Vierte Scene.

[71] Die Vorigen. Ein Ostländischer Krieger, unbewaffnet, eilig und verlegen.


DER OSTLÄNDER.

Vom Herzog Ostlands bring' ich Kunde,

Der mit dem Heer in König Yngurds Rücken

Gelagert war – Mög' euch der Sieg beglücken,

Wie ihn!

ALF.

Der Sieg? Dein Athem rauscht wie Flucht.

DER OSTLÄNDER.

So nennt's der Feind, der mit Verzweiflung sich

Um seinen Heimweg schlug; doch – Ostland wich

Nicht eine Spanne breit – bis –

ALF.

Spar' den Wind

In deiner müden Lunge, Siegesbote:

Der Herzog ist geschlagen![72]

DER OSTLÄNDER.

Herr, wir sind –

Da ihr's denn einmal wißt – wie Spreu zerstoben!

Doch Yngurd ließ Verwundete und Todte

Wie Sand am Meer zurück.

ALF.

Ich muß dich loben;

Du giebst zum Vorgericht des Leid's die Freude,

Und bringst den Trost als Nachkost auf den Tisch. –

Wie steht's um Arimbald?

DER OSTLÄNDER achselzuckend.

Stumm, wie 'nen Fisch,

Verließ ich ihn. Gerade mit der Schneide,

Und just am Hals – sonst wär's nicht Redens werth –

Traf im Getümmel ihn ein Norderschwert;

Doch sind, Gottlob, die Schmerzen schon vorüber.

ALF.

Todt?[73]

DER OSTLÄNDER.

Hein, der Arzt, spart' ihm Verband und Fieber.

ALF zu Gyldenbrog.

Habt ihr's gehört? Sein Blut komm' über euch,

Der listig zum Verrath ihn hat bewogen!

GYLDENBROG.

Ich gab den Rath, Herr –

ALF.

Ich hab' ihn vollzogen,

Doch nicht gebilligt; Alf ist nicht das Reich. –

Wohin zog Yngurd?

DER OSTLÄNDER.

Er entfloh nach Haus.

ALF.

Wie stark ist noch sein Heer?

DER OSTLÄNDER.

'ne Hand voll Leute,

Der Müh' nicht werth. Indessen hört' ich heute,

Er schrieb den Heerbann an die Reichsherrn aus.[74]

ALF.

Sie werden kommen?

DER OSTLÄNDER.

Einer meinte, ja;

Ein andrer, nein. Doch hab' ich auch vernommen

Von einem, der von Auslo wollte kommen –

Er log – allein er schwur, sie wären da,

Und stark, wie ihr, würd Yngurd euch begegnen.

ALF.

Nun, Gott sei Dank! so sind wir fertig mit

Verrath und List, und es wird Streiche regnen!

GYLDENBROG.

Ich bin bestürzt, Herr, daß sich's zugetragen –

ALF.

Ich hoch erfreut, daß es euch fehlgeschlagen.

Ihr hängt euch staatsklug an des Königs Schritt;

Der Feldherr Alf darf thun nach inn'rer Stimme.

Ihr wolltet mir den starken Löwen fangen;

Ich find' ihn frei, und in mir das Verlangen,

Zu messen meinen Muth mit seinem Grimme.[75]

Jetzt fürcht' ich nichts – nicht Yngurd, nicht das Meer.

Ich schäme mich des blinden Schreckes, der

In raschem Anfall meine Brust erschüttert.

DER KNAPP auf der Höhe.

Nennt ihn nicht blind, Herr! es ist in der That

Das Hauptschiff, das – ganz nah – gestrandet hat,

Und das der Wogen wilde Macht zersplittert.

ALF.

Wie? – Dennoch! – Siehst du nicht, daß Hülfe naht?

DER KNAPP.

Die ganze Flotte setzet Boot' in See. –

Auch dürft ihr um die Königin nicht sorgen –

Um Oskar nicht: ein leichter Fischerkahn

Hat beid' am Bord – er naht – sie sind geborgen.

ALF.

Sind sie's? und beide? Siehst du recht?

DER KNAPP.

Ich seh'

Das Weiß' im Auge, Herr, in solcher Näh'.[76]

Der Nachen tanzt zur Bucht – bald – jetzt – jetzt legt er an.

ALF.

Thut es den Schaaren kund, die uns umgeben.


Zu Gyldenbrog.


Ihr – leitet sie, daß wir sie hier empfangen.


Gyldenbrog verliert sich zwischen den Felsen im Hintergrunde; ein Theil des Gefolges zerstreut sich nach beiden Seiten.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 71-77.
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