163. Der Werwolf.

[107] Andere Sage.


Ein Ehepaar in Hessen lebte in Armuth. Zur Verwunderung des Mannes wußte die Frau dennoch bei jeder Mahlzeit Fleisch aufzutragen, lange verheimlichend, wie sie dazu gelangte; endlich aber versprach sie ihm die Entdeckung, nur dürfe er dabei ihren Namen nicht nennen. Nun gingen sie mit einander aufs Feld, wo eine Heerde Schafe weidete, zu welcher die Frau ihre Schritte lenkte, und als sie ihr nahe gekommen waren, warf sie einen Ring über sich, wurde augenblicklich zum Werwolf, der in[107] die Heerde fiel, eins der Schafe griff und damit entfloh. Der Mann stand wie versteinert; als er aber Hirt und Hunde dem Werwolf nachrennen und die Gefahr seines Weibes sah, vergaß er sein Versprechen und rief: »Ach Margareit!« Da verschwand der Wolf und die Frau stand nackend auf dem Felde.

Grimm d.M., 1049, 2. Ausg.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CVII107-CVIII108.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen
Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen