622. Der Teufel ist tot.

[483] Ein Bauer hatte einen Sohn, der hieß Hans, das war aber ein Tunichtgut. Sein Vater gab ihn oft bei andern Leuten in Dienst, aber nach ein paar Tagen lief Hans immer wieder weg und kam nach Hause. Da sagte der Vater endlich zu ihm: »Wenn du dich durchaus nicht schicken willst, so will ich dich noch bei dem Teufel vermieten.« Nach einiger Zeit kam nun ein Mann und suchte einen Diener; da vermietete der Bauer Hans bei ihm, aber sagte, er sollte ihn doch gut unter Aufsicht nehmen, Hans sei ein Taugenichts und laufe immer wieder weg. »Das hat bei mir keine Not«, sagte der Mann, »denn ich bin der Teufel.« »Da sollte er auch gerade hin«, sagte der Vater. Hans folgte seinem neuen Herrn.[483] Den ersten Tag, als der Teufel ausgehen wollte, sagte er zu Hans: »Nun kannst du während der Zeit mir meine Bücher abstäuben, aber ich rate dir, lies nicht darin.« Der Teufel ging aus und Hans verrichtete sein Geschäft, stäubte alle Bücher ab von oben bis unten, als er aber damit fertig war, fing er an darin zu lesen und las ganz emsig. Abends kam der Teufel nach Hause. »Hast du auch gelesen«? fragte er. »Ja freilich, aber ich habe auch doch gut geputzt«, antwortete Hans. Da gab der Teufel ihm einen Verweis und drohte ihm. Am andern Tage ging der Teufel wieder aus und sagte zu Hans, er solle ihm seine Bücher putzen, aber lese er darin, würde es ihm eine Zeitlang schlecht gehn. Hans ging an sein Geschäft, und als er die Bücher geputzt, las er noch eifriger darin, als am ersten Tage. Abends fragte ihn der Teufel: »Hast du auch gelesen?« »Ja freilich«, sagte Hans, »aber ich habe auch gut geputzt.« Das half aber alles nichts, Hans bekam eine arge Tracht Schläge. Am dritten Tage ging der Teufel wieder aus und sagte: »Liest du heute wieder in meinen Büchern, so drehe ich dir den Hals um.« Hans las den ganzen Tag in den Büchern, als es aber gegen den Abend ging, daß der Teufel wieder nach Hause kommen sollte, dachte er, nun wird's Zeit, daß ich wieder nach Hause komme, lief fort und ging wieder zu seinem Vater. Sein Vater aber nahm ihn unsanft auf und schalt und war sehr böse; aber Hans sagte: »Sei nur nicht böse, lieber Vater, ich habe so viel bei dem Teufel gelernt, daß wir uns nun selber helfen können.« Also blieb Hans nun bei seinem Vater.

Am andern Morgen sagte er zu seinem Vater: »Nun will ich mich in einen Hengst verwandeln, du mußt nur einen Zaum schaffen, dann führ mich zu Markt und verkaufe mich, aber ja nicht mit dem Zügel, sonst bin ich verloren.« Der Vater schaffte nun einen Zaum, Hans verwandelte sich in einen schönen Hengst und der Vater brachte ihn zu Markt. Da stellte sich bald ein Käufer ein, der aber niemand anders als der Teufel selber war, handelte mit dem Bauern und sie wurden endlich einig um eine große Summe Geldes. Aber den Zügel wollte der Teufel durchaus mit haben. Das wollte der Vater nicht, aber endlich gab er's doch zu, denn er dachte, der Junge ist doch ein Taugenichts. Nun ritt der Teufel auf seinem Hengst zu einem Schmied und wollte ihn beschlagen lassen. Weil aber der Schmied gerade bei einer Mahlzeit war, so nötigte er den Teufel, doch so lange herein zu kommen. Der Teufel band seinen Hengst vor der Schmiede an und ging hinein. Da aber wußte Hans es während der Zeit so zu machen, daß er vom Zügel frei ward, und nun verwandelte er sich in einen Hasen und lief spornstreichs davon. Als das aber der Teufel sah, machte er sich schnell zu einem Windhund und lief hinter dem Hasen drein und bald hatte er ihn eingeholt. Da machte sich der Hase schnell zu einem kleinen Vogel und flog davon, aber der Teufel verwandelte sich in einen Falken und war bald dem kleinen Vogel ganz nahe. Zum Glücke erblickte der am offenen Fenster eines Klosters eine Nonne, die[484] sich mit Nähen beschäftigte; da schlüpfte er schnell ins Fenster, der Nonne in den Schoß, und wie die den kleinen niedlichen Vogel sah, warf sie schnell das Fenster zu und der Falke mußte draußen bleiben. Da verwandelte Hans sich in einen Fingerring und die Nonne steckte ihn an den Finger, aber abends als sie zu Bette ging, nahm er seine rechte Gestalt an und schlief bei der Nonne; am andern Tage aber war er wieder ein Fingerring. Da kam der Teufel und wollte der Nonne den Ring abkaufen; aber die Nonne sagte: »Nein, den Ring verkaufe ich in meinem Leben nicht.« Und der Teufel mußte unverrichteter Sache wieder abziehn. Abends aber sagte Hans zu seiner Freundin: »Wenn morgen der Teufel wiederkommt, so verkaufe ihm nur den Ring, laß dir aber erst das Geld geben, bevor du ihm den Ring reichst. Wenn du aber diesen ihm hinlangst, so laß ihn fallen; dann werden da drei Gerstenkörner liegen, da setze schnell deinen Fuß auf eins davon.« Bald kam auch der Teufel wieder; da ging der Handel vor sich, aber ganz so wie Hans gesagt hatte. Die Nonne empfing zuerst das Geld, dann langte sie dem Teufel den Ring hin, aber ließ ihn fallen, da lagen da drei Gerstenkörner am Fußboden und die Nonne setzte schnell ihren Fuß auf eins von den Körnern. Da verwandelte sich der Teufel in ein Huhn und pickte die zwei Gerstenkörner auf, aber das dritte konnte er nicht bekommen, doch pickte er darnach. Da machte sich das Körnlein schnell zu einem Fuchs, sprang auf das Huhn los und fraß es auf, und seit der Zeit ist der Teufel tot und aus der Welt.


Durch Herrn Schullehrer Rohweder in Thienbüttel. Das Märchen hat sein Eignes gegenüber dem entspre chenden bei Grimm. K.-M. Nr. 68 mit den Anm. S. 121.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 483-485.
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