Erste Abtheilung.

[146] Wie C* M**, nachdem er in Verschiß erklärt, auch von seiner Liebsten verstoßen; sodann voll Verzweiflung sich ersäufen will, zuvor aber nochmals Reue und Leid und Nachdenken über seine Sünden angestellt, am Ende aber sich gewisser Ursachen halber doch entschließt, noch einige Monate zu leben und nun abreist.


Was weinst du denn, mein liebes Kind,

Was weinst du denn so sehr?

Gesteh' mir nur, du weißt's gewiß.

Daß ich, dein Liebling, in Verschiß.

Honorisch nimmermehr.
[146]

So sprach in süßem Schmeichelton

Ich zu der holden Maid,

Ich wollt' sie drücken an mein Herz,

Sie stieß mich weg zu meinem Schmerz,

Zu meinem Herzeleid.


»Und nimmermehr,« sprach sie zu mir,

Komm, Schißer, mir zu nah',

Den flotten Burschen liebt' ich nur,

Der Schißer such' sich eine Hur',

Für ihn bin ich nicht da.«


Sie kehrte mir den Rücken zu

Und sprach hinfür kein Wort.

Leb wohl, schön Liebchen! lebe wohl,

Nenn ich dich nimmer küssen soll;

Leb wohl! ich reise fort.


Ich stürzte aus dem Zimmer fort,

Der Mordgedanken voll,

Zur Isarbrück'; dort stand ich lang.

Mir ward so schwindlig und so bang,

Ob ich hinunter soll.


Da fiel mir erst der Teufel ein,

Dem ich beim Färbelspiel[147]

Für vier und vierzig Guld'n in Gold

Mein Seel verschrieb, die er mir holt

Bis Lichtmeß auf das Ziel.


Drum geh ich wiederum nach Haus

Und mach a kurzi Reu und Leid

Und richt' mi her zur Ewigkeit,

Und hab' so bei mir g'redt:


Betracht' di itzt, du alte Sau,

Wie koani existirt,

Betracht' dein'n ganzen Lebenslauf

Wirst seg'n, der Teufel hot beim Kauf

So viel net profitirt.


Die zehn Gebot, wie hast du die

So weni ästimirt,

So langst an Kreuzer Geld host g'habt,

Host g'färbelt, zwickt, tarokt und tappt,

Koan Kirchathür ong'rührt.


Den Namen Gottes eitel sog'n

War dir Gebot und koans;

Ob unser Herrgott vor dir steht

Oder der Huf ins Zimmer geht,

Dös is dir alles oans.
[148]

Die Feiertage heiligen

Dös war a so mein' Plog;

'n Sunnta um a zehni schon

Da fangt ma flottweg 's Färbeln on

Und färbelt bis Mittog.


Kam g'fressen geht's af d'Goas hinaf,

Do setzt ma's wieder fort

Und schimpft und schilt grod wos ma konn,

Langt mannigmal der Fanny dron.

Wos steht s' just vor oan dort?


'n Vater und d'Frau Mutter ehr'n

Dös wär mir grod a Lust,

So lang s' ma hob'n brav Platti g'schickt

Hob i mi bis auf d'Erden bückt

Und d' Hand brav druckt und kußt.


Doch war es mannigmal der Fall,

Daß z'Haus just net recht g'kleckt

Und is der Postwag'n außi blieb'n,

So hob i glei an Brief hoam g'schrieb'n,

Den s' an koan Fenster g'steckt.


Koan Mordthat hob i net verübt,

Doch so viel kon i sog'n;[149]

Hob i an großen Scherer g'habt

Und hot an Andrer a 'neintappt,

So hätt' i 'n mög'n darschlog'n.


Du sollst koan unkeusch Leb'n net führ'n.

O liebe gute Zeit!

I wißt nit, was i drum geb'n kunnt,

Wenn das Gebot net drunta stund,

I glab, mei Seligkeit.


Denn d'Madeln kann i nimmer grad'n,

Die san mein täglis Vrod,

Koan Bröck'l Fleisch, koan Trünk'l Bier,

So gern i friß und sauf; non mir

A Mensch, na hats koan Noth.


G'stohln hob i justament no nix

Außer in der Vakanz

Dem Pfarrer Meyer z' Genderking,

Weil er a intressirter Ding,

A mol a brotni Gans.


I mach dem Limmel a Visit,

War dursti, wie a Kuh.

Er gibt mir saures Gerstenbier

Und trocknes Brod, drum schanzt i mir

Das fette Gansel zu.
[150]

Koan falsches Zeugniß soll ma geb'n.

Ja manigmal, wie geh'ts!

Der I** fragt: Wie steht d'Parthie?

Der Markus sagt ihm z'viel und i

Schrei a glei: Ja, so steht's.


Deines Nächsten Gut sollst net begehr'n;

Ja, mein Gott, 's war schon recht,

Doch wenn die andern Thaler trog'n

Ganz' Säck voll, dürf i denn net sog'n,

Daß i die Thaler möcht?


Des nächsten Hausfrau hob i non

Mein Lebtag net begehrt,

I hob net lang den Monn drum gfrogt,

I hob's der Frau glei selber g'sogt,

Daß sie mir lieb und werth.


So is koan oanzis Hauptgebot,

Das du net hast verletzt.

Das Luderleb'n, daß du vollbracht,

Hat lang zur Höll' dich reif gemacht,

Drum hast dein' Seel' versetzt.


Und non net gnua, daßt unsern Herrn

Um Land und Leut' belog'n,[151]

Der Teufel selber in der Höll

Is ang'führt itzt mit deiner Seel,

Selbst den hast du betrog'n.


Denn als du dem dein Seel verkauft,

Is s' non honorisch g'west

Und itza is sie in Verschiß,

Wo's kaum mehr fünfzehn Guld'n werth is

I glab net, daß er s' löst.


Koan Madl krieg i nimmermehr,

Wos fang i itza on?

Denn jede moant a Teufelssch*

Der glüht und brennt glei non so ganz

Drum loßt mi koani dron.


Doch Satan wart – non hast mi net,

So gar weit is net g'fehlt,

Knmm i nur zu mein Vater z' Haus,

Der löst mein' arme Seel' schon aus,

Non schicketa dein Geld,


Und hast du erst dein Capital,

No leckst du mi in Arsch,

No nimm i a kloans Crucifix

Und halt's dir für, na thust ma nix,

No hoaßt's: Herr Teufel, marsch.
[152]

So schick i mi denn endli on

Zu meiner langa Reis',

Koan Mensch nimmt Abschied mehr von mir

Es last a jeder für und für,

Als war i voller Läus.


Der Turban und der Strassersmon

Der Riepel und der Mensch,

Der Bauer wie der kloani Schmiedt,

Der Hennahund selbst net von Süd

Und kurzum halt koan Mensch.


Der Farbelbruder I* selbst

Is mäuselstat und stumm,

Drum hot 'n unser Herrgott g'straft

Und ihm a Platzl drin verschafft

Im Seminarium.


I glab der Hans Michael und i

Hob'n ziemli so oan Loos,

Denn ob i in der Höll' drin schwitz

Oder im Seminari sitz'

Is allwei toute même chose.


Wenn die spazier'n geh'n moant ma wohl,

Der Höll'npfuhl thut si auf,[153]

Do hobn's so dunkelgraue Röck,

Wenn's draf regnt, stinkas wie die Böck,

Sonst war ihr Kleidung brav.


Wenn die a Stund im Hörsaal sein,

Konn Neamt mehr drinna bleib'n,

Der M** hot's wohl erfohr'n,

Dem is a mol sterben's übel worn

Und hot si müssen speib'n.


Der Doktor Winterbrand, die Sau,

Zu mir so naget Freund,

Der thut so fremd mi kam onschaug'n,

I wollt'n sein Kalmucken Aug'n

No außireißen heund.


September is der dritte g'west,

Als L** i verließ,

Ich wählte keinen eignen Weg,

Hopp ging es über Zaun und Steg,

Der Wind ganz schrecklich blies.


Quelle:
D. C. Müller: Gedichte, Aufsätze und Lieder im Geiste Marc. Sturms. Rorschach 1853, S. 146-154.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Traumnovelle

Traumnovelle

Die vordergründig glückliche Ehe von Albertine und Fridolin verbirgt die ungestillten erotischen Begierden der beiden Partner, die sich in nächtlichen Eskapaden entladen. Schnitzlers Ergriffenheit von der Triebnatur des Menschen begleitet ihn seit seiner frühen Bekanntschaft mit Sigmund Freud, dessen Lehre er in seinem Werk literarisch spiegelt. Die Traumnovelle wurde 1999 unter dem Titel »Eyes Wide Shut« von Stanley Kubrick verfilmt.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon