XXII.

[405] Charon, Menippus und Merkur.


CHARON. Bezahle das Fährgeld, Schurke!

MENIPPUS. Schreie, solange es dir angenehm ist, Charon.

CHARON. Bezahle, sag ich; meinst du, daß ich dich umsonst herübergefahren haben wolle?

MENIPPUS. Wer nichts hat, kann nichts geben.

CHARON. Wer in der Welt ist so arm, daß er nicht zwei Kreuzer im Vermögen hätte?

MENIPPUS. Ob es noch so einen gibt, weiß ich nicht; aber von mir weiß ich, daß ich sie nicht habe.

CHARON. Zum Pluto, ich schnüre dir die Kehle zu, wenn du mich nicht bezahlst!

MENIPPUS. So schlag ich dir mit meinem Stecken den Schädel ein.

CHARON. Du solltest also eine so lange Überfahrt unentgeltlich gemacht haben?

MENIPPUS. Merkur, der mich dir gebracht hat, mag auch für mich bezahlen.

MERKUR. Zum Jupiter, da würde ich mich gut bei meinem Ämtchen stehen, wenn ich für die Toten auch noch bezahlen müßte!

CHARON zu Menippus. Ich lasse nicht von dir ab.

MENIPPUS. Was das betrifft, so kannst du meinetwegen deinen Kahn in den Ankerplatz ziehen und warten, solange dir's beliebt; aber wie willst du, daß ich dir gebe, was ich nicht habe?

CHARON. Wußtest du denn nicht, was du mitbringen müssest?

MENIPPUS. Ich wußte es wohl, aber ich hatte nichts. Wie? hätte ich etwa deswegen nicht sterben sollen?[405]

CHARON. Du allein solltest dich groß damit machen können, daß du umsonst übergefahren seiest!

MENIPPUS. Nicht so umsonst, mein schöner Herr: half ich nicht pumpen und rudern und war der einzige unter allen Passagieren, der nicht heulte?

CHARON. Das alles hat nichts mit dem Fährgelde zu tun: Du mußt deinen halben Batzen bezahlen, es geht nun einmal nicht anders an.

MENIPPUS. Ich weiß dir keinen andern Rat, als du führst mich ins Leben zurück.

CHARON. Das wäre noch schöner! Daß ich noch obendrein Schläge vom Äakus dafür bekäme!

MENIPPUS. So laß mich ungeschoren.

CHARON. Weis einmal her, was du im Schnappsack hast.

MENIPPUS. Wolfsbohnen und ein Hekatesmahl.

CHARON. Wo in aller Welt hast du dieses unverschämte Hundegesicht aufgelesen, Merkur. So lange die Überfahrt dauerte, blieb ihm das Maul keinen Augenblick stehen, er belachte und verspottete alle andern Passagier und sang lustige Liedchen, während die übrigen jammerten.

MERKUR. Du weißt also nicht, Charon, was für einen großen Mann du übergeführt hast? Er ist ein Freiherr im eigentlichen Verstande und fragt nach niemand was; mit einem Wort, es ist Menippus.

CHARON zu Menippus. Wenn ich dich je wieder kriege –

MENIPPUS. Ja, wenn! Du sollst mich gewiß nicht zweimal kriegen!

Quelle:
Lukian: Werke in drei Bänden. Berlin, Weimar 21981, Band 1, S. 405-406.
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