159. Wünschelruthe beim Schatzgraben.

[104] Im Frauenberge bei Marburg liegt nach dem Glauben der Leute ein großer Schatz geborgen und es hatten sich einst drei Männer aus Weidenhausen verabredet, denselben zu heben. Dazu bedurften sie einer Wünschelruthe, das ist ein Haselstock, der wie eine Gabel auslauft, und am ersten Advent um Mitternacht auf der Landesgrenze gebrochen werden muß. Sie warteten also den Advent ab, und als sie dann auf diese Weise den Zauberstab sich verschafft und unter einander abgemacht hatten, daß Keiner, was auch kommen möge, ein Wörtchen reden sollte, gingen sie in einer Nacht nach dem Frauenberge. Mit Hülfe der Wünschelruthe fanden sie bald den Ort, wo sie zu suchen hatten, fingen an zu graben und stießen nach kurzer Mühe auf einen großen kupfernen Kessel, der aber so schwer war, daß ihre vereinten Kräfte nicht hinreichten, ihn vollends aus der Erde zu heben, und sie begannen die Grube größer zu machen. Doch lange Zeit verstrich, ohne daß ihre Arbeit einen merklichen Erfolg hatte. Auf einmal stand ein Hund unter ihnen, klein wie ein Dachs, und so jung, daß er noch nicht beißen konnte, weil ihm das Gebiß fehlte, doch machte er einen so entsetzlichen Lärm durch Heulen und Bellen, daß den[104] drei Männern nicht wohl zu Muthe dabei war und einer in der Angst schon davon laufen wollte. Wie das einer der andern beiden bemerkte, lief ihm aber die Laus über die Leber, er vergaß das Stillschweigen, stieß einen Fluch aus und rief: »greift zu und macht, daß wir fertig werden!« Allein er hatte kaum den Mund aufgethan, da war auch der Kessel sammt dem Hunde verschwunden. Später gruben sie noch mehrmals nach, doch fanden sie gar den Ort nicht wieder, wo der Kessel gesteckt hatte.

Mündlich.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CIV104-CV105.
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