Fünfte Scene.

[77] Alf mit dem Rest des Gefolges. Droll und Knaut. Brunhilde. Oskar. Gyldenbrog. Hinter ihnen Fischer und anderes Normännisches Volk.


DROLL hinter der Scene.

Juchheisa! Land, Land, Land! und Geld mit Haufen!

Nur mir nach, junger Fisch! hab' euch gefangen,[77]

Und weiß den Markt, wo ich euch will verkaufen.

STIMMEN außerhalb.

Dem König Oskar Heil und langes Leben!

ANDERE STIMMEN minder zahlreich.

Brunhilde lebe!

NOCH ANDERE sehr stark.

Alf und Oskar Heil!


Kriegerisch begrüßende Musik begleitet den dreimaligen Ruf.


DROLL unmittelbar vor Oskar auftretend.

Platz! Platz da! Platz! Jch hab' 'nen Delphin feil.

ALF entgegen gehend.

Seid mir gegrüßt auf Norweg, junger Aar!

OSKAR ihn umarmend.

Oheim!

ALF.

Seid mir in eurem Horst willkommen!

BRUNHILDE wirft sich an Alfs Brust.

Mein Bruder![78]

ALF.

Faßt euch; ihr seid schwer beklommen.

BRUNHILDE.

Mit Müh' noch trenn' ich das, was ist und war.

Der See Geheul, des Schiffes wildes Schwanken,

Dröhnt nach in mir, und wirbelt die Gedanken. –

Doch fühl' ich Land – Land unter meinen Füßen;

Ich seh die Felsen – rauh, doch minder hart,

Als ihr, Normannen, eurer Fürstin wart –

Und knieend will ich, küssend, sie begrüßen.


Sie wirft sich am Fuße der nächsten Anhöhe auf die Knie.


ALF tritt zu Oskar, welcher mit dem Ausdruck des Trübsinns im Vordergrunde steht.

Erholt euch, Neffe; zeigt dem Volk, dem Heer,

Ein Antlitz, hell, wie Muth und frohe Mähr!

OSKAR.

Wie könnt' ich, Ohm? – Mich zogen diese Küsten

Mit unsichtbaren, sanften Banden an.

Wie Kinder träumen an der Mutter Brüsten,[79]

Träumt' ich von Norweg, seit ich denken kann. –

Wie anders find' ich's! Mit verworrnem Sinn

Betret' ich der ersehnten Heimath Boden,

Und kann der Ahnung nimmer mich entschlagen,

Daß ich in Norweg nicht willkommen bin.

ALF.

Es ist ein Nachklang von gerechtem Zagen;

Ihr saht die Pforten von dem Reich der Todten.

OSKAR.

Das Aerg're sah ich, Ohm. Ich sah das Leben

So ungeheu'r im Preise steigen, und so tief

Im Werthe fallen, daß dem Tod ich rief,

In seinen Armen Freistatt mir zu geben.

Ich sah zerreißen aller Ordnung Bande,

Das Mitleid sterben in der Brust; zu Bären

Die Menschen werden um ein schmales Bret,

Und Söhne Vätern Kahn und Balken wehren.

Mir ist nicht wohl mehr, wo ein Athem weht

Von Menschenlipp', und Mensch seyn, dünkt mich Schande.

ALF.

Was ihr gesehn, ist eine gute Lehre[80]

Für Könige. Bewahrt das Volk vor Noth,

Sonst wird das Reich ein scheiternd Schiff im Meere,

Wo niemand wird gefürchtet, als der Tod.

Beglückt das Volk, und, wie der Feind auch droht

Ihr seid geborgen vor des Neides Rache.

KNAUT der sich nach und nach genähert.

Das heißt geredt! Herr, ihr versteht die Sache.

ALF.

Wer bist du, Freund?

KNAUT.

Ein armer Küstenmann,

Der die da mit gerettet auf dem Kahn.

ALF.

Nenn' deinen Lohn.

KNAUT den Blick fest auf Oskars Gesicht gerichtet.

Gebt meinem Vetter Droll

Soviel ihr denkt, wir theilen uns dann wohl.

ALF auf Droll deutend.

Zufrieden will ich diesen Fischer wissen.


[81] Gyldenbrog spricht leise mit einem aus dem Gefolge, welcher mit Droll sich entfernt.


KNAUT wie vorhin.

Dem Knaut vergönnt, des Ottfried Hand küssen.

ALF.

Sein Nam' ist Oskar.

KNAUT.

Ottfrieds das Gesicht!

Meint ihr, der Knaut sah König Ottfried nicht?

Ich war dabei, als er vor funfzig Jahren

Den Kroneid that vor'm Volk in Auslo's Burg.

So sah er aus, wie der da, grade so –

Nur war die Miene damals anders – froh!

Und Norwegs Fürstenband in seinen Haaren.

So wie ich den sah, fuhr mir's durch und durch.

Droll, sagt' ich, soll der Schwarze mir das Maul

Mit Pech versiegeln, und 'nen Schwefelknaul

Aus meinen Därmen machen, ist das nicht

Des alten Königs junges Angesicht.


Brunhilde ist aufgestanden, und nähert sich mit steigendem Antheil.
[82]

Der Vetter Droll hat Ottfried nicht gekannt;

Doch traf sich's just, daß er des Herrleins Hand

Ergriff, und in und aus dem Kahn ihm half. –

Die Ehre möcht' ich denn doch auch –

OSKAR ihn umarmend.

Empfange

Des Dankes Kuß auf der gebräunten Wange.

KNAUT.

Ach Gott in deine Höh'! – Herr König Alf!

Auch das Gemüth des Ottfried, ganz und gar –

Will ich des Teufels seyn mit Haut und Haar,

Wenn das ein Bastard ist!

BRUNHILDE.

Der erste Zeuge

Auf diesem Strand für meines Bettes Ehre.

Daß Norweg ihn, daß ihn der Welttheil höre,

Und schamroth die gemeine Läst'rung schweige

Vor dieser Bürgschaft aus gemeinem Munde!

Normann und Dän', ihr liebt mich nicht, ich weiß.

Ihr nennt es Herrschbegier, nennt's Weiberwuth,

Was heiß mich macht auf König Yngurds Blut. –[83]

Du selber, Alf, bist ewig kalt, wie Eis,

Für meinen Schmerz – in feierlicher Stunde

Ruf' ich euch auf: Hört meines Busens Kunde:


Ausdruck der Aufmerksamkeit und Neugier unter den Anwesenden.


Als König Ubo überwunden war

Von Ottfrieds Weisheit und von Yngurds Muthe,

Entglomm ein Funk' in Ottfrieds Greisenblute,

Und – Ubo bracht' ihm mich zum Opfer dar.

Wohl saht ihr Dänen, daß es mich betrübte;

Doch nicht das Aergste wußtet ihr: ich liebte

Und wie ich schiffte von der Heimath Strande,

Stieß er das Schwert sich in die treue Brust,

Und ging hinüber zu dem bessern Lande.

ALF erschüttert.

Unglückliche! Das war mir nicht bewußt.

Graf Egloff

BRUNHILDE mit Würde.

Er ist todt. – Ihm widerfuhr,

Was er verdient mit sträflichem Beginnen.

Der Knecht soll nicht um Königstöchter minnen,

In ihrer Brust nicht wecken die Natur,[84]

Die menschliche, der sie entsagen müssen.

Mit starkem Herzen, Hartes auszustehn,

Hat Gottes Huld vorsehend mich gerüstet.

Nie hat nach Liebe wieder mich gelüstet,

Und –


Mit unsicherer Stimme.


ruhig hab' ich Irma's Glück gesehn!

Doch sie hat mir des Opfers Preis entrissen!

Mich, und mein Kind, und ihres Vaters Bette

Gelästert mit dem Wort, wie mit der That –

Vom Nord- zum Südpol blüht der Lüge Saat,

Und nichts ist, was Brunhildens Ehre rette;

Wird diese Schrift hier: »König Ottfrieds Sohn« –

So leserlich von der Natur geschrieben,

Nicht ausgestellt auf König Ottfrieds Thron.

OSKAR.

O, theure Mutter, muß ich dich betrüben

Mit dem, was tief in meiner Brust sich regt?

In Oskar ist nicht Königssinn gelegt,

Sein weiches Herz kann leiden nur, und lieben.

Ihr unterwiest mich, Ohm, im Werk der Fehde,

Ihr lehrtet mich der Waffen rauhes Spiel;[85]

Die Lust der Jagd auch mußt' ich mit euch theilen,

Und hoch zu Roß das flücht'ge Wild ereilen:

Ich that es treulich, weil's euch so gefiel.

Doch tief verwundet mich die Schmeichelrede,

Die von den Lippen eures Hofes quillt.

Bin ich ein Ritter? Leichter ist mein Schild,

Als jeder andre – leichter Schwert und Lanze –

Mein Roß gezähmt – geübt im Waffentanze

Von fremder Hand. Ich jage, kämpf' – und fühle

Mit heißer Wange, daß ich kindisch spiele.

ALF.

Erwartet, Neffe, von der Jahre Lauf,

Daß er die Kraft mit dem Geschick vermähle.

OSKAR.

Oh, glaubt das nicht! Das Leben meiner Seele,

Das inn're Leben, zehrt mein Leben auf.

Nach außen strebt in eurer Thatenwelt –

Nach außen stets das gierige Beginnen;

Was mir an Kraft ward, wendet sich nach innen,

Und unter Skalden nur bin ich ein Held.

In einem Reich von Bildern und von Tönen[86]

Ringt Geist und Herz dem Großen nach, und Schönen,

Und meine Thaten sind eng un Thränen.

Traut dem Gefühl, das mir im Busen schleicht:

Die schwache Pflanz' aus spät gesä'tem Kern

Bringt nimmer Frucht auf diesem niedern Stern.

Wenn sie erschöpft sich hat in bunter Blüte,

Wenn ihre Kraft in Farben still verglühte,

Senkt sie das Haupt – vielleicht von selbst – vielleicht

Von rauher Hand, vom Hauch des Nords berühret.

D'rum bitt' ich euch, laßt alles, wie zuvor!

Bin ich ein König für das Volk des Nor,

Das mühsam Yngurds Löwenkraft regieret?

Wollt ihr den Riesen tödten, und ein Kind

In seine ungeheure Rüstung stecken?

Auf hohem Berg die Ceder niederstrecken,

Die kaum das Haupt beugt im Gewitterwind,

Und eine Lilie pflanzen an die Stelle?

Du, Mutter, hassest Yngurd –

BRUNHILDE.

Wie die Hölle![87]

OSKAR.

Ich lieb' ihn nicht; doch seiner Thaten Bild

Steht groß vor mir – groß, wie der goldne Schild

Der Sonn' im rothen Dunst am Himmelssaume.

An Odin ragt er auf in meinem Traume –

Laßt mich – ihn sehn!

BRUNHILDE.

Sehn? Ihn? Bist du von Sinnen?

OSKAR.

Ja, laßt mich zu ihm! laßt es mich beginnen,

Sein Heldenherz dem Frieden zu gewinnen –

Schickt eine Botschaft ihm, und laßt mich mit!

BRUNHILDE.

Unseliger! Tod brächte dir de Schritt;

Für dich, aus Yngurds Burg, wär kein Entrinnen.

OSKAR schwärmerisch.

Doch lockt's mich hin, wie der Gesang der Schwäne,

Die scheidend nach der bessern Sonne ziehn,

Den Wand'rer anregt, daß er heim sich sehne.

Dort – flüstert's in mir – wird die Pflanz' erblühn –[88]

Auch brechen wohl – und dennoch lockt's mich hin.

Die Auslo'sburg – nie hab' ich sie gesehen,

Niemand beschrieb sie mir; doch ihre Hallen stehen

Vor meinem Geist in schauerlicher Pracht.

Ich bin zu Haus in den Gemächern, wo

Die Schwester wohnt, wo ihre Kleine – nun

Wohl Jungfrau schon – mir hold entgegen lacht.

Oft war ich träumend dort, und glücklich – selig-froh!

Auch da, wo Vaters heil'ge Reste ruhn,

Bin ich bekannt; und – noch ist ein Gemach,

Ein enges, das den Busen mir beengt,

Und das, nach Westen zu, hinausgebaut,

Auf Felsenzacken über'm Wasser hängt.

Oft hab' ich schwindelnd da hinabgeschaut –

Und fiel im Traum, und ward beklommen wach.

Doch eben dahin lockt's mit Schwanes Singen –

Laßt mich nach Auslo Friedensbotschaft bringen!


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 77-89.
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