Ohne Liebe

[184] Dein Fuß zertrat den Veilchenstrauß,

den eine Kindeshand gewunden,

ins Leben stürmtest du hinaus;

hoch stieg dein Stern, – im eignen Haus

nur hast du nie das Glück gefunden.


Und nun dein Stolz in Scherben bricht,

– was liegt daran, ob selbst verschuldet, –

nun tröstet dich kein traut Gesicht:

du nahmst ins Haus die Liebe nicht,

die alles hofft und trägt und duldet.


O, wär der Weg nicht meilenweit,

nicht alle Brücken abgebrochen,

ich ständ noch heute dir zur Seit.

mit einem Gruß der Jugendzeit

an deine trotzge Brust zu pochen.


doch unausfüllbar gähnt die Kluft,

mag noch so bang das Herz erbeben,

– verweht ist lang der Veilchenduft,

und keines Gottes Stimme ruft

die toten Blüten mehr ins Leben.

Quelle:
Clara Müller-Jahnke: Gedichte, Berlin [1910], S. 184.
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