4.

[419] Aus tieffer not schrey ich zu dyr,

Herr Gott erhor meyn ruffen.

Deyn gnedig oren ker zu myr

und meyner bitt sie offen.

Denn so du willt das sehen an,

was sund und unrecht ist gethan,

wer kan Herr fur dyr bleyben?


Bey dyr gillt nichts den gnad und gonst

die sunden zu vergeben.[419]

Es ist doch unser thun umb sonst

auch ynn dem besten leben.

Fur dyr niemant sich rhumen kan,

des mus dich furchten yderman

Und deyner gnaden leben.


Darumb auff Gott will hoffen ich,

auff meyn verdienst nicht bawen,

Auff yhn meyn hertz sol lassen sich

und seyner guete trawen,

Die myr zu sagt seyn werdes wort,

das ist meyn trost und trewer hort,

Des will ich allzeyt harren.


Und ob es wert bis ynn die nacht

und widder an den morgen,

Doch sol meyn hertz an Gottes macht

verzweyfeln nicht noch sorgen.

So thu Israel rechter art,

der aus dem geyst erzeuget ward

Und seynes Gotts erharre.


Ob bey uns ist der sunden viel,

bey Gott ist viel mehr gnaden,

Seyn hand zu helffen hat keyn ziel,

wie gros auch sey der schaden.

Er ist alleyn der gute hirt,

der Israel erlosen wirt

Aus seynen sunden allen.

Quelle:
Martin Luther: Werke. 120 Bände, Band 35, Weimar 1888 ff., S. 419-420.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliche Lieder
Die deutschen geistlichen Lieder (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Sämtliche deutsche geistliche Lieder, in der Reihenfolge, ihrer ersten Drucke. Hrsg. von Friedrich Klippgen
Martin Luthers Geistliche Lieder: Mit Den Zu Seinen Lebzeiten Gebräuchlichen Singweisen (German Edition)