21.

[138] Hier liest sich, wie der schlimm Gefahr

Den Liebsten trieb vom Garten gar

Durch seines Wächterstabes Streich',

So schien er Narr und starr1 zugleich.


Da hielt ich es nicht länger aus

Bei diesem Menschen, schwarz und graus

Der mich bedroht mit schlimmem Schlag'.

Es läßt mich springen über'n Hag

Von großer Furcht und Eil' erfüllt.

Er schüttelt nun sein Haupt gar wild,

Und sagt, wenn wieder ein ich drang,

Soll mir bekommen schlecht der Gang.

Die Flucht ergriff nun Gutempfang,

Daß ich allein blieb scheu und bang,

Voll Scham und Unmuth, und mich reut,

Daß ich, was ich gedacht, geseit,[139]

Denk' meiner Thorheit zu der Frist,

Seh', daß mein Herz geliefert ist

Dem Zwist', dem Aerger und der Plag',

Und dies mich recht erzürnen mag,

Daß ich nicht in die Hecke kam. –

Wer nicht geliebt, nie Leid gewann;

Und glaubet nicht, daß Qual so heiß,

Wer nicht geliebt hat, richtig weiß.

Amor hielt nur zu gut das Wort,

Das er mir gab an diesem Ort'.

Daß keinem Herzen irgend kund,

Und daß verkünden mag kein Mund

Den vierten Theil von meinem Schmerz,

Es schwindet mir beinah das Herz,

So oft der Rose es gedenkt,

Von der es nun hinweg gedrängt.

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Fel et fol.

Quelle:
Guillaume de Lorris: Das Gedicht von der Rose. Berlin 1839, S. 138-140.
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