Achte Scene.

[169] Elvire. Hugo.


ELVIRE legt nach geraumer Stille die Harfe weg, tritt vor Hugo und sucht seinen Blick.

Hugo!

HUGO weich.

Folg' des Vaters Beispiel

Hingeopferte! – Vergieb!

ELVIRE an seinem Halse.

Oh, mein Hugo!

HUGO in vollem Ausdruck der Liebe.

Theures Weib![169]

ELVIRE nach einer Pause, in tiefem Leiden.

Muß es seyn, Geliebter?

HUGO betroffen, sich verrathen zu haben.

Was?

ELVIRE.

Was prophetisch mir die Harfe

Mit der Saite, die gesprungen,

In der Dämm'rung zugeklungen –

Was du jetzt beschlossen hast.

HUGO in Erinnerungen verloren, den Blick auf das Instrument.

Heilig ist die Harfe mir,

Weiß ich gleich nicht sie zu spielen.

Wenn sie Abends dir, im Kühlen,

In dem schönen Arme ruhte,

Und mein Haupt in deinem Schooße

Glühte, wie der Kelch der Rose,

Von dem wildbewegten Blute –

Und nun Himmelstöne klangen

Aus den Saiten und der Brust;

Da verschwand das Glutverlangen,[170]

Und zur Thräne ward die Lust.

In mir herrschte Fried' und Ruh'

Unter'm Schalle deiner Lieder;

Karlos war mein Bruder wieder,

Die geliebte Schwester du!


Auf die Harfe deutend.


Hugo's Engel wohnte d'rinn,

Eh' sich Hugo schwer versündigt;

Der auch hat es angekündigt

Deinem aufgeschloßnen Sinn,

Daß die Qual nun ist am Ende.

ELVIRE.

Hugo! Kannst du es, so wende

Von der Gattin diesen Schlag!

HUGO.

Fühle, daß ich's nicht vermag.

Leben gleicht der Töne Beben

Und der Mensch dem Saitenspiel:

Wenn es hart zu Boden fiel,

Kehrt der rechte Klang nicht wieder,

Und sein Mißlaut stört die Lieder,

Die aus reinen Saiten schweben.[171]

Solche That, wie ich gethan,

Stecket mit dem Wahnsinn an,

Der sie zeugte. – Um ein Haar,

Und mein blut'ger Frevel war

Zweimal wiederholt zur Stelle.

Wo ein Mörder weilet, mag

Keiner widerstehn der Hölle.

ELVIRE sich abwendend.

Wehe! Furchtbar sprichst du aus,

Was wie Nebel um mich lag.

HUGO.

Karlos Zorn erfüllt mein Haus,

Darum auch mit diesem Tag

Muß ich scheiden, ihn zu sühnen.

ELVIRE.

Gott! so bald?

HUGO mit Begeistrung.

Es regt die kühnen

Fittige der Geist in mir,

Seinen Banden zu entschweben.

Aus dem unheilschwangern Hier,

Wo ihm Leben ward zum Beben,[172]

Will er dort hinauf, zum Licht,

Wo die Macht der Furie bricht,

Und der Reue wird vergeben!


Elvire wendet sich, mit einem Blick auf die Uhr, entschlossen und rasch zum Abgehn.


Warum willst du von mir gehen?

ELVIRE innerlich bewegt.

Sehen – küssen meinen Knaben.

HUGO.

Thue das, und – – lebe wohl!

ELVIRE.

Nein, noch nicht. Bleib hier! Ich komme

Wieder, eh' die Glocke schlägt.

HUGO.

Was beginnst du?

ELVIRE.

Nichts.


Sie geht bis an die Thür, wo sie dem Knaben begegnet.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 2, Braunschweig 1828, S. 169-173.
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