[36] Jerta. Elvire, die, von der Erzählung angegriffen, sich an einem Stuhl hält.
JERTA.
Wie wird euch? – Eure Blicke
Sind verstört, was? –
ELVIRE.
Die Beschreibung!
Wahr, lebendig bis zum Schauen!
Gräulich!
JERTA.
Sicher Uebertreibung;
Wer den Strauch mit umgehauen,
Macht daraus gern einen Baum.
ELVIRE aus Phantasieen aufseufzend.
Oh! Er ist ein reißend Thier!
JERTA befremdet.
Wer?
ELVIRE.
Der Hugo.[37]
JERTA.
Träumet ihr?
ELVIRE.
Ja, ein fürchterlicher Traum
Meiner ersten sel'gen Nacht
Wiederholt sich meiner Seele.
Hugo wähnt' ich zu umfassen,
Und – ein Tiger sah mich an.
Ich vermocht' ihn nicht zu lassen,
Und – indem ich es erzähle,
Faßt es mich wie Fieberwahn –
Küßt' ihm Klau' und blut'gen Zahn;
Er –
Sie hält, von Vorstellungen überwältiget, inne.
JERTA.
Erhitzten Blutes Bilder!
ELVIRE.
Oh! zu wahr, zu ähnlich nur!
Sagt es selbst, wird Oerindur
Täglich kühner nicht und wilder?
Schaudernd, will er mich umfassen,
Stürz' ich mich an seine Brust.[38]
's ist ein Tiger, den du hassen,
Oder für ihn glühen mußt!
Wenn er sanft sich an mich lehnet,
Wenn er seufzet und sich sehnet,
Wenn sein Auge Küsse heischet;
Blitzt's oft furchtbar d'rinn empor
Es durchzuckt mich, wie ein Strahl,
Und der Gatte meiner Wahl
Kommt mir wie ein Raubthier vor,
Das mich liebt und mich zerfleischet.
Nach einer Pause feierlich.
Jungfrau! Mag euch Gott behüten
Vor dem innerlichen Wüthen,
Das mich von und zu ihm reißt!
Ab.
JERTA.
Ist es diese Qual, die »lieben«
In den heißen Zonen heißt?
Tief bewegt.
Oh! wär' Hugo heim geblieben!
Ende des ersten Akts.
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