82. Abzug der Wichtelmännchen.

[51] Zu dem Großvater des Bauern Tobi in Singlis kam öfters ein Wichtelmännchen freundlich auf den Acker. Eines Tages, als der Bauer Korn schnitt, fragte es, ob er in der künftigen Nacht für reichen Geldlohn Fuhren durch die Schwalm übernehmen wolle? Der Bauer sagte es zu; Abends brachte der Wichtel einen Sack voll Weizen als Handgeld in des Bauern Haus. Nun wurden vier Pferde angeschirrt und der Bauer fuhr zum Dosenberg. Der Wichtel lud aus den Löchern schwere, unsichtbare Lasten auf den Wagen, die der Bauer durch's Wasser auf das andere Ufer brachte. So fuhr er hin und wieder von Abends 10 bis Morgens 4 Uhr, daß die Pferde endlich ermüdeten. Da sprach der Wichtel: »Es ist genug, nun sollst du auch sehen, was du gefahren hast.« Er hieß den Bauern über die rechte Schulter blicken: da sah der Bauer wie das weite Feld voll von Wichtelmännchen war. Darauf sagte der Wichtel: »Viel tausend Jahre haben wir im Dosenberge[51] gehaus't, jetzt ist unsere Zeit um, wir müssen in ein ander Land; im Berge aber bleibt so viel Gold zurück, daß die ganze Gegend genug daran hätte.« Dann lud er dem Tobi seinen Wagen voll Gold und schied. Der Bauer brachte mühsam seinen Schatz nach Hause und war ein reicher Mann geworden; seine Nachkommen sind noch vermögende Leute, die Wichtelmännchen aber für immer aus dem Lande verschwunden.

Grimm d.M. 427.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. LI51-LII52.
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