Achter Auftritt.


[44] Der Pastor. Vorige. Weiler sitzend.


WEILER. 's ist der Herr Pastor. Begrüßung.

FÖRSTERIN. Gott sei Dank! Der gute Herr Pastor!

FÖRSTER. Sie meinen zur Verlobung zu kommen, Herr Pastor – aber –

PASTOR. Ich weiß alles, was Ihr angestellt habt.

FÖRSTER. Der Herr Stein –

PASTOR. Von dem komm' ich eben. Und was ich Ihnen zu sagen habe – ich weiß, Sie nehmen's deshalb um nichts unfreundlicher auf, weil ich's bringe.

FÖRSTERIN. Wenn der Herr Pastor vom Herrn Stein kommen, da kann noch alles gut werden. Aber Sie wissen nicht, Herr Pastor, wie eigensinnig der Mann da ist.

PASTOR. Was denn? Ich weiß alles. Aber er ist doch nicht[44] der Hauptsünder; sonst käm' ich nicht als Steins Gesandter. Der will den ersten Schritt thun.

WILKENS. Ich tät' ihn nicht, wenn ich der Herr wär'.

PASTOR. Ja, alter Freund Ulrich, dem Stein thut's leid, daß seine Hitze die Ursach' gegeben hat, den schönen Tag zu stören.

FÖRSTER. Hört Er, Vetter Wilkens?

PASTOR. Das mit dem Absetzen war gar nicht so schlimm gemeint.

FÖRSTER. Hört Er, Weiler?

PASTOR. Daß es nun freilich sein Bewenden dabei haben müßte –

FÖRSTER. Sein Bewenden – Herr Pastor, was soll das heißen?

PASTOR. Daß er sein Wort nicht sogleich wieder zurücknehmen könnte, ohne sich zu blamieren – das müßten Sie selbst einsehn.

FÖRSTER gedehnt. So? Und der Buchjäger?

PASTOR zuckt die Achseln. Ist vor der Hand Förster von Düsterwalde; das ist nicht zu ändern –

FÖRSTER. Das sagen Sie; aber ich sag' Ihnen, Herr Pastor, der Buchjäger ist's nicht; Förster von Düsterwalde bin ich. Und ich bin's, Herr Pastor, und ich bleib's, Herr Pastor, bis der Herr Stein bewiesen hat, daß ich gegen meine Pflicht gehandelt hab'.

PASTOR. Damit Sie aber sähen, wie bereit er seinerseits wär', sein Teil Unrecht auszugleichen und das alte gemütliche Verhältnis wieder herzustellen, sollen Sie Ihren bisherigen Gehalt verdoppelt fortbehalten als Pension.


Förster macht Schritte und pfeift.


PASTOR. Soweit mein Auftrag, alter Freund; und nun –

FÖRSTER bleibt vor dem Pastor stehn. Wofür, Herr? Will er mir meine Ehre damit abkaufen? Herr Pastor, meine Ehre ist mir nicht feil. Schritte und pfeift.

PASTOR. Aber, alter wunderlicher Freund –[45]

WILKENS. Ja, wenn er einen Menschen anhörte!

FÖRSTER wie vorhin. Soll's ein Gnadengehalt sein? Ich brauche keine Gnade. Ich kann arbeiten. Umsonst nehm ich nichts. Ich nehme keine Almosen. Ich weiß, er kann mich nicht absetzen, wenn ich nicht schlecht gewesen bin; das weiß ich aus mehren Exempeln, zum Beispiel vom Jäger Rupert in Erdmannsgrün. Wenn ich mich willig absetzen ließe, so geständ' ich selber ein, daß ich schlecht wär'. Dem Rupert konnten sie auch nichts beweisen, und er blieb in seinem Dienst. Und wer nimmt einen Abgesetzten in Dienst? Herr Pastor, ich hab' von Vater und Großvater eine Ehre ererbt und bin sie meinen Kindern und Kindeskindern schuldig; mein Vater hat vor mir die Stelle gehabt und mein Großvater vor meinem Vater; sie heißen mich den Erbförster im ganzen Tal; ich wär' der Erste aus meinem Stamm, der abgesetzt wäre. Gehn Sie hinaus in meinen Forst, Herr Pastor, und wenn Ihnen nicht die Seele davor aufgeht – Herr Pastor, ich habe den Forst bis auf den Kirchhof gezogen; da liegt mein Vater und mein Großvater, und von ihren Herrn steht das Zeugnis auf ihren Steinen: »Sie waren redliche Männer und treue Diener.« Sie liegen, wie sich's für Jägersleute gebührt, unter grünen Tannen. Herr, und wenn mein Kindeskind einmal dahin käm' und fragte: »Aber warum liegt der nicht unter den Tannen, der sie gepflanzt hat? Warum haben wir nichts mehr da zu suchen? Ist der ein Schurke gewesen, daß sein Herr ihn hat absetzen dürfen?« Und wenn sie meinen Grabhügel suchen und finden ihn hinter der Kirchhofsmauer? Herr, wenn Sie ohne ihre Ehre leben können, so ist's gut für Sie – oder vielmehr, so ist's schlecht von Ihnen. Aber sehen Sie, Herr Pastor, für mich gibt's nur eine Wahl, entweder neben meinem Vater und Großvater unter die Tannen oder – hinter die Kirchhofsmauer. Herr Pastor, ich bin Förster hier, oder er müßte öffentlich erklären, der Herr Stein, daß er an mir gehandelt hat als ein Schurke. Das Meine hab' ich in seinen Forst gewandt; ich will nichts herausnehmen als den Stock, an dem ich in die[46] Welt gehe und in meinen alten Tagen einen neuen Dienst suche, aber von mir muß die Schande abgewischt sein, und auf ihm muß sie kleben bleiben. Ich bin in meinem Recht und will's behaupten.

WILKENS. In Seinem Recht? Hm. Was will Er mit dem Recht? Recht kostet Geld. Recht ist ein Spielzeug für die Reichen wie Pferde und Wagen. Hm. Mit Seinem Recht und Unrecht da. Sein Recht, das ist Sein Eigensinn; Er reißt noch Frau und Kindern die Kleider vom Leibe, damit Er nur Seinen Eigensinn warm halten kann.

PASTOR. Aber –


Quelle:
Otto Ludwig: Werke. Leipzig und Wien [1898], S. 44-47.
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