108. Wie die Wensiner Gericht halten.

[91] Im Wensiner Herrenhause ward ein Diebstahl begangen und gleich darauf durch einen Erbschlüssel es ausfindig gemacht, daß der Dieb nach der Hamburger Seite hin mit dem Raube entwichen sei. Sogleich spürten die Wensiner nach und fanden ihn richtig in einem Gehölze. Da fing einer von ihnen an herum zu fragen, erst bei seinem Nachbar: »Wat fœrn Straaf hett en Deef to liden?« »De Deef wart hungen«, antwortete natürlich dieser, wie ja bekannt ist; darauf fragte er den zweiten, dann den dritten und so die Reihe herum, und alle antworteten dasselbe, bis er zum Dieb selbst kam und fragte auch diesen: »Wat fœrn Straaf hett'n Deef to liden?« Und der Dieb antwortete dasselbe, was bekannt ist: »De Deef wart hungen.« Da hatte er selbst sein Urteil gesprochen, und weil es da im Holze häufige und gute Gelegenheit zum Hängen gab, knüpften die Wensiner ihn auch sogleich auf.


Mündlich.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 91-92.
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