Neue Liebe

[771] Kann auch ein Mensch des andern auf der Erde

Ganz, wie er möchte, sein?

– In langer Nacht bedacht ich mir's, und mußte sagen, nein!


So kann ich niemands heißen auf der Erde,

Und niemand wäre mein?

– Aus Finsternissen hell in mir aufzückt ein Freudenschein:


Sollt ich mit Gott nicht können sein,

So wie ich möchte, mein und dein?

Was hielte mich, daß ich's nicht heute werde?


Ein süßes Schrecken geht durch mein Gebein!

Mich wundert, daß es mir ein Wunder wollte sein,

Gott selbst zu eigen haben auf der Erde!
[771]

Quelle:
Eduard Mörike: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1967, S. 771-772.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1867)
Gedichte
Der Nacht ins Ohr. Gedichte von Eduard Mörike.Vertonungen von Hugo Wolf. Ein Lesebuch von Dietrich Fischer-Dieskau
Sämtliche Gedichte in einem Band
Die schönsten Gedichte (insel taschenbuch)
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)