Vierte Scene.

[38] Irma. Asla. Erichson. Später Frauen der Königin. Zuletzt Jarl.


ERICHSON.

Vergönnt ihr, Herrin, zu berichten?

IRMA.

Redet!

Was ist geschehn? Eu'r Auge scheint verwirrt.

ERICHSON.

Ich komm' aus den Gruft-Hallen; das Gewitter

Hat Unheil angerichtet –[38]

IRMA.

Hat der Strahl

Gezündet? Brennt die Burg?

ERICHSON.

Nein, aber allzumal

Die Köpfe d'rinn, der Männer wie der Frauen,

Der Diener wie der Knappen: alle hat

Ein Wahn ergriffen, und ein furchtsam Grauen.

IRMA.

Ist's ihnen neu, des Blitzes Spur zu schauen

An heil'ger Stelle?

ERICHSON.

Herrin, in der That,

Man kann's nicht ohn' ein wenig – Frost erblicken.

Ein Blitz ist denn doch nur ein Wurf der Luft,

Der zünden kann, und einen Stein verrücken;

Der aber hat das schwere Eisenthor,

Das liegende, der königlichen Gruft

Gerissen aus den rost'gen Angeln, und

Hinabgeschleudert, daß des Todes Mund

Weit offen steht, als hungr' ihn; und ein Duft[39]

Von Moder ziehet aus der Tief' empor.

IRMA mit innerer Bewegung kämpfend.

Ein Zufall – schauerlich, und weiter nichts!

Doch der metallnen Särge sammtne Decken

Sind brennbar – steigt hinab.

ERICHSON.

Ich that's. – Wahrt euch vor Schrecken!

Ich sah bei'm rothen Schein des Fackellichts

Die Leiche König Ottfrieds –

IRMA.

Raset ihr?

ERICHSON.

Der nachgedrungne Haufe sah's mit mir.

Zerschmolzen hat der wunderbare Strahl

Des Eichensarges silbernes Gehäuse,

Zu Staub des Deckels Holz zermalmt, und offen,

Wie man dem Volk nach hergebrachter Weise

Die Königsleichen zeigt im Krönungssaal,

Liegt euer Vater da; doch ungetroffen,

Als ob Zerstörung nichts am Tod vermöchte.


Irma wankt.
[40]

ASLA zu ihr eilend.

Gott! meine Mutter!

ERICHSON zu einer von Irma's Frauen, die eben eintritt.

Springt der Fürstin bei!

IRMA in Asla's und der Dienerin Armen langsam sich erholend.

Wenn ich nur träume, oh, so weckt mich auf!

Das ist, Natur, nicht dein gemeiner Lauf,

Es faßt mein Haus der Arm der obern Mächte!

ERICHSON besorgt.

Ich bitt' euch, Herrin, schweigt, wie es auch sei.

IRMA außer sich.

Laßt mich hinab! Ich will den Vater schauen.

Er starb – ich sah ihn nicht – laßt mich hinab!

Um meinetwillen borst sein festes Grab –

Ich will ihn sehn.


Mehrere Frauen treten eilig durch die Hauptthür ein.


ERICHSON.

Nein, Königin, für jetzt

Steht ab davon! – Zurück, geschwätz'ge Frauen,

Auf eure Zimmer! Eure Thorheit setzt[41]

Die Wacht in Angst, und füllt die Burg mit Grauen.


Die Frauen entfernen sich.


Ich bitt' euch, Herrin, sammlet eure Geister!

Schon ist der Wahn des Burggesindes Meister,

Doch nur zur Hälfte kennet ihr den Grund.

Was auch geschah im stillen Reich der Leichen,

Das der Lebendigen bringt schlimm're Zeichen.

Die Grafen und die Herr'n von Egrösund,

Von Biörneland, und Nös, und Ourdal halten

Gewappnet vor der Burg.

IRMA.

Zur Mitternacht?

Was wollen sie?

ERICHSON.

Sie sind, nach ihrer Rede,

Als Kronvasallen, und als Reichsgewalten,

Durch Briefe, die Eilboten überbracht,

Vom König hergebannt zu Rath und Fehde.

IRMA.

Von Yngurd? Laßt sie kommen.[42]

ERICHSON.

Hohe Frau,

Mit eurer Gunst, das fordert Ueberlegung.

Das Burgvolk ist in fiebrischer Bewegung,

Wie schon gesagt. Ich muß gestehn, ich trau'

In solchen Augenblicken niemand mehr.

Die Knappen faseln von geschlagnem Heer –

Von König Yngurds Fall –

IRMA.

Gott! Ritter, tödtet

Nicht langsam mich! Empfingt ihr Kunde? Redet!

ERICHSON.

Die Silbe, Herrin, die ich weiß, und euch

Verschweige, mag die Hirnschaal' mir zersprengen.

Allein ihr wißt, wie manche noch im Reich

An Ottfrieds sogenanntem Sohne hängen,

Zumal die Reichsherrn. – Vorsicht ist das Beste.

Ich hab' den Ritter Jarl hinabgesandt,

Bei Fackelschein zu schaun die neuen Gäste,

Und ihre Briefe von des Königs Hand.

Sind diese richtig; so –[43]

JARL mit den Schriften eintretend.

Sie sind's. Die Herren

Vertrauten sie mir ohne Widerstreben,

Und hießen mich in eure Hand sie geben.


Irma empfängt dieselben und liest.


ERICHSON.

Ihr ließt sie ein?

JARL.

Von wenig Reisigen

Sind sie begleitet, und vor Wenigen

Braucht die bewehrte Burg sich nicht zu sperren.

IRMA.

Ich will sie sehen.


Jarl ab.


– Wird denn nimmer Ruh

In diesem Reich des Haders?


Zu Asla, welche diese Zeit über, in sich versunken, mit Arm und Haupt auf dem Piedestal einer Säule ruhte.


Asla! du

Bist nicht bei mir – Sei wach! Nimm Theil! Ich fühle,[44]

Daß Dinge nah'n, die Mitgefühl begehren.

ASLA mit dem Ausdruck des Selbstvorwurfs.

Ich sagt' es dir: ich kann's nicht mehr gewähren;

Was dich bestürzt, lockt mich, wie süße Spiele.


Sie nimmt die vorige Stellung, in welcher sie bleibt bis an das Ende der folgenden Scene.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 38-45.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Tai I Gin Hua Dsung Dschi. Das Geheimnis der Goldenen Blüte

Das chinesische Lebensbuch über das Geheimnis der Goldenen Blüte wird seit dem achten Jahrhundert mündlich überliefert. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Richard Wilhelm.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon