32.

[183] Wie wieder einmal voll Verdacht

Wie Eifersucht die Runde macht

Gerade mitten durch den Hag,

Ob sie dabei ergreifen mag

Das süsse Kind, den Gutempfang,

Weil ihm den Kuss der Liebst' abdrang.


Nachher zu sagen mir's gezahm,

Wie Eifersucht sich jetzt benahm,

Die sich mit üblem Argwohn' wand.

Da bleibt kein Maurer mehr im Land',

Kein Zimmermann, den sie läßt ruhn.

Und zum Beginne läßt sie nun

'Nen Graben machen um den Hag,

Der manchen Thaler kosten mag.

Der Graben ist gar tief und breit,

Die Maurer baun darauf zur Zweit'

'Ne Mauer von geviertem Stein,

Der auf dem Sumpf nicht sinket ein;[184]

So liegt auf festem Fels der Grund,

Er steigt verhältnißmäßig rund

Bis zu des Grabens Gleiche auf,

Dann nimmt er wieder breit den Lauf.

So wurdens ziemlich feste Werke,

Die Mauern haben große Stärke.

Ein richtig Viereck also stand,

Von hundert Klaftern jede Wand.

Es ist gerad' so lang als breit.

Darauf sind Thürmchen schön gereiht,

Die sind verzieret reich und fein,

Und sind von zugehan'nem Stein.

An den vier Seiten standen vier,

Die schwerlich zu erobern hier.

Auch sind daran gerad' vier Thor' –

Dran ragen hoch die Mauern vor.

Das ein' der Stirnwand ist bestimmt,

Gar wohl befestigt, wie sich ziemt,

Und hinten ein's, zwei an der Seit',

Der'n jedes keinen Angriff scheut.

Schiebthore gab es auch daran,

Zu thun Leid den Belagrern an.

So daß versperrt, gefangen wird,

Wer sich darin zu weit verirrt.

Und mitten in dem Hage was

Ein Thurm von gar gewalt'gem Maß'

Von seinen Meistern auferbaut,[185]

Daß nirgends man was Schön'res schaut,

So war er groß und hoch und breit.

Die Mauer keines Fehls man zeiht.

Es ward gar meisterlich gethan,

Den Mörtel, den befeuchtet man

Nach guter Art mit saurem Wein',

Vom selben Felsen ist der Stein,

Von dem errichtet schon der Grund,

Daß Schönheit ist mit Dau'r im Bund'.

Der Thurm der ward ganz rund bestellt,

So reichen hat nicht mehr die Welt;

Und gar schön war es in ihm drin.

Von Außen da umringte ihn

Von allen Seiten her ein Schirm,

Und zwischen ihn und das Gethürm'

Da war'n die Stöcke eingesetzt,

An denen g'nug der Rosen jetzt.

Im Hof' war'n Wurfböck' aufgestellt

Und Zeug von aller Art der Welt.

Und sonst Geschosse mancher Art

Bedecket jegliche Schießschart'.

Und auf der Zinnen weitem Rund'

Der Armbrüst' eine Menge stund,

Die gar kein Schütz' handhaben kann.

Wer da zur Mauer will heran

Nähm' eben so gut Nichts sich vor.

Und eine Schanze stand am Thor',[186]

Mit Lücken eine Mauer fest,

Die keinen Stoß sich nahen läßt

Bis zu dem Graben selber vor,

Bestund er nicht die Schanz' zuvor.


Und Eifersucht hatt' auch besetzt

Ihr Schloß, wie ich's Euch sage jetzt.

So weiß ich, daß für's erste Thor

Gefahr zum Schließer sie erkor,

Am Thore, das gen Morgen blickt;

Mit ihm zum selben Zweck' beschickt

Sind dreißig Söldner, wie's gezam.

Das andre Thor behütet Scham,

Daß gegen Mittag sie verschließ'.

Sie war gar weis', ich sag' Euch dies,

Daß Sie Soldaten hatt' in Füll',

Zu thun was sie nur irgend will.


Auch Furcht ein großes Amt einnimmt,

Zur Hüterinn ist sie bestimmt

An's dritte Thor, das ward erbaut

Links, wo nach Mitternacht man schaut.

Furcht sicher nie sich irgend hält,

Wenn sie nicht weiß das Schloß bestellt.

Und offen ist's nicht oft zu sehn,

Denn wenn sie hört des Windes Weh'n,[187]

Und wenn sie Grillen springen hört,

Wird sie in Schau'r und Angst verkehrt.


Argmund, den Gott verdammen woll',

Der immer nur von Tücke voll,

Der steht am Thor', rechts in der Reih'. –

Und wißt, oft vor die andren Drei

Läuft er. Hat er heraus gebracht

Daß er des Nachts wird halten Wacht,

So steigt er Abends auf die Zinn',

Und bläst von da sein Stückchen hin,

Mit Pfeifen und mit Hörnerschall.

Bald bläst er'n Siegerlied zu Thal,

Und läß erklingen schönen Hall

Vom lauten Horne von Cornoaille.

Und auf der Pfeife bläst er dann,

Daß man kein Weib gut finden kann:

Daß Keine sich es nicht belacht,

Wird wo der Liebelust gedacht.

Die ist geschminkt, die eine Hur',

Und die da stellt sich sittsam nur,

Die ist 'ne Thörin, jene schlecht,

Und diese weiß zu schwatzen recht.

Argmund läßt nicht 'ne Einz'ge rein,

Und tadelhaft muß Jede sein.


Und Eifersucht, – Gott treff' sie jetzt! –[188]

Die hält den runden Thurm besetzt

Und wißt, daß sie an dieser Statt

All' ihre ganz Vertrauten hat.

So hat sie da gar große Kraft.

Und Gutempfang der liegt in Haft,

Ganz unten in dem Burgverließ,

Wo sie ihn fest verwahren ließ,

Daß er sich mag befreien nie.

Und eine Alt' – Gott, schände sie! –

Die gab sie einzig ihm als Wart',

Der keine andre Weisung ward,

Als zuzuseh'n stets ungestört,

Daß er nicht thörigt sich geberd'.

Und ihr entgehen kann kein Ding,

Kein Zeichen irgend, noch ein Wink.

Da ist kein Trug, den sie nicht weiß,

Da von dem Uebel und dem Preis',

Den Amor seinem Dienst' gewährt,

Auch ihr die Jugend einst beschert.

Und Gutempfang gehorcht und schweigt,

Da er der Alten bang sich neigt,

Und waget sich zu regen nicht,

Daß nicht die Alte drin ersicht

'Ne falsche Haltung, da sie ganz

Genau versteht den alten Tanz.


Als Eifersucht die Zeit entlang[189]

Sich sicherte den Gutempfang,

Daß sie ihn warf in das Verließ,

Sie auch sich's wohl behagen ließ,

Daß nun ihr Schloß so sicher stand,

Darin sie großen Trost erfand.

Nun sorgt sie nicht mehr, daß ein Gauch

Sich stiehlt zu Ros' und Knospe auch.

Die Stöcke steh'n in sichrer Acht.

Und wenn sie schläft und wenn sie wacht,

Sie jetzo sich gesichert fand.


Der Liebende.


Doch ich, der vor der Mauer stand,

War voll von inner'm Zwist' und Streit,

Wer wüßt', wie ich gelebt zur Zeit

Der hegte Mitleid wohl mit mir.

Amor verkauft mir theuer schier

Das Wohl, das er mir vorgemalt;

Mein' ich, ich hab' es schon bezahlt,

Verkaufet er's von Neuem dann,

Und größer' Leiden hebt sich an

Für Freude, die gar schnell entschwand,

Daß ich sie besser gar nicht fand.


Was soll ich Euch nun sagen an?

Ich bin als wie der Bauermann,

Der auch in seine Erde sä't,[190]

Und Freud' hat, wenn die Saat aufgeht;

Das Blatt ist schön und frisch zu seh'n,

Doch kommt es endlich dann zum Mäh'n,

So wird doch nimmer was daraus,

Und endlich wächst ihm Alles aus,

Und wenn es sollt' recht herrlich blüh'n

So schwindet weg der Kern darin,

Und Hoffnung jetzt dem Armen lügt,

Der ihr zu frühe sich gefügt.

So fürcht' ich, daß auch ich verlor,

Was ich gedacht, gehofft zuvor;

Denn so weit ließ mich Amor schon,

Daß ich bereits begann davon

Viel zu vertrau'n dem Gutempfang',

Der angewiesen war, zu Dank'

Zu handeln mir und meinem Thun.

Doch Amor ist so schwankend nun,

Daß er mir Alles wieder raubte,

Als ich mich schon geborgen glaubte,

So daß es wie beim Glücke kam,

Das auch das Herze füllt mit Gram

Dann wieder schmeichelt und ergetzt

In jeder Stunde sich umsetzt,

Jetzt lachend und jetzt weinend sta't,

Er drehte da ein kleines Rad,

Und wenn er will, so rollt und strebt

Nach oben, was erst unten schwebt,[191]

Und wer da auf dem Rade stund

Der macht gar schnell das ganze Rund.

Ach, ich auch thät' herum mich dreh'n!

Die Maur'n und Gräben mußt' ich seh'n,

Die ich besteh'n nicht mag noch kann.

Doch nimmer kommt mir Freude an,

So lange Gutempfang in Haft,

Denn was mir Muth und Freude schafft,

Das ruht auf ihm und auf der Rose,

Die auch verborgen in dem Schlosse.

Und daraus muß hervor er gehn,

Will Amor jemals heil mich sehn.

Denn nirgends anders such' ich mir

Gesundheit, Wohlsein, Freud' und Zier.


Ach, süßer Freund, mein Gutempfang,

Wenn jetzt Gefängniß Euch bezwang

So bleibt mir doch Eu'r Herz bewahrt!

Und duldet nie auf keine Art,

Daß Eifersucht in ihrer Wuth

Euch auch das Herz entziehen thut,

Wie sie's dem Leibe hat gethan.

Und greift sie es mit Zücht'gung an,

So bleib' mir doch ein liebend Herz

Auch selber bei der Zücht'gung Schmerz'.

Und hält Gefangenschaft den Leib,

Seht zu, daß doch das Herz mir bleib'.[192]

Ein fein' Herz läßt vom Lieben nicht,

Wenn ihm auch Weh und Harm geschicht.

Wenn Eifersucht gar hart verfährt,

Euch Noth und Kummer nur gewährt,

So bietet wiederum Bosheit.

Und die Gefahr, mit der sie dreut,

Rächt mindestens in Eurer Seel',

Schlägt alles Andere Euch fehl.

Und thut Ihr dieses treu und recht,

So acht' ich mich gar wohl gerächt.


Doch großer Kummer faßt mich nun,

Daß Ihr nicht werdet allso thun

Ich fürcht', Ihr grollt mit mir zur Zeit,

Dieweil Ihr nun gefangen seid

Um meinetwillen, und in Haft

Doch war es wahrlich nicht boshaft,

Wie gegen Euch ich hab' gethan,

So daß ich nimmer Was begann,

Das man verbergen müßte hier.

So kränket auch – Gott helfe mir! –

Die Bosheit mehr als Euch noch, mich,

Denn tiefe Reu' empfinde ich

Wie es noch Keiner sagt' noch sah.

Vor Ingrimm' rase ich beinah,

Wird mir einmal so recht bewußt

Mein großer offener Verlust.[193]

Und Schrecken und Verzweiflung droht,

Wähn' ich, zu geben mir den Tod.

Ach freilich muß mich fassen Grau'n,

Wenn den Verräther ich muß schau'n,

Und wie die Bosheit und der Neid

Zu meinem Schaden sind bereit.


Ha, Gutempfang, ich sehe schon,

Mit welchem Trug' sie Euch bedroh'n,

Und machen vor Euch solche Mähren,

Daß sie das Herze Euch bethören.

So helf' mir Gott, wenn's schon gescheh'n,

So weiß ich nicht, wie's noch soll geh'n!

Doch sehr in Sorgen bin ich fast,

Ob Ihr mich wohl bereits vergaß't

Ich bin von Gram und Leid umtost,

Und Nichts gewährt mir einen Trost; –

Wenn Eure Neigung ich verlier',

Hab' ich Vertrauen nimmer hier.

Noch irgend, was mir Trost gewann.

Ha, schön' süß' Herz, wer Euch nur kann

In jeder Woche einmal sehn,

Schon minder ist die Pein für den,

Doch ich seh' nirgends Weg noch Stege,

Wie ich Euch jemals sehen möge.


Indem ich so betrübet war[194]

Kam von des Werkes Spitze dar

Vom Thurm hernieder Frau Mitleid,

Die schon geheilt manch' Herz voll Leid;

Und sie begann zu trösten gleich,

Und sprach: Freund, zu erretten Euch

Und zu erleichtern Eure Pein,

Bin ich genahet diesem Hain'.

So führ' ich Euch Frau Schönheit her,

Und Recht und Gutempfang mit der,

Und Süßblick, und Natürlichkeit,

Denn wir sind All' in argem Leid'

An diesem Thurm' von solcher Höh'.

Kein rechtlich Herze sündigte,

Verlör's sein Leben auch in Leid'.

Die Eifersucht entschlief zur Zeit,

So sind wir jetzt vor ihr in Flucht.

Wir trugen großer Langweil' Wucht.

Denn Furcht die stets im Bangen steht,

Und fest schließt, wann sie kommt und geht

Die lauscht und horchet hin und her.

Der Argmund ist gar zweifelschwer,

Und weiß es nicht, was er soll thun,

Doch gute Minne wirket nun,

Die stets den Ihren Trost erkor.

So öffnet' ich im Leid' das Thor,

Obwohl die Furcht da Hüther ist.

Jedoch wenn Solches Argmund wüßt',[195]

Wir gingen nicht um alle Welt.

Doch Venus schön und blond, bestellt'

Die Schlüssel und entließ uns hier.


Dann setzten sie sich hin zu mir

Da räumt' mein alter Schmerz den Platz.

Frau Schönheit bot mir zum Ersatz'

Die schöne Knospe selber dar,

Die nahm ich an mich willig gar,

So daß zu eigen ich sie hätte,

Ohn' daß mir Einer Einspruch thäte.


Da war nun großer Freude Stätte,

Von frischem Gras' war unser Bette,

Die Rosen schön der Rosenstöcke,

Und Sträuße waren uns're Decke,

Und großer Wonn' und großer Lust

War'n wir uns diese Nacht bewußt,

Die mir gar kurz und schnell erschien.

Des Morgens bei der Bäume Grün',

Erhoben wir uns von dem Pfühl',

Doch waren wir betrübet viel,

Daß es so schnell jetzt scheiden hieß.

Und Schönheit nun nicht unterließ,

Die süße Knosp' zu fordern sich;

Ich gab sie unfreiwilliglich,

Doch hatte nun die süße Ros'[196]

Erschlossen da sie ging, den Schoß:

Doch wie sie nun so von mir kam,

Und nicht mal Abschied von mir nahm,

Da ließ die Schönheit sich herab,

Und lächelnd dieses Wort mir gab:

Mög' Eifersucht sie hüten doch

Erhöh'n die starken Mauern noch,

Drum ziehen einen großen Hag,

Anstellen viele Leut' am Schlag' –

So hat gewonnen sie recht viel –

Ist's Alles nicht vergeblich Spiel,

Das saget mir, so wie es scheint,

Hat den Verdienst der Dienst, mein Freund?


Gedenkt zu dienen ohn' Verrath,

Wenn fein und gut das Herz Euch stat,

Seid alle Zeit der Rose Herr,

So ist versteckt sie nimmermehr.


Und nach dem Thurm' im Augenblicke

Geht sie anmuthig leis' zurücke.

So geht sie und nimmt Abschied hier.

Dies ist der Traum, der träumte mir.[197]

Quelle:
Guillaume de Lorris: Das Gedicht von der Rose. Berlin 1839, S. 183-198.
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