311. Festlesen.

[210] Ein Mann kam in eine der Kirchen Hamburgs und fand hinter dem Altar ein Buch. Er fing an darin zu lesen, und las und las und hatte sich endlich festgelesen. – Er bemühte sich umsonst, los zu kommen und seine Gedanken auf etwas andres zu bringen; er konnte es nicht, er mußte stehen und immerfort lesen, der kalte Schweiß trat ihm auf die Stirne und er zitterte an allen Gliedern; er wäre des Todes gewesen, wenn nicht ein alter Mann, es soll der katholische Priester gewesen sein, ihn gesehen und seine Not erraten hätte. Der gab ihm den Rat, alles wieder zurück zu lesen, bis dahin, wo er angefangen hätte; das sei das einzige Mittel, um los zu kommen. Der Mann tat es und kam nun glücklich frei.


Aus der Elbmarsch durch Kandidat Rejahl.

Quelle:
Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg. Kiel 1845, S. 210.
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