4.

[33] Hier nennt der Liebende Fröhlichkeit,

Das ist 'ne Frau, die führt ohn' Leid

Den Reigen, ausgelassen ganz. –

Und diese führte nun den Tanz.


Die Leute, die ich jetzt genannt,

Die war'n zum Reigen grad' gewandt.

Und eine Frau sang ihnen heut –

Dieselbige hieß Freudigkeit –

Gar süß und schön sie das verstand,

Und wohl wie Keine so gewandt,

Wie Keine mit so schönem Klang' –

Es war ein Wunder, wie sie sang!

Wie hell die Stimm' und laut so recht,

Und nicht im Allermind'sten schlecht.

Zu schlagen wußte sie das Maß

Mit ihrem Fuße, wo sie saß –

Sie war gewohnt, zu sein schon lang

An jedem Ort' die Erst' im Sang'[34]

Denn Singen das war so ihr Fach,

Das trieb sie gerne und gemach.


Dann sah den Reigen ziehen ich,

Die Leute schwenken wonniglich,

Und ziehen manches schöne Rund,

Manch schönen Gang auf grünem Grund'.

Dann sah ich Pfeifenbläser, ja,

Auch Harfner, Tausendkünstler da.

Die Einen sangen Rundgesäng',

Die Andren lotharing'sche Kläng' –

Auch gab es Tänzerinnen und

Auch Beckenschlägerinnen rund,

Die wußten gar zu spielen schön,

Und ließen gar nicht das Getön

Der Becken, daß es stimmte gar

Zugleich, und fehlt' auch nie ein Haar.

Zwei Mädchen, niedlich und gewandt,

In bloßem einfachen Gewand' –

Die führten einen Reigen an

Und ließen den Herrn artig dann

Den Kegel in dem Reigen sein –

Doch davon spricht es sich nicht fein.

Wie sie da schwenkten fügsam sich;

Die Eine kam gar wonniglich

Zur And'ren vor, und war'n sie nah,

Da drückten sie sich beide da[35]

Wohl Mund an Mund, – wie ich bericht',

So küßten sie sich in's Gesicht.

Sie wußten's zu entwirr'n so wohl –

Ich weiß nicht, wie ich's malen soll

Doch nie wohl wollt' ich fort von da,

So lang' ich diese Leute sah.

Die so sich übeten mit Glanz'

In kunstvoll'm Reigen und im Tanz!


Quelle:
Guillaume de Lorris: Das Gedicht von der Rose. Berlin 1839, S. 33-36.
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