Letztes Kapitel.
Welches so kurz ist, und den Leser so wenig angeht, daß es nicht der Mühe lohnt, den Inhalt drüber zu setzen.

[172] Und nun, mein Büchlein, du meiner Hände fröhliches Werk, sende ich dich in die Welt. Die freundliche Muse unter deren Lächeln ich dich gebahr, wolle dich auf deinem Pfade durch die Hände unzähliger Leser geleiten, ehe du den Weg alles Papiers gehen mußt! Das ist mein väterlicher Segen, den ich dir mit auf die Reise geben. Halte du, weil ich das Inkognito beobachte, dich darum nicht für ein Vaterloses Kind noch für einen verlaßnen Waisen; ich schäme mich deiner nicht. Dulde es, wenn jemand dir sagt, deine Nase sey schief, oder du hättest viel Sommersprossen und Leberflecken; ich will es auch dulden; denn, gesetzt – was doch nicht immer seyn wird – der Jemand hätte Unrecht, so wirst du darum keinen einzigen Flecken kriegen den du nicht wirklich mit auf die Welt gebracht hast. Sagt aber jemand, du seyst ein Bösewicht, dann sollst du sehen, das du nicht Vaterlos seyst. Oeffentlich will ich dich dann für mein Kind erkennen, deine Sitten deren Unschuld ich am besten kennen muß, vertheidigen und rechtfertigen, deine Ehre retten, und deinen Verläumder zu schanden machen.

So zeuch deine Straße in Friede! Den Allerdurchlauchtigsten Großmächtigsten, Gnädigsten, und so herunter jedem Leser bis zum ehrbaren Bürger[172] magst du, ohne auf Rang und Stand zu sehen (wir sind alle Menschen) meinen freundlichen Gruß entbieten; den Kritikern begegne höflich und lehrbegierig; sie können deine Nase, wenn sie wirklich schief ist, vielleicht gerade rücken, oder dir wenigstens ein Mittel wider die Leberflecken und Muttermaale sagen, und das nimm mit Danke an. Die Kritikaster und Kritikakler magst du meinentwegen über die Schulter ansehen; und die Buben, die ehrlichen Schriftstellern straßenräuberisch und meuchelmörderisch, a la Anzeige, aufpassen, wo du einen solchen findest, und wenns in der angesehensten Gesellschaft wäre, so reiß ihm die Maske ab, und tritt ihn unter die Füße. Ich will dir beystehen, und dich schützen, wenn's auch wieder den General dieses leichten Gesindleins wäre.

Führe dich, wo möglich, so auf, daß ich dich zum zweyten mal ausschicken könne. Suche in solchen Häusern einzukehren, wo irgend ein guter Mensch unter seiner Bürde seufzet, und versuchs, ob du ihm sein Bündel ein wenig leichter machen kannst. Dann bist du in meinen Augen ein verdienstvolles Geschöpf. Sey gegen jede ehrliche Seele so heiter, daß keine Falte der Stirn gegen dich bestehen könne. Nur, wenn du etwa ihrem Grabe nahe kömmst, dem stillen einsamen Hügel unter welchem sie schlummert, die mir so schnell entrissen wurde! die ich schmerzlicher verlohr, als der welchgeschaffne Jüngling sein zärtliches Mädchen; schmerzlicher, als der fühlende Mann die geliebte Mutter seiner Kinder! um die ich klagen werde, so lange ich klagen kann! Kömmst du zu dem Grabe dieser Theuren, zu dem ich jezt traurig eile, so verstumme deine Freude![173] so schalle, durch dich erweckt, kein Lachen! so wandle die Muse der ich dich empfahl, und bei dich wenn du größer wirst, ich sehe es vorher, zu dem ehrwürdigen heiligen Hügel führen wird, ihr freundliches Lächeln in frommen Gram.


O! daß du allein mich hier verstehst!


Aber, geh in Frieden!

Quelle:
Johann Gottfried Müller: Siegfried von Lindenberg. Hamburg 1779, S. 172-174.
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Siegfried von Lindenberg. Komischer Roman