Fünfzehntes Kapitel.
Der Ludimagister läßt Herrn Fix seinen Reverenz machen, und besitzt honette Ambition.

[110] »Na, Schulmeister, wie stehts? Hat er so'n Dings aufgestaket?«[110]

Ich hoffe, mit hoher Permißion! Eu'r Gnaden werden mit meinen gehorsamsten Verrichtungen allerunterthänigst zufrieden seyn.

»Na, laß mal sehn was er verrichtet hat.«

Der Schulmeister fieng nun seinen Rapport an dessen Inhalt meinen Lesern bekannt ist, und dessen Styl sie sich leicht denken können, da sie aus Erfahrung wissen, daß der schwarze Mann mit andern Leuten noch ganz schicklich reden konnte, ein erkleckliches Theil Pedanterey und Prahlerey ausgenommen: daß er aber schwindelnd wurde, und vor übertiefer Submißion ein ganzer Narr war, so bald er die hohe Gnade genoß mit seinem vornehmen Gönner zu reden. Den Herrn Fix strich er unbändig heraus, und beschloß seinen Vortrag damit: er habe nicht anders als durch die wiederholte Versicherung, daß so ein gnädiger Herr als der Herr Siegfried von Lindenberg wären, gar nicht mehr auf der Welt seyn könne, den Mann dahin bewogen, Haus und Geschäffte zu verlassen, um in Absicht der künftigen Druckerey Seiner Gnaden Befehle zu vernehmen.

»Kann man 'rein kommen; will ihm meine Befehle zu vernehmen geben. – Krischan! – Ruft den Mann mal 'rein!«

Herr Peter Fix trat gar behende herein, wie er denn in allen seinen Bewegungen, gleich allen seinerley Schlages Genien, sehr merkurialisch war, und machte flugs in der Thür seinen großen Scherwenzel fast züchtiglich. Thät darauf mit sittiger Gebehrde drey große große Schritte vorwärts, und machte seinen zweyten Scherwenzel schier tief. Dann trabte er die noch übrigen Schritte bis dicht vor Seine Gnaden, und scherwenzelte zum dritten mal, schob auch seinen linken Fuß, der an einem sehr langen Beine hangen thät, einer Ehlen weit hinten aus. Seine Gnaden saßen in[111] ihrem Polsterstuhle, und waren im Dolman, daran war also nicht füglich ein Zipfel zu fassen Herr Fix neigte sich demnach bis zur Erden, erwischte die Säbeltasche des Pommerschen Edelmannes, und verehrte sie mit einem lauten Schmatze. Bey dieser tiefen Demuth fiel ihm ein Vorderschopf seines rund verschnittnen Haupthaars über das Antlitz herab, und wollte sich beym Aufrichten durch kein Schütteln wieder in die gehörige Form bringen lassen. Ein Strich mit der Hand vom Stirnbein längst der Sutura sagittalis gegen die lamdoidea würde dem Unwesen endelich abgeholfen haben: da er aber gehöret, oder im neuen Komplimentirbuch gelesen hatte, es wolle sich nicht ziemen Angesichts großer Herren zu räuspern, zu speyen oder im Haupte zu schaben: so ertrug er diese Beschwerde geduldiglich, stellte sich steif hin wie ein Laternenpfahl, und ließ das Haar seines Hauptes übers Gesicht herab hängen, wodurch er den Löwen auf dem Eichelndaus gar wundersam ähnlich sah.

Der Edelmann, der nicht wußte was der Mann mit seiner Säbeltasche im Schilde führte, wunderte sich sehr, als er den Schmatz erschallen hörte. Seine Gnaden schlugen das linke Bein über das rechte Knie, und lehnten sich gemächlich in den linken Winkel Ihres Großvaterstuhls, thäten mit der rechten Hand die Pfeife aus dem Munde, und gaben dem changeanten Genie folgendes zu vernehmen:

»Hör er mal, mein guter Mann, laß er das 'n andermal man unterwegens. Bin gar nicht für das Alfanzen, sieht er. Mag wohl haben daß einer hübsch ordentlich ist; aber die Säbeltasche oder 'n Zippel vom Peltz zu küssen, versteht er, das muß kein hübscher Mann thun. Mögt das von meinem Türk nicht leiden, so mögt ich. Abernicht eins ins ander zu reden, ist er der Mann der das Drucken versteht?«

Ja Ihr Gnaden. Zu dienen.

»Kann er denn auch wohl Avisen drucken?«

O ja Ihr Gnaden.

»Will mal 'ne Probe von sehen. Wenn mirs gefällt, soll er mein Leibavisendrucker werden.«

Ja Ihr Gnaden. Zu dienen.

»Will ihm des Tags 'n Gulden geben, und da Dach und Fach zu, wenn er mir ansteht. Essen soll er auch haben und Trinken. Ist er damit zufrieden?«

O ja Ihr Gnaden.

»Krischan! – – Mal einschenken für den Mann. – Trink er mal!«

Erlauben mir gutes Wohlseyn Ihr Gnaden!

Der Junker nickte mit dem Kopfe.

»Na, kann nu man gehen und machen sein Probestückschen.«

Empfehle mich unterthänigst Ihr hochadlichen Gnaden, und danke für guter Aufnahme.

Der Junker nickte mit dem Kopfe.

Herr Peter Fix, der die Höflichkeit selbst war, machte einen Lorenz auf der Stelle, that dann rücklings drey große große Schritte, und fabricirte seinen zweyten Bückling, gieng darauf immer rücklings bis vollends an die Thür, wo er seinen dritten Bückling wie beym Eintritt mit einem Scharrfuß von stattlicher Länge begleitete, und rückwärts zur Thür hinaus schritt.

»Bin froh, daß er mit Gott und Ehren 'naus ist. War immer bange als er sich so wie 'n Krebs überrücks abführen that, daß er auf seine drey Buchstaben fallen würde – als er mal, Schulmeister; weiß er noch wohl?«

Ach Eu'r Gnaden! manet alta mente repostum, sagt der große Poet Virginius. Das soll mir mein[114] Tage nicht aus dem Gedächtniße kommen! Ich fiel aber auf die Nase mit hoher Permißion!

»'S ist wahr, das that er auch, und kehrt seine drey Buchstaben in die Höhe. Na, kann nu man gehn und 'ne Avise machen.«

Allerunterthänigster Knecht, Eu'r Gnaden.

Der Ludimagister gieng zwar, kehrte aber in der Thür wieder um, und näherte sich dem Edelmanne mit vieler Cärimonie. »Will er noch was, Schulmeister? hä? Man raus mit!«

Mögte Eu'r Gnaden wohl unterthänigst bitten – weils doch so hübsch klingt – mir den Titel Ihres Lektoris ordinarii allergnädigst zu ertheilen.

»Kenne so'n Ding nicht, Schulmeister!«

Das ist, will ich die Gnade haben unterthänigst zu berichten, den Titel als Eu'r Gnaden ordentlichen Vorleser.

»Blix noch mal, das ist er ja schon.«

Freylich wohl, Eu'r Gnaden, was das anlangt; aber ich habe doch den Titel und Respekt nicht davon. Die Leute heissen mich alle schlechtweg Schulmeister, oder wenn sie recht manierlich seyn wollen, Herr Ludimagister; und das klingt doch so – – gar nicht ein bischen für einen Gelehrten.

»Na, na, er ist hochmüthig, seh ich wohl.«

Halten zu Gnaden! es mir nicht um meinetwillen zu thun, sondern, weil es doch besser meines demüthigsten Dafürhaltens ins Ohr fällt: der Herr Lektor ordinarius Seiner Hochwohlgebohrnen Gnaden, als – Halten unterthänigst zu Gnaden! – der Schulmeister der dem Junker vorliest.

»Na, na, er kann man 'n Saplik aufsetzen, wo's drinn steht, daß er gern Lektoris ordinari werden will, und das einreichen, so will ich schon drüber risalviren.«

Aber Eu'r Gnaden, ich wollte das gern in die[115] erste Avise setzen, die ich gleich schreiben will, halten zu Gnaden.

»Na, will ihn hiermit zu meinem Lektoris ordinari in Gnaden ernannt haben. Er kann aber man thun, als wenn das nicht wäre, und reich er doch so 'n Mamorial ein, daß ich drüber risalviren kann, wie's Kustühm ist. Will ihm dann 's Sekret schon drüber ausfertigen lassen.«

Danke Eu'r Hochwohlgebohrnen Gnaden in tiefster Submißion für Dero hohe Gnade, und werde stets geflissen seyn, es unterthänigst wieder zu verschulden.

»Alle gut. Mach er nu man, daß die Avise fertig wird.«

Quelle:
Johann Gottfried Müller: Siegfried von Lindenberg. Hamburg 1779, S. 110-116.
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