7.

[47] Der Liebende nennt Reichthum jetzt,

Der war gar adlich hoch gesetzt,

Doch war von solchem Hochmuth er,

Dass sich kein Armer waget her,

Weil er zurück sie scheuchen thut,

So ist auch Keiner ihm recht gut.


Bei Schönheit schritt Reichthum einher –

Das war ein Mann gar stolz und hehr,

Von großer Geltung, Macht und Werth,

Ihm und den Seinen widerfährt

Es nie, daß Wer ihm Unrecht thut;

Er war gar stolz und hochgemuth –

Und schaden, nutzen kann er weit.

Es ist von gestern nicht und heut',

Daß Reiche haben viel Gewalt

Zu Druck' und Hilfe dergestalt.

Da gibt es Nichts – hoch noch gering,

Das nicht dem Reichthum Ehre bring'.[48]

Und Alles drängt zum Dienst sich hin,

Daß seine Neigung es gewinn'.

Und jeder nennt ihn seinen Herrn,

Denn alle Welt ja schaut ihn gern,

Die ganze Welt gewährt ihm Zoll.

Sein Tisch macht manchen Schmeichler voll,

Verräther viel, und Neider mehr,

Die da begierig hinterher,

Herabzusetzen und zu schmäh'n,

All', die sich's lassen besser gehn.

Sie trügen ihn durch Schmeichelei

Und täuschen ihn durch Heuchelei.

So streu'n sie Weihrauch mit dem Wort,

Doch all' ihr Schmeicheln sticht sofort

Von hinten bis auf's Mark geführt.

Und so ihr Lob den Werth verliert.

Denn sie entehren, die geehrt,

Und ehren wieder, die entehrt.

Manch' Wackren haben sie verklagt

Und seine Ehre abgesagt –

Die Heuchler durch die Heuchelei.

Den sie erhoben hoch und frei,

Der sollt' bescheiden abseits gehn. –

So wär'n wohl lieber nicht gesehn,

Die Schmeichler hier mit ihrem Neid',

Kein Biedermann liebt solche Leut'.[49]


Ein Scharlachkleid hatt' Reichthum an,

Da sehet ja nicht Spott daran,

Wenn ich Euch kurz und gut bericht',

Es geb' so schön und reiches nicht

In aller Welt und das so paßt.

Mit Scharlach war's ganz überfaßt.

Geschichten hatt' es im Verlauf, –

Von Fürsten, Kön'gen Bilder drauf.

Am Halse war es zugesetzt

Mit einem Band mit Gold besetzt

Gar schön und reich – das wißt für wahr

Und an dem Gurte ringsum war

Von reichen Steinen große Zahl,

Die gaben manchen lichten Strahl.

Reichthum hatt' einen Gürtel reich

Um dieses Scharlachkleid's Bereich.

Von Steinen hatt' er eine Schnall',

Gar tugendlich und stark zumal.

Denn wer da hat den Gürtel an,

Den auch kein Gift befangen kann,

Der konnte nie vergiftet sein,

Und liebenswürdig macht der Stein.

Der ist dem Wackern mehr wohl werth

Als selbst die ganze röm'sche Erd'.

Ein Heft von andren Steinen klar

Half wohl vor aller Zahngefahr.

Und wer besitzet solchen Schatz,[50]

Bei dem hat nie mehr Unglück Platz,

An keinem seiner Lebenstag',

Was immer ihm begegnen mag.

Mit Gold' war Alles ausgelegt,

Und all' Gewebe, gold belegt.

Sie waren groß und reich beschwert

Und allzumal viel Goldes werth.

Reichthum hatt' unter'm Kleid 'nen Ring

Von Gold' – es ward kein schöner Ding

Jemals gesehn – so viel' ich wähn',

Denn er war ganz in Gold' zu sehn.

Der müßt' ein guter Zähler sein,

Der Euch mit Namen all' die Stein', –

Wie viel' da war'n, zu zählen weiß;

Denn Niemand wüßte da den Preiß,

Den haben möchten die Gestein',

Die dort das Gold gefasset ein.

Granat, Rubin und Saphir schwer,

Perlmutter, als zehn Unzen mehr.

Doch vorn hatt' als der größte Schatz

Noch ein Karfunkel seinen Platz.

Und dieser Stein so helle macht,

Daß man zu jeder Zeit der Nacht,

Ihn völlig sieht und brauchen kann

Wohl eine ganze Meile dann.

Der Stein, der gab so reichen Schein,

Daß Reichthum stralt in Glanze fein[51]

Im ganzen Antlitz' und Gesicht',

In Allem auch, was unten liegt.


Reichthum an seinen Händen führt

Gar schöne Fraue, huldgeziert,

Die ist sein ächtes Lieb fürwahr.

In schönem Hause immerdar

Hat diese ihren Aufenthalt

Die hält gar zierlich die Gestalt –

Auch hatte sie gar schöne Pferd',

Und hielt sie sich gewißlich werth; –

Heißt mich 'nen Mörder oder Dieb,

Wenn ihr im Stall 'ne Mähre blieb.

Drum liebt sie auch die Gunst vor all'n

Des Reichthums und sein Wohlgefall'n,

Damit sie stets 'ne sich're Statt

Für ihren großen Aufwand hat –

Auch kann er tragen wohl am Ende,

Was sie auch immerhin verschwende,

Die Thaler giebt er immer her.

Als schöpf' aus einem Speicher er.


Freigebigkeit saß hinter ihr,

Die war flink und gelehrig hier,

Daß Ehr' und Gunst sie gerne gab.

Sie stammt von Alexander ab;

Und Freude sie an nichts ersah,[52]

Als, wenn sie sagen konnte: da!

Und Geiz, der filzige sogar

So gierig nicht um Nehmen war,

Als zum Verschenken die; es trennte

Von allem Gut' sie leicht sich, könnte

Sie nicht verschenken sich recht satt,

So lang' sie irgend Mehr noch hat.

Freigebigkeit hat Lob und Werth;

Die Narr'n und Weisen dieser Erd',

Wohl jeder sich zu ihr bekennt,

Denn keinen läßt sie unbeschenkt.

So kommt es, daß sie Keiner haßt;

So wähn' ich, daß auch Alle fast

Um ihre guten Dienst' ihr freund.

Und darum hat sie auch vereint

Die volle Gunst von Arm' und Reich'.

Wer knickert ist dem Narren gleich.

Kein Laster kennt ein großer Mann,

Das so wie Geiz ihn schänden kann.

Ein Knicker nie sich unterwand

Zu nehmen Herrschaft oder Land.

Denn er hat nie zur G'nüge Freund',

Die da vollführten, was ihm scheint,

Wer wünschet, daß er Freunde habe,

Der hab' zu lieb nicht seine Habe,

Durch schöne Gab' erwirbt man Freund',

So daß es eben so erscheint,[53]

Wie der Magnet der gleicher Weise,

Das Eisen anzieht flink und leise;

So zieht der Leute Herzen an

Gold, Silber, das man geben kann.


Es hatte die Freigebigkeit

Von sarazen'schem Zeug' ein Kleid.

Sie war gar schön und wohlerweckt,

Doch war ihr Nacken unbedeckt,

Da sie das Heft an wen verschenkt –

Mit dem das Kleid zusamm' gehenkt –

Sie hatt's verschenket eben recht,

Und dieses stand ihr gar nicht schlecht,

Daß da ihr Nacken ohne Hehl

Und unverborgen ihre Kehl' –

Denn weiß und schön hervor nun schaut

Das Hemd auf ihrer weichen Haut.

Freigebigkeit, gar klug und groß

Hatt' einen Ritter, der entsproß

Vom König Artus von Britann' –

Das war der, der da trug die Fahn'

Der Tapferkeit und die Standart.

Er war von solcher Ehr' und Art,

Daß man erzählt von ihm die Mähr'n,

Vor Kön'gen, Grafen und vor Herrn.

Der Ritter war erst jüngst auf's Neu

Hierher gekommen vom Turnei',[54]

Wo er bestand für seine Frau'n

Manch' Ringelstechen und manch Hau'n,

Wo er gebrochen manchen Schild

Und manchen lieben Helm zerspillt,

Und manchen guten Rittersmann

Durch Kraft und Tugend abgethan.


Freimüthigkeit ging hinterher,

Die weder braun noch grau, vielmehr

So weiß von Haut, wie Schnee. Die Nas'

Auch wahrlich nicht von Orleans was,

Sie war gar schlank und zart zu schau'n,

Das Auge lacht; die Augenbrau'n

Gewölbt, die Haare blond und lang,

Einfach wie eine Taub' ihr Gang.

Ihr Herz, das war gar sanft und gut.

Und was sie spricht und was sie thut,

Das ist durchaus nur, daß sich's schickt,

Und wenn sie einen Mann erblickt,

Der trübe war aus Lieb' zu ihr,

Dem schenkt sie Mitleid gleich allhier,

Ihr Herz ist Mitleid zugekehrt,

Sie ist so süß und liebewerth,

Daß Kein's um sie betrübet noch,

Dem sie nicht hilft, und fürchtet doch,

Sie hab' ein heillos Arg' gethan.

Ein linnen Kleid nur hatt' sie an,[55]

Kein Fädchen Woll' war dran zu sehn,

Bis Arras gibt's keins mehr so schön.

Es war so schmuck und hübsch und knapp,

Daß dran es auch kein Spitzlein gab,

Das nicht an seinem Flecke saß.

Also nun die bekleidet was.

Denn kein Gewand steht einer Meid

So schön, als wie ein linnen' Kleid.

Im Unterkleide sind die Frau'n

Weit schöner als im Rock zu schau'n.

Das linnen' Unterkleid, so weiß,

Bezeichnete gar zart und leis',

Wie so auch wäre, die es trug.

Ein Knabe aber jung genug

Freimüthigkeit zur Seite stand –

Ich weiß nicht, wie er war genannt,

Doch war er schön, als wär' er schon

Dem Herrn von Gundesor1 sein Sohn.

1

Windsor.

Quelle:
Guillaume de Lorris: Das Gedicht von der Rose. Berlin 1839, S. 47-56.
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