Dritter Akt.


[309] Ein Hügel am Schlachtfeld von Ammaus.

Posaunen und Geschrei: »Sieg! Sieg mit Judas Schwert!« in der Szene. Es kommen Simon, Jonathan, Hauptleute, Krieger.


JONATHAN.

Die Syrier fliehn!

SIMON.

Beth Horon und Ammaus,

Ihr kleinen Sterne, kaum beachtet sonst,

Nach euch wird nun der Blick des Forschers sehn!

JONATHAN.

Beth Horon hat Israel neu geboren;

Ammaus hat es aufgesäugt mit Blut.


Juda kommt mit Ämilius Barbus und Gefolge.


JUDA.

Willkommen, wackrer Römer!


Er bleibt an der Kulisse und spricht hinein.


Heißt die Reiter

Den Sieg verfolgen! Jenen größern Haufen

Nehmt in die Mitt'; zerdrückt ihn zwischen Fluß

Und Fels und eurer Wucht! Die kleinen hier

Und dort zerstäubt.


Vorkommend.


Schnell, Simon, nach Modin;

Jonathan nach Jerusalem mit diesem

Oelblatt von Glück und Sieg und bald'ger Heimkehr!

SIMON.

Nicht umsehn will ich auf dem Weg. Lebt wohl!


Ab.
[310]

JONATHAN.

Und ich – hilft gute Botschaft eilen, wie

Sich schlimme hindernd an die Fersen hängt,

So maß kein schnellrer Schritt je meinen Weg.

Lebt wohl!


Ab.


JUDA.

Lebt wohl.


Zu Ämilius.


Verzeih die Unterbrechung.

ÄMILIUS.

Mich sendet der Senat von Rom zu dir,

Und glücklich fügten es die Götter so,

Daß ich, vom eignen Aug' belehrt, daheim

Versichern kann, daß deines Bildes Größe,

Wie sie es sehn, nichts der Entfernung dankt.

Doch laß mich Worte sparen –

JUDA.

Römisch ist's;

Ich weiß, so sparsam ist der Römer nicht

Mit seinem Herzblut, als mit seinem Atem.

Er achtet nur die That.

ÄMILIUS.

Du sprichst es aus,

Was Roms Senat bewog, mich dir zu senden.

Denn seinem immer wachen Aug' entging

Kein Zug vom Antlitz deines Heldenlaufes;

Die Kühnheit nicht, die dein erschlafftes Volk

In ihren Strom hineinriß, hinter ihm

Abschneidend jeden Rückweg seiner Feigheit

Zum altgewohnten Dulden, daß Verzweiflung

Den Mut ersetzen mußte; nicht die Weisheit

Und die Enthaltsamkeit, mit der, indem

Du nie dein junges Glück auf einmal wagtest,

Nie Größres wagtest als du durftest, bis du

Das Größte wagen durftest, aus Verzweiflung

Du Mut schufst; nicht das Zeugnis deiner Schlachten,

Daß du die Feldherrnkunst verstandst, zu siegen

Und – wie die Hand der ew'gen Götter auch

Die Würfel lenkte – nie besiegt zu sein.[311]

Und nun von solchem Heldenlauf gewonnen,

Beut dir die große Roma ihren Schutz.

JUDA.

Sag' Rom, das dich gesendet, Judas Dank

Für seine gute Meinung, wünscht er schon,

Sie wäre besser noch, doch auch verdienter,

Und nicht sein Lob so auf des Volkes Tadel

Gebaut. Denn, wahrlich! dieses Volk hat mehr

Gethan, als du von Juda rühmst; und nur

Des Volkes Meinung sprech' ich aus, sag' ich:

Der soll nicht stehen wollen, der es nicht

Auf eignen Füßen kann. Und grad' heraus:

Wir stehn ganz leidlich. Zwanzig Schlachten hat

Dies Volk geschlagen, und mit diesem Sieg

Den Weg geöffnet nach Jerusalem.

Dem Syrier fehlt's an Menschen und an Geld.

Vergolde, bitt' ich, was ich dir gesagt,

Zu unscheinbar sonst ist's mit deiner Kunst.

Und nun – Rom bietet seinen Schutz – Rom will

Damit, ich weiß es, nicht ruhmredig sein;

Ich nehm's als eine Form der Höflichkeit,

Wie unter seinesgleichen man sie wechselt,

Und, sie erwidernd, bietet denn durch mich

Das große Israel Rom seinen Schutz.

ÄMILIUS.

Ich sehe, daß die Näh' dich nicht verkleinert

Wie manche Ruhmesgrößen. Lebe wohl!


Ab mit Gefolge.

Jojakim kommt.


JUDA.

Leb' wohl! – Schon sinkt der Abend. – Gebt das Zeichen

Zum Einhalt den Verfolgern!


Ein Hauptmann; Posaunensignal.


Laßt die Wachen

Ablösen! Vorsicht sei des Glückes Siegel.


Ein Hauptmann ab.


Wie stattlich diese Römer. Selbstgefühl

Wie zierst du selbst im Übermaß ein Volk!

Im kleinsten Römer lebt das große Rom.[312]

Wird mir's gelingen, nur die Hälfte dir,

Die Hälfte nur von Roms Zuviel zu geben,

Mein Volk?

Roms Schützling sein? – Im Stärkern wähle Mensch

Und Volk den Herrn, doch nie den Freund, sonst wird

Der Freund zum Herrn. Hat nur der Fuchs die Pfote

Im Taubenschlag, bald ist er selber drin.

Geh, stolzer Römer, lieber Feind als Freund. –

Nun heißt die Krieger lagern, Schar für Schar!

Den Vorrat öffnet, geizt nicht mit dem Wein;

Laßt sie des Siegs sich freun!

JOJAKIM.

Herr, keinen Wein!

Laß sie nicht jubeln, laß sie beten, Herr;

Laß sie nicht trinken, laß sie fasten, Herr!

Laß sie demütig sein und sich nicht rühmen;

Denn niemand hat gesiegt als nur der Herr,

Und überheben soll sich nicht das Werkzeug!

Des Herren Sabbath kommt hereinzubrechen,

Von dem der Herr zu Mosen redete:

»Wer nicht an meinem Tage ruht, soll sterben.«

Du schicktest deine Brüder, Herr, zu reisen,

Botschaft zu bringen; sende nach, ruf' sie

Zurück, zwing' sie nicht gegen das Gesetz!

JUDA.

Wenn ich dir folgte, zwäng' ich nicht die Boten?

Wär's neue Sünde nicht? Drum, heil'ger Eifer,

Laß es genug sein an der einen Sünde,

Und nicht –


Geschrei in der Szene: »Flieht! Flieht! Nein! Steht und sterbt!«


Was soll das Schrein? Was ist geschehn?


Nathan kommt eilig.


NATHAN.

Herr, flieh, denn fürchterlicher naht der Feind,

Als den du schlugst! Gen Abend starrt das Thal[313]

Von Spießen zahllos, und der Schilde Glanz

Im Abendschein ist eines Meeres Glanz.

JUDA.

Der Feind? – Der Wein ist deines Hirnes Feind.

Geh, leg dich! Solchen Feind besiegt der Schlaf,

Und unsre Wachen stehen weit ins Land.

NATHAN.

Die Wächter kehrten heim, vom Siege sicher

Gemacht.

JOJAKIM.

Vom Siege nicht; nein, weil der Sabbat

Beginnt hereinzubrechen. Herr, sie thaten

Nach dem Gesetz, und alle Heil'gen lobten's

Und sagten, daß sie heilig dran gethan –

Denn niemand mehr soll herrschen als der Herr –

Und ihrer ist die Mehrzahl deines Heeres.

JUDA.

Tod über euch, ihr Rasenden, ist's wahr!

Heilig gethan? Heilig? – Ich sag' euch: wahrlich!

Ihr hättet heiliger gethan, ihr hättet

Alles Gesetz des Moses übertreten

Und meinem Wort gehorcht –

JOJAKIM.

Ha! welche Lästrung!

Herr, Herr, verschließ' dein Ohr!


Usiel tritt auf.


JUDA ihm entgegen.

Schnell, Usiel,

Zurück und heiß' sie sich zum Rückzug ordnen.

USIEL.

Zu spät, Herr, denn der Feind ist schon zu nah'.

JUDA.

So heiß' im Rückzug sie sich ordnen, kämpfend

Die Hintersten den Feind abtreiben, bis

Die Nacht uns von ihm scheidet![314]

USIEL.

Deine Meinung

Sah ich voraus, doch fehlte der Gehorsam.

Auf deines Vaters Bruderssohn beruft

Das ganze Heer sich, denn der Sabbat nahe,

Und keiner dürfe fechten.

JUDA.

Keiner dürfe –

Der Sabbat – sie berufen sich – auf wen?

USIEL.

Auf Jojakim.

JUDA.

Auf Jojakim? Auf diesen?

Du hast verkehrt gehört. Juda befiehlt,

Und – sie berufen sich? – geh, scherz' mit andern!

War's Juda, der die zwanzig Schlachten schlug

Und siegte? Nein! wie ließ das Volk dann Juda,

Von einem Thoren von ihm fortgelockt,

Der nichts vermag als eifern; nein; es ist

Unmöglich. Geh! Juda befiehlt, hörst du?

Der Juda, der sein Volk befreit, befiehlt

Dem Volk, zu fechten. Geh! Kein Wort mehr, – eh' du

Zurückkehrst!

JOJAKIM.

Schon' der Deinen Blut. Sieh hin,

Dem Syrier bieten wehrlos sie die Brust,

Doch deinen Joel schlagen sie zu Boden,

Der sie will zwingen zu verfluchter That.

JUDA.

So weit schon wär's? Was jahrelanges Mühn,

Was der Gedanke eines ganzen Lebens

Geschaffen, soll ein Hauch aus Thorenmund

Zerwehen können? Sprich Vernunft zum Volk!

Nur diesen Sieg noch, und es ist gerettet!

JOJAKIM.

Ist dies auch Juda? dies auch Jojakim?[315]

Wenn eure Mutter Größ' euch predigte,

Stand Jojakim verachtet unter euch –

JUDA.

Ist's das? – Hier nimm den Führerstab, mein Mund

Soll durch den deinen reden, meine Hand

Durch deine siegen; mein sei nur die Müh',

Und dein der Ruhm des Sieges und der Rettung!

Ist dies Gebot dir noch zu klein? Komm, laß

Den Handel gelten, heil'ger Neid, dein Volk

Nicht zu verderben!

JOJAKIM.

Mund voll Lästerung!

Bin ich wie du? Herr, deinen Heiligen

Will er bestechen, daß um faulen Ehrgeiz

Dein Knecht dich lasse. Unglückseliger,

Weit besser ist's, das ganze Volk verdirbt,

Als daß von dem Gesetz ein Buchstab' nur

Werd' übertreten!

JUDA.

Weisheit, du wirst Unsinn

Im Mund des Schwärmers, und die Thorheit furchtbar,

Ansteckender und sonnverfinsternder,

Als Pest und als Heuschreckenscharen sind!

So untergehn? – so elend lächerlich,

So – Volk, das nach der Schande jagt wie andre

Völker nach Ehre! – So den Kelch am Mund,

Verdursten; die Dattel schon am Gaum, verhungern;

So – an der Spitze schon des Speers den Sieg –

Und – untergehn – so, so – als tötete

Der Tod allein nicht, hälf' nicht Schmach dazu?

Nein! Nein! er soll nicht! hier mit diesen Händen

Erwürg' ich dich, wenn du dein Volk nicht rettest!


Alle Anwesenden scharen sich schützend um Jojakim, außer Usiel.


JOJAKIM.

Laßt ihn; er mag's vollenden. Auf die Lästrung

Häuf' er den Mord am Heiligen. Laßt Jojakim,

Ja, laßt ihn sterben für sein Volk![316]

DIE HAUPTLEUTE um Jojakim.

Tod, wer

Den Heil'gen Tod droht!

JUDA.

Recht! recht! recht! Drückt noch

Die Schlange, die euch sticht, fest an den Busen

Und küßt des Löwen Zahn, der euch zerreißt!

Elendes Volk, zum Werkzeug nur gemacht,

Leih' dich dem eigenen Verderben dar,

Straf' so dich selber! Volk, was warst du, eh'

Dich Juda aufnahm aus dem Staub? Das wirst

Du wieder werden, ärmer denn zuvor.

Du hattest nichts – nichts – gar nichts – selbst der Mut

In deiner Brust, der Witz in deinem Hirn

War Judas Mut und Witz; ich, den du zwangst,

Dich zu verachten, that der eignen Seele

Gewalt um dich, und – so vergiltst du mir?

Verflucht der Arm, der für dich schlug! verflucht

Dies Herz, verflucht das Aug', das für euch wachte!

Die Kröte wollt' ich zu 'nem Adler flügeln;

Hin in den Sumpf, der deine Heimat ist,

Werf ich dich wieder!


Es kommen immer mehr Krieger.


JOJAKIM.

Hört ihr? hört ihr? hört ihr?

Mein Hirn erschwindelt ob der Lästerung,

Mein Blut schwillt gärend auf wie Most im Schlauch,

Der Herr füllt wider Willen mich mit Eifer.

Er prahlt mit dem, was nur geliehn ihm war!

Wir alle nichts, der Herr nur hat gethan.

Der Böse wie der Gute thut unwissend

Und meinend, nur dem eignen Antrieb folg' er

Des Herren That. Der Herr braucht auch den Bösen,

So lang' er will, zu seiner Zwecke Werkzeug;

Läßt seine That geschehn, bis er ihn hinwirft

Und ihn verdirbt um seiner Absicht Bosheit.

Das neue Syrierheer kommt von dem Herrn.[317]

Er selbst hat es erweckt, uns zu versuchen,

Ob wir ihm folgen oder seinem Feind.

USIEL.

Was willst du thun? Du fliehst? Du gibst es auf?

Denn alles ist verloren.

JUDA.

Geb' ich's auf,

Dann ist's verloren – Fliehen? Sterben? Feig

Sich selbst einreden, Tod für etwas sei

Das Größte? Leben ist's! Was ist's, den Schaum

Vom Kelch des Lebens schlürfen, wenn er braust?

Hinsinken, um in Liedern aufzustehn,

Eh' man des Bechers Grund gesehn? Nein, Tropfen

Um Tropfen kosten; so die bittre Hefe

Auskosten bis zum letzten! Undank tragen,

Verdächtigung, zerstört zu sehn und wieder

Zerstört und immer wieder, was man schuf,

Zerstört, durch die zerstört, für die man schuf.

Und dennoch nicht ermüden! Heuchler, sieh,

Was du vermagst; schlag' deine Brust und roll'

Dein glühend Aug', hier leuchtet Judas Schwert,

Hier ruft die Stimme, die dem Sieg gebeut!

JOJAKIM.

Der Tod ist Sieg hier, und der Sieg ist Tod.

Stirb, Volk, dem Gotte, der den Sabbath schuf!

JUDA.

Gott schuf den Sabbath, da er ruhte, doch

Er ruhte erst, da er sein Werk vollendet;

So thu', sein Volk; erst Sieg und dann den Sabbath!

Mir nach, sein Volk, zum Sieg!


Ab. Usiel folgt ihm.


JOJAKIM.

Mir nach zum Tod!


Ab.

Die übrigen folgen Jojakim.

Von der andern Seite kommen Antiochus, Eleazar, Nikanor, Gefolge.


ANTIOCHUS zu Nikanor.

Du bringst uns schwere Nachricht, doch du bringst auch,

Was uns sie leichter tragen machen kann.[318]

Ein Trost ist bei des Vaters Tod dies Heer,

Das er in Persien warb vor seinem Tode,

Und das in seinem Sinn gebraucht zu sehn,

Ihm, der, ein Gott, nun auf uns niederschaut,

Das schönste Sohnesopfer dünken muß.

Mit in sein Grabmal schließ ich meine Milde,

Und seinen Zorn nehm' ich in meine Brust.

Nur solchen soll der Zweig der Milde blühn,

Die so wie du, mein Ajax, freigewillt

Aus ihres Volkes düsterm Wahnesmoder

Herauf sich retteten ans heitre Licht

Der Götter ihres Königs.

ELEAZAR.

Deiner Götter.

Sie waren deine, und so mußten sie

Auch deines Ajax Götter werden, Herr.

GORGIAS kommt eilig.

Herr, Nikomedes hat den Kampf begonnen,

Wie du gebotst.

ANTIOCHUS wendet sich nach der Kulisse.

Der Kampf – ist das ein Kampf?

NIKANOR.

Was ist das? Ist's ein Wüstenbild, das hier

Uns äfft? Doch hier ist keine Wüste. Wehrlos,

Den Schild nicht brauchend, lassen sie sich schlachten.

GORGIAS.

Noch mehr – unglaublich ist's – die einen knien

Und singen Psalmen, andre werfen sich

Selbst in der Unsern Schwert.

ANTIOCHUS.

Als wär's ein Glück,

Sich schlachten lassen, und ein Liebesdienst,

Sie schlachten, von den Unsern.[319]

NIKANOR.

Sie berauschen sich

Im Trank des Tods.

ANTIOCHUS.

Nur einer, mächtig ragend

Wie Ares, kämpft und ruft zum Kämpfen auf.

Ist das nicht Juda, ist's der Kriegsgott selbst!

Er spricht und wirft sich in den Kampf, der Meinung,

Daß sie ihm folgen. Seht, die Unsern weichen

Vor ihm allein. Nur tausend Judas, und

Mit meinen Hunderttausend wär' ich nicht

Des Siegs gewiß. Er sieht sich kämpfend um,

Ob sie ihm folgen, eilt zurück und trifft sie

Mit Reden, schärfer denn ein syrisch Schwert;

Nun mit geschwungnem Speer stürzt er von neuem

Ins blut'ge Bad – vergebens – wendet nun,

Den Speer – so wie der Treiber auf das Vieh

Läßt er die Schläge auf die Trägen regnen.

Umsonst. Nun droht er mit dem Schwert. Er haut

Den Nächsten nieder; doch der Nebenmann

Erhebt sich nicht; er will den Tod, komm er

Vom Juda oder von dem Feind. Dies Volk

Bezwing' ich wohl, doch diesen Juda nicht.

ELEAZAR für sich.

Verfolgt mich seine Größe überall?

Besiegt selbst, siegt er!

ANTIOCHUS.

Wer erklärt dies Rätsel?

ELEAZAR.

Der Sabbattag, an dem kein Heiliger

Was anders thut als ruhn, bricht eben an.

ANTIOCHUS.

Ist's so, benutzt die Thorheit! Gorgias, du

Wirfst mit dem halben Heer dich auf den Feind

Und schlägst die Thoren mit der eignen Thorheit.

Wir mit der andern Hälfte ziehen weiter,

Den Schreck der Überraschung vor uns her.


[320] Zu Nikanor.


Du sendest Boten nach Jerusalem

Im Namen ihres echten Hohenpriesters –

Und daß er's wirklich sei, nimm ihr Gesetz

Zu Hilfe und der Priester Stammregister.


Nikanor ab.


Uns nennt Tyrannen dieses Thorenvolk?

Sein einziger Tyrann ist sein Gesetz;

Brecht auf. Des nächsten Abends Rot sieht Ajax

Als Hohenpriester. Gen Jerusalem!


Alle ab.



Verwandlung



Szene wie im ersten und zweiten Akt.

Frühester Morgen. Waffengeklirr und Geschrei Kämpfender in der Szene. Ein Volkshaufen wirr durcheinander rufend aus der Stadt nach vorn.


JOSUA.

Getöse wie von Waffen!

ELIA.

Schrein vom Felsenpaß!

MISAEL.

Und mondenlang von Juda keine Nachricht!

RUBEN.

Gott Israels! es sind die Syrier!

ALLE.

Wir sind verloren!

ISSASCHAR tritt aus der Mündung des Felsenpasses.

Nicht, weil Lea lebt.

VOLKSHAUFE durcheinander.

Wer ist's? 's ist Issaschar, der Sohn Medimnah!

Der Ältste von Modin! Herr, sprich, was ist's?

ISSASCHAR.

Ein Haufen Syrier, derselbe, der

Vor Judas Annahn ins Gebirg' zurückwich,[321]

Ist eingedrungen in den Felsenpaß,

Der hier heraufführt aus dem Terebinthenthal.

Verrat hat diesen einz'gen Weg zur Feste

Den Feind gelehrt, den nur die Bürger kennen,

Doch Leas Wachsamkeit vereitelte

Den Bubenstreich und die Natur des Passes,

So eng und steil voll Steingeröll und Dornen,

In dem ein tapfrer Mann ein ganzes Heer

Abhalten kann – und seht! schon ist sie Siegerin.


Lea mit Anhängern, den gefangenen Aaron in der Mitte, aus der Mündung des Felsenpasses.


Jubelt ihr zu: ein langes Leben Lea!

Der Mutter von Modin Tag' ohne Ende!


Johannes mit Gefolge und dem gefangenen Boas aus der Stadt, von einem zweiten Volkshaufen begleitet, der sich hinter Lea gruppiert.


JOSUA, ELIA, MISAEL, RUBEN.

Der Mutter von Modin Tag ohne Ende!

MISAEL.

Fallt vor ihr nieder!

LEA.

Nicht so. Nur dem Herrn,

Dem Schutzgott Israels gebührt der Preis

Und Juda, dem Erwählten; dann den Treuen,

Von deren Thun mein Aug' ich Zeuge sein hieß,

Damit mein Mund vor Judas Ohr sie rühme,

Vor Juda, der der That nichts schuldig bleibt.

Ich seh' ihn, wie sich seine Heldenstirn

In Wolken hüllt, vernimmt er, wie Verrat

Modin bedroht, ein Bürger von Modin

Dem blut'gen Feinde selbst den Weg gezeigt,

Bis Sonnenschein die Nachricht ihm entlockt,

Wie Treue den Verrat besiegt und den

Verräter selbst gefangen nahm. Zeigt ihn

Dem Volke!


Es geschieht.


JOSUA, ELIA, MISAEL.

Aaron![322]

RUBEN.

Der Bruderssohn

Von Simei!

ALLE.

Weh' über Aaron!

JOHANNES.

Herrin, noch mehr hat der Verrat gewagt.

Rückkehrend von den Thoren, die, wie du

Befohlen, ich mit treuer Hut besetzt,

Ergriff ich diesen hier. Er sprach zum Volke,

Es schreckend mit erlognem Dräu'n der Zukunft,

Um sie von dir hinweg, dem Syrier zu-

Zuängstigen.

LEA.

Wer ist er?

ISSASCHAR.

Tod den beiden!

JOHANNES.

Hier ist er.

LEA.

Boas?

VOLKSHAUFE.

Weh'! Weh' über Boas!

JOSUA.

Weh' über Simeis ganzes Haus!

MISAEL.

Ergreift sie!

ISSASCHAR.

Werft sie vom Felsen ihren Freunden zu!

Eh' ist nicht Sicherheit fürs Volk Modins.


Amri, von einem dritten größeren Volkshaufen begleitet, aus der Stadt.


AMRI.

Streut Asche auf das Haupt!

DRITTER VOLKSHAUFE in großer Aufregung.

Streut Asche! Asche!

Der Syrier kommt![323]

LEA tritt vor.

Volk von Modin –

AMRI.

Bist du

Die Retterin, so rette jetzt!

DRITTER VOLKSHAUFE drohend.

Ja, rette!

LEA.

Volk von Modin, der Syrier dräut nicht mehr.

Und du, Sohn Simei, dein Verrat mißlang.

In unsrer Hand sind deines Plans Gesellen,

Und abgeschlagen ist der Syrier.

AMRI.

Der Syrier? Der Haufe – ha, was hilft's,

Den Haufen? Schlag die Heere von Beth Horon,

Die Heere von Ammaus tilg' uns aus!

DRITTER VOLKSHAUFE.

Die Heere von Beth Horon! von Ammaus!

LEA.

Der zwanzig Syrierheere hat vertilgt,

Lebt er nicht mehr, auch diese zu vertilgen?

AMRI.

Und halt' des Königs Wagen auf, wenn er

Rückkehrt aus Persien von Elymais,

Da, wo der Tempel steht aus purem Gold,

Die Fenster von Demanten; jeder Zoll

Prägt hundert Krieger. Alles Volk umher

Schickt Sklavenhändler seinem Heere nach;

Das Kind im Mutterleib' schon ist verkauft.

Bist du die Retterin, so rett' uns nun;

Bist du erwählt, so zeig's jetzt, thu' ein Wunder!

VIELE STIMMEN AUS DEM DRITTEN VOLKSHAUFEN.

Ja, rett' uns! Zeig's.[324]

DER ÜBRIGE DRITTE VOLKSHAUFE.

Ein Wunder! Thu' ein Wunder!

ERSTER VOLKSHAUFE indem er, der bis dahin auf der andern Seite stand, nach rechts auf Leas Seite hinübergeht, um sich mit dem zweiten zum Schutze Leas zu vereinigen. Amri und der dritte Volkshaufe zieht sich aus der Mitte nach links.

Der Herr mit Lea aus dem Stamme David!

LEA.

Schmach auf das Volk Modins, wenn's Bessres nicht

Will heißen als der Stimme Tochter des

Verräters! Lallst du seine Lästrung nach,

Der dich will reißen in den eignen Abfall?

Was hat denn Simei für dich gethan,

Daß du die Seele seiner Hand vertraust?

Wie des Tyrannen Knechte hier den Altar

Erbauten, wie der Syrier dir griff

Nach deinem Gott, war's Boas, der dir half?

War's Amri, der den Altar schlug, daß klingend

Das Bild des Greu'ls zerbrach? Nein, er beriet sich

Und sprach: »Süß ist das Leben.«

ERSTER, ZWEITER VOLKSHAUFE UND ISSASCHAR.

Er beriet sich –

Weh' über Simei!

BOAS.

Herr, wer bin ich,

Daß ich vor deinem Volke sprechen dürfte?

Und doch nimmst du mir selber das Gewand

Der Demut ab und setzest mir's aufs Haupt

Wie einen Helm, den Zorn zu zürnen des

Gerechten. Simei, mein Bruder, kam

Zu gehn zu opfern – ging er sonst um was,

Als – um des Volkes Leben? War Antiochus

Der Ältre ewig? Hatten wir nicht Ruh',

Bis daß sein Sohn den Scepter nahm und uns

Zurückgab unsern Gott und sein Gesetz?

Ist das nun besser, was dein Juda that,[325]

Daß er begann, was er nicht enden kann,

Daß er die Söhn' uns nimmt und wirft sie hin,

Dem nimmersatten Syrierschwert zum Opfer?

DRITTER VOLKSHAUFE.

Daß er die Söhn' uns nimmt? Weh' über Juda!

ERSTER VOLKSHAUFE.

Hosianna Mattathias' Sohn! Hosianna!

LEA.

O freilich hatten wir nicht Ruh', wenn Juda

Des Manns der Demut Bruder opfern ließ?

Ja, eben so, wie du demütig bist,

So, wie dein Zorn gerecht, so wahr ging jeder

Zu opfern, um sein Volk zu retten. Heuchler,

Den keine Scham mehr bändigt, rettet' er

Das Volk, wenn er es lockte von dem Herrn?

Nein; er verdarb's mit ewigem Verderben,

Wenn Juda nicht, den sich der Herr berief,

Das eigne Leben hinwarf in die Wage!

ERSTER, ZWEITER VOLKSHAUFE UND ISSASCHAR.

Weh' Simei und seinem ganzen Haus!


Dritter Volkshaufe steht ungewiß.


BOAS.

Den sich der Herr berief! Hat das der Herr,

Wer dann will Juda schmähn? Und hat er's nicht?

Sagt's Judas Mutter nicht: »Er hat's gethan?«

Sitzt nicht ihr Hochmut mit im Götterrat?

Wer weiß es anders? Hat nicht alles Volk

Gehört, wie Gott den Juda rief? Ist's nicht so?

Ihr sagt: »Wir haben nichts gehört; es redet

Der Herr von Angesicht nicht mehr mit Menschen,

Nur durch die Schrift und Bücher des Gesetzes?«

Nun gut: so steht's geschrieben irgendwo?

Es steht geschrieben: »Retten will der Herr

Sein Volk zu seiner Zeit: er will's, der Herr

Will's retten«; sonst steht in den Schriften nichts.

Es steht nicht drin: Der Juda soll es retten,[326]

Noch irgend wer, denn nur der Herr. Und wenn

Er's will, braucht er den Juda? braucht er sonst wen?

Ist er nicht stark genug, es selbst zu retten?

Ist's Lästrung nicht, zu sagen, daß der Herr

Den Juda dazu braucht, noch irgend wen?

DRITTER VOLKSHAUFE UND AMRI immer drohender.

's ist Lästerung! 's ist Lästerung!

BOAS.

Nun wenn

Der Herr den Juda nicht bewegt, was sonst?

Hat er aus Lieb' zum Volk ihm vorgegriffen?

Denn vorgegriffen hat er ihm, wenn nicht

Der Herr ihn hat gerufen –

DRITTER VOLKSHAUFE UND AMRI immer drohender Lea auf den Leib rückend, indem von dem ersten und zweiten Volkshaufen immer mehr von ihr zurücktreten. Issaschar, Josua, Elia, Misael, Ruben verweilen am längsten bei Lea.

Ja; er hat

Ihm vorgegriffen! hat ihm vorgegriffen!

LEA.

Er hat ihm –

AMRI lachend.

Lieb' zu seinem Volk? Er hat's

Gehaßt, er hat's verspottet, hat's verachtet.

LEA.

Wagt man –

DRITTER VOLKSHAUFE.

Er hat's verspottet! hat's verachtet!

LEA.

Sein Leben für den Feind?

DRITTER VOLKSHAUFE immer aufgeregter.

Er hat's! er hat's!

BOAS.

Gott selbst gab Israel in Feindes Hand,

Wo's bleiben soll, bis er es selbst errettet.

Mit Skorpionen wird er's züchtigen,[327]

Ausschütten all sein Mark! Weh', weh' dem Samen

Von Jakob, weh' dem Volk von Israel,

Kehrt's nicht freiwillig unter seine Hand!

DIE MEISTEN AUS DEM VOLKE.

Weh' Jakob! weh' dem Volk von Israel,

Kehrt's nicht freiwillig unter seine Hand!

LEA steht verlassen.

Weh' Jakob! weh' dem Volk von Israel,

Folgt es dem Rate der Abtrünnigen!

Verblendet Volk, hör' meine Stimme –

AMRI.

Fort!

Der Syrier steht am Passe; laßt ihn ein!

VOLK.

Ja! fort zum Syrier und laßt ihn ein!

LEA hat ihnen den Paß abgewonnen. Joarim und Benjamin an den Händen.

Zurück! Nie! Nimmermehr! Und sollt ich selbst

Der Pforte Riegel sein, dahingestreckt

Zur Erde diesen Leib, der Israels

Erretter trug! Zwei Kinder und ein Weib

Zertretet erst!

AMRI.

Noch haltet. Woran wird

Der Syrier in uns den Freund erkennen,

Daß er uns nicht mit seinen Feinden töte?

VOLK.

Ja, sprich, woran?


In der Szene immer näher kommend Musik von Zimbeln, Flöten, Pauken.


LEA reißt die Kinder an sich.

Ha! ich versteh' sein Aug'.

Wachst fest an meiner Brust! Eh' reiß der Tiger

In Stücke uns, eh' er uns lebend trennt!

AMRI.

Bring' ihm des Juda Brüder, daß er sich

An ihnen räche! Über ihrem Haupt

Mach' unsern Bund, Herr, mit dem Syrier.[328]

LEA indem Amri die Kinder ihr nehmen will.

O nun ein Wunder! Herr, ein Zeichen, bist du

Mit Leas Sohn! Ein Zeichen, Herr! sonst war

Ein Traum nur dein Gesicht!

AMRI.

Gib sie gutwillig!


Aus der Stadt kommen rosenbekränzte Jungfrauen, auf Flöten, Zimbeln, Pauken musizierend, hinter ihnen rosenbekränzte Kinder, Frauen, Greise im feierlichen Zug; zuletzt Simon. Große Bewegung unter dem Volke.


BOAS.

Was kommt dort?

AARON.

Festlicher Gesang.

AMRI.

Was soll

Die Thorheit?

AARON.

Will das Volk den Retter preisen?

LEA.

Sie sind nicht aus Modin.

JOHANNES.

O wär' es Juda!

LEA aufschreiend.

Es war kein Traum! Ha, Sieg!

DIE JUNGFRAUEN.

Sieg! Sieg!

BOAS.

Verflucht!

JOHANNES.

Simon!

SIMON.

Wir bringen Sieg. Mit deinem Juda

Der Gott der Zebaoth!

AMRI.

Brust, Brust, bleib' ganz!

Der Juda Sieger? Thoren! Bei Beth Horon[329]

Dort steht der Herr, die Wag' in seiner Hand,

Und wägt sein Volk, und in der Syrier Schale

Wirft er noch seines Zorns Gewicht. Der Herr

Wird richten!

SIMON.

Wird? Schon hat der Herr gerichtet.

Der Syrier Hunderttausend wogen leicht;

Der Herr warf sein Gewicht in Judas Schale.

Der Juda rief den Herrn, da wandelte

Ein Rauschen in den Palmen über ihm

Und wirbelte den Sand empor und warf ihn

Den Syriern in die Augen, daß sie blind

Des Juda Schwert nur fühlten und nicht sahn.

LEA.

Der Herr geht vor dem Juda her, hört ihr?

Der Herr gehorcht, wenn ihn der Juda ruft!

ERSTER VOLKSHAUFE wieder um Lea.

Er ist! er ist! der Herr ist mit dem Juda!

AMRI.

Unselige, was rast ihr da? Ein Kind

War bei Beth Horon Syriens Herr; so wie

Ein reis'ger Mann gegen ein Kind, so ist

Das Heer, das bei Ammaus steht, gegen

Das von Beth Horon. Nicht die Waffen braucht's.

Wenn sie vom Jordan trinken, wird er leer;

Sie atmen, und die Luft ist weggeatmet

Über Israel; all sein Vieh verschlingt

Ein Mahl; vor ihrem Auftritt bebt die Erde;

Der Wind von ihrem Schrei wirft Juda schon.

Der Herr läßt sich mit Glück den Frevler mästen,

Eh' er ihn schlachtet zu der Rache Mahl.

Und er wird richten! Bei Ammaus wird

Er richten.

SIMON.

Dort gerichtet hat er schon,[330]

Dort bei Ammaus hat der Herr gerichtet!

Wer zeigt die Stoppeln noch von ihrer Saat?

ISSASCHAR.

Weh', Weh' und Tod dem Hause Simei!

LEA.

Der Herr setzt Juda auf des Herren Stuhl

Und läßt ihn richten über Syrien.

Juda ist mehr, als Menschen sind; er ist

Aus Erde nicht geschaffen!

AMRI.

Einen Fluch,

Der mich erleichtert! Noch nicht. Kehren laß

Antiochus von Elymais erst.

SIMON.

Er ist gekehrt –

AMRI.

Und wird euch schrecklich richten!

SIMON.

Niemand mehr richtet, den der Herr gerichtet;

Denn unterwegs schlug ihn des Herren Hand,

Warf tot ihn von dem Wagen auf das Feld;

Ein Denkmal: Seht; so straft der Herr Tyrannen!

LEA.

G'nügt dir dies Wunder, wunderhungrig Volk?

ISSASCHAR.

Tod über Boas; über Amri; Tod

Über Simeis ganzes Haus!

VOLK.

Er sterbe!

ISSASCHAR.

Reißt sie aus ihren Häusern! Steinigt sie!

VOLK indem sie die Simeiten ergreifen.

Ja, steinigt sie!

ISSASCHAR.

Hier mit des Altars Steinen,

Auf denen Simei gesündigt hat.[331]

VOLK.

Laßt keinen fliehn!

NAEMI flehend den Saum von Leas Mantel fassend.

Herrin!

LEA.

Was geht die Tochter

Boas' mich an? Fort!

VOLK.

Boas' Tochter? Hin

Mit ihr zum Tod, mit Boas' ganzem Haus!

SIMON.

Herrin, rett' Judas Weib!

LEA.

Aus Königstöchtern

Wählt Juda sich sein Weib. Willst du den Zorn

Des Herrn verew'gen? Wer, wenn zu Gericht

Er geht mit seinen Feinden, hindert ihn?

Nun auf, ihr Fraun von Israel, zum Reihn,

Zum Siegesreihn mit Zimbeln und mit Pauken!


Sie nimmt einer von den Frauen die Zimbeln, setzt sich an die Spitze des Zuges und führt ihn zimbelschlagend linksum über die Bühne.


NAEMI indem sie fortgerissen wird.

Ich bin des Juda Weib! Um Judas willen!

Die Menschen hören nichts; hör' du mich, Herr!

VOLK hat die Simeiten auf die Knie' gerissen, hält die Hände über sie.

Nieder! Ihr Blut über ihr Haupt! Sie haben

Den Herrn gelästert!


Sie laufen zurück, um Steine zu holen.


BOAS knieend.

Halt!

AMRI ebenso.

Ein Bote!

BOAS.

Hört

Den Boten erst![332]

NATHAN kommt aus dem Thore.

Weh' Israel! –

AMRI.

Ha, Rettung!

LEA den Zug aufhaltend.

Ein Bote?


Ihm entgegen.


Welchen neuen Sieg kommst du

Zu melden?

AMRI.

Keine Taube mit dem Ölblatt!

Ein Hiobsbote!

NATHAN.

Weh' dir, Israel!

Antiochus zieht auf Jerusalem!

LEA nimmt eine Spange von ihrem Gewand.

Da, nimm das Kleinod hier für deinen Scherz

Und gieb uns seinen Kern! Welch neuer Sieg

Lieh deinen Atem?

NATHAN.

Ist's ein Scherz, so ist's

Ein blut'ger, den nur Wahnsinn kann belachen.

Antiochus –

LEA.

Wenn du nicht scherzest, lügst du,

Doch viel zu ungeschickt, um uns zu täuschen,

Sagst du, die Toten ziehen in das Feld!

NATHAN.

Der Junge ist's, der Alte nicht; er zieht –

LEA.

Noch besser! Thor, du weißt nicht, daß der Junge

Israels Freund ist? Nun, so kommt er denn,

Bekehrt von Eleazar zu den Unsern,

Um Juda zu begrüßen.

NATHAN.

Feindlich kommt er,

Sein Liebling Ajax, ein Abtrünniger[333]

Aus Israel, ist seines Zuges Seele.

Er hat den König uns zum Feind gemacht.

Schon zieht er auf Jerusalem.

LEA.

Er komme!

Dort bei Ammaus steht der starke Juda;

Er mag nur kommen; er wird wieder gehn!

NATHAN.

Dort bei Ammaus steht kein Juda mehr –

Unaufgehalten zieht Antiochus

Mit seinem Volke nach Jerusalem;

Dort herrscht der Hunger und die Pest! es kann

Sich keinen Tag lang halten gegen ihn.

JOJAKIM aus der Stadt.

Heil Israel!

LEA zu Nathan.

Hörst du?

JOJAKIM.

Du bist gerettet!

LEA.

Nun scherze weiter.

JOJAKIM.

Juda –

LEA.

Hat gesiegt –

JOJAKIM.

Den Frevler schlug der Herr –

LEA.

Den Syrier.

JOJAKIM.

Den Juda. Gott verwarf ihn!

NATHAN.

Hörst du's nun?

LEA.

Sie rasen –

JOJAKIM.

Den Verruchten, der das Volk[334]

Am Tag des heil'gen Sabbaths kämpfen hieß.

Doch Jojakim schuf, daß sie wehrlos starben.

LEA.

Wahnsinniger! Er hat das Volk verderbt

Und rühmt sich noch der That. Zum Tod mit ihm!


Niemand gehorcht; das Volk verläßt einer um den andern Lea.


JOJAKIM.

Du hast's verderbt. Verfluchter noch als Kain,

Hat dieses Weib sein ganzes Volk erschlagen!

LEA.

Was steht ihr bleich? Verloren ist noch nichts,

Hinausgerückt nur ist das Ziel, damit sich

Des Herren Wort erfülle. Noch ist nichts

Verloren, noch lebt Eleazar!

JOJAKIM.

Ajax –

LEA.

Verflucht er und sein ganzes Haus! In Martern

Müss' ihn die Mutter sterben sehn! –

SIMON.

Halt ein –

JOJAKIM.

Fluche nur zu!

LEA.

Nenn' mir ihn nicht. Noch lebt

Ein Richter ihm, und nun ist seine Zeit,

Der Tag, an dem er fragt: Ist Juda größer?

Ihn und nicht Juda krönte das Gesicht.

Nun wird er auferstehen, wie die Sonne wird

Er auferstehen, wie die Sonne wird er wandeln

In seiner Thaten Glanz. Juda war nur,

Der vor ihm herging, nur ein Stern der Nacht,

Doch Eleazar wird die Sonne sein!

Er wird ihn fassen, den Abtrünnigen!

JOJAKIM auflachend.

Den Ajax Eleazar?[335]

LEA.

Ihn und dich.

SIMON.

Weh' mir und dir, daß so des Vaters Wort

Zur Wahrheit wird!

LEA.

Was willst du, Thor? Welch Wort?

SIMON.

Du selber müßtest einst dem Liebling fluchen.

LEA.

Du rasest –

SIMON.

Ajax ist dein Eleazar.


Alles weicht entsetzt einen Schritt zurück.


Bei meiner Brüder Leben! selber sah

Ich ihn in Jericho, da ich verkleidet

Als Späher dort verweilt.

LEA steht ganz verlassen.

Weh'! – Wer ruft Weh'

Hier, wo die Sieger jubeln? Steht ihr bleich?

Ist's Sitte, bleich sein, wenn ein Rabe krächzt?

Auf, Töchter Israels, zum Siegesreih'n!


Sie thut einige Schritte; der Zug bleibt vor Entsetzen stehen; sie selbst, wie sie sich auf den Gesichtern orientiert, wie erstarrend.


Weh' mir, und weh' dem Tag, an dem ich ward!


Sie zerreißt ihr Gewand.


JOJAKIM.

Er sollte König sein; nun ist er's. Schreckt

Dich deines Hochmutstraums Erfüllung nun?

LEA.

So wär' des Herren Wort? – zweideutig Heil

Vorspiegelnd, doch Verderben –

SIMON.

Nein, er hält

Sein Wort; ob uns zum Lohn, ob uns zur Strafe,

Gibt er in unsre eigne Hand.[336]

LEA lachend gen Himmel.

Ich hab'

Noch Kinder!

AMRI reißt ihr Joarim von den Händen und führt ihn nach links, wo er gleich festgehalten und abgeführt wird.

Nun nicht mehr.

SIMON stürzt auf ihn zu, als Amri auch Benjamin nehmen will.

Verruchter, fort

Die Hand –

AMRI.

Auch du kommst mit. Ergreift ihn, Männer


Sie thun's.


Und jenen!


Johannes, auf den er zeigt, wird gepackt. Nun reißt er selbst auch Benjamin von ihrer Seite und eilt mit ihm ab.


LEA will nach, die noch zurückgebliebenen Männer halten sie zurück.

Meine Kinder!

AMRI im Abeilen.

Hol' sie dir

Beim König!


Mit seiner Partei und den Gefangenen ab.


LEA.

Meine Kinder!


Will nach; indem sie erschöpft zu Boden sinkt und die Jungfrauen sich um sie bemühen.


Meine Kinder!


Vorhang fällt.



Ende des dritten Akts.


Quelle:
Otto Ludwig: Werke. Leipzig und Wien [1898], S. 309-337.
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