom! du ewigs Haupt der Welt!

Das bald wird Pers' und Syr' und Grich anbethen müssen.

Wer ist nun dar / der dir den Sieg vorhält?

Weil mit den Dreyen dir der Erdkreiß fällt zun Füßen.

Auf! alle Drey! brecht den Verhängnüs-Drat.

Auf! kräntzet Rom! weil es gesieget hat.

DAS VERHÄNGNÜS.

Daß ihr umbsonst so mühsam seyd

Umb diesen Preiß der gantzen Erden!

Das Römsche Reich wird ja zur Zeit

Gekrönt mit diesen Lorbern werden.

Doch wird mein Schluß erst treffen ein /

Wenn Teutschland wird der Reichs-Sitz sein.

Mein fernes Auge siehet schon

Den Oesterreichschen Stamm besteigen

Mit grösserm Glantz der Römer Thron.

Schau eine neue Welt sich zeigen!

Weil ihm ein allzu enges Ziel

Alcidens Seule werden wil.

EUROPA, ASIA UND AFRICA.

Willkommen Schwester! steh uns bey!

Hilf uns den Lorber-Krantz abreissen.[352]

EUROPA, ASIA, AFRICA UND AMERICA.

Glück zu! die Kette reißt entzwey.

Der ist ein Herr der Welt zu heissen /

Für dem wir alle viere knien.

Nimm / Oesterreich / den Siegs-Krantz hin.

Dein Stamm wird ewig uns stehn für.252

Doch nicht nur wir falln dir zu Füßen.

Nach deinen Häuptern werden wir

Viel neuer Inseln nennen müssen.

Ja es wird noch in Sud sich dir

Der dritte Welt-Kreiß thun herfür.

Quelle:
Daniel Casper von Lohenstein: Afrikanische Trauerspiele. Stuttgart 1957, S. 333-353.
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