Fünfte Scene.

[45] Irma. Asla. Erichson. Nös. Egrösund. Biörneland. Ourdal. Hinter den Ankommenden Jarl.


NÖS.

Dem Herrn in Norweg Gut und Blut und Leib,

Der Tochter Ottfrieds Gruß und Ritterdienste.

IRMA.

Dank euch, erlauchte Herr'n, für Mann und Weib.

Stets rechn' ich, euch zu sehn, mir zum Gewinnste,[45]

Empfang' euch gern, wär's auch zur Geisterstunde.

EGRÖSUND anzüglich.

War's möglich, kamen wir am Morgen an;

Doch ist die Zeit nicht Yngurds Unterthan,

Und Weg und Wetter nicht mit ihm im Bunde.

IRMA mit vermehrter Würde.

Was bringt ihr mir von eurem Herrn für Kunde?

EGRÖSUND.

Wir kommen, sie zu holen.

IRMA.

Wie? ihr kenntet

Die Ursach nicht von diesen Briefen?

EGRÖSUND.

Nein.

Es wär' uns lieb, wenn ihr sie bald uns nenntet.

Es muß dem Reich verborgnes Unheil dräun,

Daß man so schnell vom West- und Süderstrande,

Wo wir gewacht, daß nicht der Däne lande,

Uns nach der Burg beschied mit Roß und Mannen.[46]

IRMA befremdet.

Wie, Grafen? Ihr erscheint mit Heeresmacht?

EGRÖSUND.

Ja.

ERICHSON zu Jarl.

Sperrt die Burg! Verdoppelt Wehr und Wacht!

Laßt niemand ein, und niemand auch von dannen!


Jarl ab.


OURDAL lacht.

Seid ihr bei Trost, Herr Erichson? Was macht

Ihr für Geschrei, als wär' der Feind vor'm Thor?

ERICHSON.

Ich bin der Burghort, Herr; man sieht sich vor.

OURDAL.

Wenn euch die Furcht vor unsern Fahnen plagt,

So könnt ihr sterben d'ran, eh' ihr sie sehet.

Wir sind voraus; bevor's nicht hell getagt,

Kommt nichts, was nicht in Meilenstiefeln gehet.

ERICHSON.

Steht's in dem Brief, das ihr so kommen sollt?[47]

EGRÖSUND.

Ja! so verstanden wir's: »Zu Rath und Fehde –«

Zum Rathe nur genügt Gedank' und Rede.

ERICHSON.

Kann seyn, und nicht. Was einer hat gewollt

Mit Wort und Schrift, erklärt er selbst am besten.

IRMA.

Bis Botschaft kommt von Yngurd, wird man euch

Begegnen, wie des Hauses liebsten Gästen.

ERICHSON.

Die man nicht fortläßt, wenigstens nicht gleich.

BIÖRNELAND stolz.

Ich nehm' es ernstlich, daß ihr uns verdächtigt.

Uns festzuhalten – wer hat euch ermächtigt?

Ihr seid der Burghort, wir die Reicheshorte.

Der Krone Norwegs sind wir zugethan

Kraft alter Urphed' uns'rer freien Orte;

Der König selbst empfängt den Lehenmann

Von Biörneland an seines Saales Pforte.[48]

IRMA besänftigend.

Bewaffnet Volk nur darf der Burg nit nah'n,

Das meint der Ritter, weiter nichts. Um Worte,

Ich bitt' euch höchlich, fangt nicht Hader an.

NÖS mit edler Haltung in Gestalt und Ton.

Der Stände Worte, Herrin, hatten Wucht

In König Ottfrieds, eures Vaters, Ohren,

Und – Ottfried war als Norwegs Herr geboren.

Doch Yngurd der erkorne Herrscher, sucht

Die Reichsgewalt bisweilen zu entbehren.

Er hält ein eignes Heer, das, stets gerüstet,

Im Frieden sich in's Haus des Bauern nistet,

Und, giebt es Krieg, um Sold und Beute ficht.

So war's bei Ottfried, eurem Vater, nicht.

IRMA.

Graf Nös!

NÖS.

Ihr thätet gut, ihn anzuhören.

Der König ist ein großer, tapfrer Mann,

Sein Name hebt des Normanns stolze Brust –[49]

Des edlen Willens ist er sich bewußt;

Doch scheint's – er will zu Zeiten, weil er kann.

So war er nicht, als er das Reich gewann.

IRMA.

Was wollt ihr mir? Soll ich des Königs Rechte

Entgegen seinen Unterthan vertreten?

NÖS nähert sich ihr, faßt ihre Hand und küßt sie mit gebognem Knie.

Ihn sanft zu leiten, darum seid gebeten.

IRMA tief bewegt.

Ihr trefft mein Herz, – Oh, daß ich es vermöchte,

Des edlen Leuen rasche Kraft zu zügeln!

Graf Nös, ich acht' euch hoch – kenn' euch durch eure

Gemahlin Bera, meiner Jugend theure

Gespielin. Seid mein Freund! Ihr seht die Wände

In eurer Fürstin nassem Blick sich spiegeln –

Nehmt meines Yngurd Sach' in eure Hände![50]

NÖS.

Es ist hier niemand, der ihr abhold wär.

IRMA.

Das machet mich nicht ruhiger. Vom Heer –

Als wär's verschlungen von der Erde Klüften –

Hab' ich seit sieben Tagen keine Mähr!

NÖS.

Der König lebt, das bürgen diese Schriften.

IRMA.

Die Briefe, Nös, sind älter, als mein Kummer,

Sie mehren ihn – sie deuten auf Gefahr,

Und Angstgebilde scheuchen mir den Schlummer;

Selbst die Natur –

NÖS.

Ihr ängstigt euch, fürwahr,

Um Dinge, die vom Kriege nicht zu trennen.

Der Weg ist weit, das Wetter rauh geworden,

Die Schluchten durch das Hochgebirg' im Norden

Sind voll von Schnee, der von den Gipfeln rollt –

Da hört das beste Rennthier auf, zu rennen,

Und später kommt der Bot', als er gesollt.[51]

OURDAL gutmeinend.

Laßt euch das lieb seyn. Kann er nicht herüber,

Der Bote; nun, so ist das Heer hinüber,

Und man kann sagen: Wir sind über'n Berg.

Wird auch einmal so'n Bote d'rinn begraben;

's ist besser, als ging's ganze Heer zu Grund,

Wie wir die traurigen Exempel haben.

IRMA geängstiget.

Ourdal!

OURDAL.

Ja, ja! Das ist nicht so ein Zwerg

Von einem Berge, wie sie einzeln, und

Gleich Buckeln auf dem Schilde, hier sich finden;

'ne Felskett' ist's mit düstern Schluchtgewinden,

Und hat der Feind die Päss' und Gipfel innen,

So steckt ein Heer, wie Fisch' im Netz, darinnen –

Von oben kommen Föhrenstämm' und Felsenstücke,

Und brechen haufenweise die Genicke

Ohn' Ansehn der Person – und Mähr' und Mann,

Feldherr und Knapp' kommt um; nicht einer kann

Dem bittern Tod als Todesbot' entrinnen.[52]

IRMA wendet sich von ihm.

Asla! Wach' auf! Hilf diese Qual nur tragen!

Yngurd ist todt! Du starrst mich an? so wild?

ASLA.

Es ist nicht wahr! – Der Ritter liegt erschlagen –

Zerschmettert! und weit von ihm liegt sein Schild.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 45-53.
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