In Tränen

[133] Die Fliederblüten fallen.

Und wieder ist ein Lenz dahin

mit seinen Träumen allen.


Vom Meere wehr ein sanfter Wind

und singt die Schlummerlieder

den Freuden, die entschlafen sind.


Nun blühn ja wohl die Rosen –

und unterm dichten Laubendach

die Turteltauben kosen.
[133]

Ich seh es nicht, ich weiß es kaum:

vor meinem Blick, ein Schleier,

liegt ein gestorbner Traum.


Ein feuchter Tränenschleier

hängt zitternd überm Rosenhag

und wandelt mir den Sommertag

zur düstern Totenfeier.


Quelle:
Clara Müller-Jahnke: Gedichte, Berlin [1910], S. 133-134.
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