Zwölfte Scene.

[288] Vor dem Schloßgarten. Nacht.

Adam, Brandfuchs.


BRANDFUCHS. Mir ist's die Zeit her so schwer im Herzen, Meister, so weh um mancherley; ich möchte die Welt verlassen und ein Klosterbruder werden.

ADAM. Hilf Gott! Bethe einen Psalm still in dir verschlossen und guck' zu den Sternen auf.[288]

BRANDFUCHS. Mit Freude kehrt' ich hier in Pfälzel ein, mit Trauer werd' ich's verlassen. So muß denn Alles scheiden? Meister, ihr waret ja bey Carls Beerdigung zugegen; ist es wahr, daß Julie in's Grab hinein sprang, als sie den Leichnam verscharren wollten?

ADAM. Es giebt so Augenblicke und Stunden, Junge, wo einem anders ist als gewöhnlich; heut geht's in mir ganz hoch. Laß mich die Hand dir auflegen jetzt: heut ist mein Segen wahr. Wer weiß, wie nahe mir mein Ende, hin geht die Zeit, her kommt der Tod; sey redlich, wie du mich vor Gott und Menschen wandeln gesehn, und der Friede wird auf dir ruhn. Jetzt sey still und laß gehn, wie Gott es will: ihm hab' ich's überlassen und heim gestellt, er ist der Ew'ge, Starke, Allmächtige. Was will ich Kind in Windeln, du Hüter der Menschen, vor dir? Des Wurms Ohnmacht hinan zu deiner Allmacht. Wie du es führst und Licht durch die Dämmrung bringst nach deinem Rath ... ah verzeihe, wenn wir dich nicht ganz fassen und weinen; uns Menschen hier unten im Thal sind unsre Dränen lieb. Ich murre nicht, so sehr es auch schmerzt; der edle liebe Jüngling mußte bluten, Golo soll triumphiren, er soll, Adolf liegt draussen auf dem Grabe[289] und zerrauft sich die weißen Haare, seine Tochter ganz von Sinnen, dahin, Dragones im Kerker vergiftet, die arme Gräfin in Ketten und Ehren beraubt: Gott, tröste du alle betrübten Herzen bis zur Erlösungsstunde. Wenn nun Siegfried wieder zurück kehrt, diese Verwüstung hier schaut, sein vor so friedliches Pfälzel!

BRANDFUCHS. Halt' an und geht nicht, bis ihr mich zweyfach gesegnet. Mir ist's, als wär't ihr im Uebergang, mir schon nicht mehr nah, als ginge euer Weg zu den Sternen.

ADAM. Bin noch Waller im Thal und trag' den schweren Stab, bis ich gerufen werde, komm' es wann es wolle. Spät ist's jetzt schon in der Nacht, mein Weib schleicht noch drin im Schloß herum, nachzuspähn, was es da gibt, was sie über die arme Gefangene ferners beschlossen. Steffen ließ heute ein verdächtig Wort springen, das uns All' in Unruh und Schrecken gesetzt. Wollte, das Weib wäre schon da, wenn ihr nur nicht drin auch ein Unglück zugestoßen.

BRANDFUCHS. Will dort 'rum hinschleichen, Meister, so an der Mauer weg, ob ich sie nicht antreffe und gleich zu euch herführe.[290]

ADAM. Probir' einmahl, aber sacht, daß dich Niemand bemerkt; sie sind argwöhnisch wie die Hölle.

BRANDFUCHS. Laßt mich nur machen. Ab.

ADAM. Die Uhr schlägt: Mitternacht! Wende dich und bringe einen frohen Morgen. Mich friert. Stark Hahnengekräh unten im Dorf; bekommen ander Wetter.


Margrethe im Dunkeln.


MARGRETHE. Adam, bist du's?

ADAM. Weib, ja. Wo bliebst du so lange? Ist dir der Jung' nicht begegnet?

MARGRETHE. O Gott Adam! Wie klopft mir das Herz.[291]

ADAM. Ist was passirt? Du keuchst so gewaltig.

MARGRETHE. Man kann dir's nicht vor Angst sagen! Die arme Gräfin ....

ADAM. Hast was erfahren? – Weib!

MARGRETHE. Ist hin! – Adam! Wird jetzt gleich umgebracht.

ADAM. Weib! Wo? Wie?

MARGRETHE. Siehst du, siehst du die Fackeln dort oben?

ADAM. Was sollen ...

MARGRETHE. Gehn hin in den Thurm, worin sie sitzt.[292]

ADAM. Geschwind – 'raus!

MARGRETHE. Hohlen sie dort ab, jetzt! Hörst du aufschließen? Die Mörder? Mörder!

ADAM. Heil'ger Gott! Was ist das?

MARGRETHE. Ach Adam, führen sie jetzt in freyen Wald hinaus, ermorden sie dort samt ihrem Kind!

ADAM greift in alle Taschen. Auch gar nichts bey mir, nicht 'mahl meine Hippe. Weib, ist's Alles gewiß so?

MARGRETHE. Nur zu gewiß, Adam; hab's mit meinen eignen Ohren gehört, im Camin stack ich, da Mathilde mit den Mördern drum handelte.[293]

ADAM. Gott leite mich! Wie viel sind ihrer?

MARGRETHE. Zwey sind's.

ADAM. War so muthlos bisher, jetzt kommt auf einmahl mein Kraft wieder. Weiß jetzt, warum ich hier bleiben mußte; zu dem hatte mich Gott ersehen.

MARGRETHE. Was hast du im Sinn, sollen sie dich auch erschlagen ohne Barmherzigkeit?

ADAM. Schau 'mahl über dich, Weib.

MARGRETHE. Was ist's, Adam?

ADAM. Siehst du die dort oben flimmern? Sie alle sind gezählt, keins der wird verlohren gehn, und wir sind noch mehr.[294]

MARGRETHE. Ach je, hörst du? Sie kommen schon mit ihr 'raus.

ADAM. Still. Wenn sie dem Wald zu wollen, müssen sie hier vorbey; im Busch mausestill, bis ich dir das Zeichen gebe. Wollen sie von hinten überfallen.

MARGRETHE. Herr Jesu, daß ich den Hunden nur gleich die Augen ausreissen dürfte! Verkriechen sich.


Die zwey Mörder mit Fackel und Laterne, in der Mitte Genovefa, den Mund mit einem Tuch verbunden, sie trägt ihr Kind auf den Armen.


ERSTER MÖRDER. Brur, soll ich de Fackel auslösch? Hon an de Latern genung.

ZWEYTER MÖRDER. Wart, bis mer drauß sin.[295]

ERSTER MÖRDER. Wo führe mer se hin? An Sandfels oder in Wald zu de drey Weihr?

ZWEYTER MÖRDER. Um vier thut's schun tage; drey Weihr lige ze weit ab im Wald, müsse jo vor Tags Anbruch drunne seyn im Thal, der Vogt bekummt Gäst, die müsse mer tüchtig roppe. Wo host die Hack, daß mer di gleich begrabe?

ERSTER MÖRDER. Schwernoth, hon der di vergeß im Thorn, an de Mauer; laf zurück un hohls.

ZWEYTER MÖRDER. Geh' weil voran. Ab.

ERSTER MÖRDER. Tummel dich, daß bald nochkummst. Ab mit Genovefa.


Adam, Margrethe.


ADAM. Schluchze nicht so laut.[296]

MARGRETHE. In der Stunde des Gerichts können wir drum nicht bestehn, so wir's leiden. Heraus mit 'nem Pfahl und gleich nach!

ADAM. Uebereil' nicht. Geschwind drin meine Armbrust, über die Wiese hinten ihnen vor!

MARGRETHE. Hast es gesehn, Adam, wie sie unter den Verruchten ging, gebunden und geführt, verstummt, wie ein Lamm, das Metzger zur Schlachtbank ziehn?

ADAM. Fort, mir nach, geschwind! Ab.


Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Werke. Heidelberg 1811, S. 288-297.
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