Dritte Scene.

[101] Wiesenthal vor Pfälzel.

Balken, woran oben das Bildniß eines Ritters gemahlt ist, Wallrod als Eremit davor, Adolf, Julie, Anne.


JULIE. Ritter Golo bleibt ja wieder hier, Vater.

ADOLF. Mit all' den Narretheyen! Bleiben, fort wollen, wieder bleiben, was soll's nur endlich? Mag meinetwegen gehn, wenn's ihm nicht länger hier ansteht, denkt vielleicht, wir grämen uns viel drum; dergleichen Dinge faßt' er nun in Kopf, weil Siegfried ihn überall so vorzieht. Unser einer ist ihm gar nichts mehr, grüßt einen kaum. Hab' ihn als eine kleine Rotznase gekannt, so hoch, selbigmahl war er schon ein vorwitziger Junge. Was der Esel nur will, daß er jetzt so närrisch thut, weiß der Teufel, wo's bey ihm steckt.

ANNE vor sich. Ich weiß es nur zu wohl, ach! Habe auch schon meinen Entschluß gefaßt.[102]

ADOLF. Doch was liegt mir dran? Treib' er's, wie er will und bleib er mir nur aus'm Wege. Mich freut nichts, als da mein Säbel, den mir Carl, der Herzensjunge, überschickt. Es ist eine ganz andre Art, der.

JULIE. Gelt, Vater, der hält schön Wort? Hat's versprochen, er wollte euch einen Säbel erbeuten, hat's auch gethan. O du Lieber! Wirst mir auch Alles so treu halten? Alles?

ADOLF. Kinder, denke jetzt, wir wollen ein Bischen dort am Hügel hinauf, frische Luft schöpfen; wir kommen dann just so mit der Dämmerung an die hintre Gartenpforte. Meine Schwester bringt heimlich Genovefen diesen Abend Serenate, Adam hat mir's gesteckt. Ein stiller ordentlicher Mann, dieser Adam, ein guter Musicant, so von Natur; der Gärtnerjunge, Annchen, dessen Stimme dir so wohl gefällt, wird eine Arie singen, die Golo auf der Laute accompagnirt. Golo schlägt das Instrument trefflich; muß in allen Dingen die Wahrheit sagen.[103]

JULIE. O ich freue mich drauf. Musik ist mein Leben, sie macht nur zu Zeiten so ein wenig stürmisch.

ANNE. Und mich melancholisch; aber sehr vergnügt.

ADOLF. Was will der Waldbruder dort? Guten Abend, Freund! Däucht mich, ihr beschaut das Bildniß da oben am Balken?

WALLROD. Ja, Herr, das thu' ich, meyne, hab' schon einmahl in der Welt solchen Rittersmann gesehn, grade die Rüstung und Wappen; der Regen hat die Schrift verlöscht, kann's nicht lesen.

ADOLF. Es ist Graf Wallrods von Sponheim Bildniß; seine lieben Aeltern trauern, weil sie ihn, den einzigen Sohn, verloren. Er wurde auf einmahl unsichtbar aus dieser Gegend, sie haben sich überall schon mit Müh und Fleiß nach ihm erkundigt, fern und nah,[104] aller Orten sein Bildniß so mit Inschrift unten dran hingeschickt, ob sie ihn etwa lebendig oder todt auskundschaften möchten. Man weiß bis diese Stunde nicht, wo er geblieben.

WALLROD. Habe auch schon so was davon gehört. Danke schön für die Nachricht und eure Höflichkeit.

ADOLF. Es ist spät am Abend, Bruder; kehrt ihr wieder in Wald zu eurer Zelle heim oder gedenkt ihr heunt in Pfälzel zu bleiben? So tretet bey mir ein. Geistlichkeit ist mir ehrenwerth.

WALLROD. Sehr großen Dank; doch ich kann's nicht annehmen, bin anderswo schon versprochen, hatte im Vorbeygehn einen Gruß zu überbringen, in Pfälzel; ein gewisser Dragones ...

ADOLF. Kenne ihn gut, es ist ein wackrer Mann, ihr werdet ihn gewiß jetzt im Schloßgarten treffen, wenn ihr ihn etwa sucht.[105]

WALLROD. Er bestellte mich eben dorthin.

ADOLF. Kinder, kommt, die Sonne neigt schon unter, laßt uns schneller gehn, sonst verlieren wir den Anfang der Musik. Lebt wohl, Bruder.

WALLROD. Gleichfalls von Herzen.

JULIE. So jung und zart und so ein strenges Leben.

ANNE. Gefiel dir solch ein Kleid, Julchen?

JULIE. Nein, gewiß nicht.

ANNE. Mir sehr. Alle ab.[106]

WALLROD. Meine lieben Aeltern trauern um mich. Wer findet in diesem härnen Kleide hier den Glanz jenes stolzgebildeten Ritters, wer sucht Wallrod von Sponheim, den einzigen Zweig, die Hoffnung einer der größten Familien, unter den Lappen eines schmutzigen Bettlermantels? Dieß rührt meine Wuth an. Undankbare, die mich verräth! Ich will mich dafür an dir letzen. Die Sinne vergehn mir fast ganz, wenn ich nachdenke, was ich ihr All' aufgeopfert. Aber ruhig, mein Muth, bis zum Augenblick der Rache; habe nun mein Wild auf der Spur, Mathilde, dich mit Netz und Garn umzogen. Dragones hat's mir schon zur Hälfte gebeichtet; ein guter Bengel, völlig so unverhohlen, wie man ihn mir geschildert. Ich habe ihn gerührt, mit allerley bedenklichen Worten und Sprüchen, die ich so hingestreut, sein Gewissen in Unruhe gestört; ich hoffe diese Nacht völlig meinen Zweck zu erreichen. Ha was gibt's dort im Garten? Lauter Musik und Fröhlichkeit, lauter Hüpfen und Wohlleben! Will bald auch musiziren, aber aus einem andern Ton. Auch hab' ich noch was anders bemerkt; wer still im Winkel sitzt, beobachtet besser, als die im Getümmel mit fortrennen; entweder, Genovefa, du hältst auch nicht mehr Farbe, als Andre, oder bist du rein, so schleicht irgend eine andre verrätherische Absicht hinter dir her und sucht dich zu fangen, und so soll alle[107] Mühe von mir angewandt werden, dich vor den Klauen des Habichts zu bewahren, der über dir herfleucht. Gleich diese Briefe hier sollen dich im Voraus ein Weilchen warnen und dadurch mir deutlicher deine Gesinnungen zeigen. Bin nur aus Verzweiflung ein Schützer der Tugend, weil mich das Laster von sich weg gestoßen, und das sey meine Freude. Denn gewiß hat Golo hier mit Mathildens Steinen und Mörtel den Grund dazu gelegt. O so wie ein Hirt mit dem Stab einen Ameishaufen untereinander rührt, will ich all' eure Projekte, die ihr zusammen aufmauert, einreißen und verstören und an Allem, was euch mißlingt, mich erlaben. Niedriges, verrätherisches Pack! Undankbare Viper Mathilde! O daß ich dich bald in eigner Schlinge fange, dir's bald mit den nämlichen Waffen lohne, mit denen du mir Wunden geschlagen verfluchte, höllische Furie! – Ab.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 101-108.
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