Vierte Scene.

[119] Die Vorigen. Yngurd, von Biörneland und Marduff begleitet. Späterhin ein Knappe von Ourdals Schaar.


STIMMEN im Hintergrunde.

Der König naht! – Der König! – Yngurd!

YNGURD noch nicht sichtbar, mit lautdonnerndem Befehl.

Halt! –


Die Flucht steht. Zu beiden Seiten weicht alles zurück. Er tritt rasch auf.
[119]

Die Erde Norwegs schlingt euch ein, ihr Memmen,

Beim nächsten Tritt. – Seht ihr die Felsen nicht,

Die eurer Angst sich kalt entgegen stemmen,

Und kahl, mit kreideweißem Angesicht,

Des euren Farbe fratzenhaft verspotten? –


Ruhig und fest.


Yngurd ist unter euch – zu neuer Schlacht.

Die Tapferkeit ist hier der Uebermacht

Gewachsen. Der Brunhilde tolle Rotten

Bezwang der eigne Rausch, sie weichen,

Und Egrösund macht aus Betrunknen Leichen.

Ihr, Biörneland, steht nur dem König nach

Im Rang, und seid ihm gleich an Scheu vor Schmach:

Besetzt die Höh'n zur Linken. Ich erhebe

Im Raum euch, weil ich's anders nicht vermag.

BIÖRNELAND.

Vorwärts, Normannen!

BIÖRNELANDS HEERHAUFE.

Vorwärts! Yngurd lebe!


Abzug des Heers mit klingendem Spiel. Yngurd kommt vor.
[120]

DIE FLÜCHTLINGE, im Vorgrunde, schüchtern.

Der König lebe!

YNGURD.

Unvernünftig Vieh!

Und nicht einmal Vieh; denn das Vieh selbst lebt,

Weil es bei'm Fraß nicht vor der Schlachtbank bebt:

Es stürb' vor Hunger, wenn's an's Messer dächte.

Liebt ihr das Leben – würdet ihr gern alt.

So rath' ich, macht euch eilig in's Gefechte.

Die Furcht hat euch so kalkig angemalt,

Daß ihr den Tod bereden könnt, ihr wärt

Gemachte Arbeit. Wenn ihr heimwärts kehrt,

Könnt' euch die Schaam die Backen anders färben –

Dann denkt der Tod, ihr lebt, und ihr müßt sterben.


Die Flüchtlinge folgen Biörnelands Heerhaufen, bis auf Kurl.
[121]

KURL vor sich.

Verdamm' mich Gott, er hat ein Schwert im Munde!


Er tritt rasch den König an.


Her, habt ihr nichts zu thun, wobei man stirbt,

Daß ihr's erfahrt, und daß man Ruhm erwirbt?

YNGURD.

Daran fehlt's nie. Vor einer Viertelstunde

Sah ich Graf Ourdal dort die Dänen jagen;

Er ist getrennt vom Heer; willst du was wagen,

So wag' die Haut, und bring' dem Grafen Kunde.

KURL.

Wie lautet sie?

YNGURD.

Narr! Sag' ihm, was du siehst,

So hier als unterwegs. Dann mag er denken

Mit eignem Hirne, was zu machen ist;

Hauptleute kann ich nicht am Laufzaum lenken.

KURL.

Wenn ich nicht wieder komme, Herr, so merkt

Den Namen, Kurl; so heiß' ich.


[122] Geht ab.


YNGURD.

Nös! Verstärkt

Den Egrösund; es kam mir vor, als ob

Brunhild' ein Netz für diesen Sundfisch wob. –

Ein Netz, versteht ihr mich? Die Küstenherr'n

Sind halb des Königs nur, sie treiben gern

Auch mit dem Feinde Handel und Geschäft.

NÖS.

Wenn ihr euch irret im Verdacht; so trefft

Ihr desto besser im Vertraun. Ich eile.


Er geht in den Hintergrund. Bald darauf Abzug seines Heerhaufens auf der linken Seite.


YNGURD winkt Marduff bei Seite ganz in den Vorgrund.

Du, Marduff, nimm das schnellste Roß, berichte

Die Königin, daß sie nach Dofre flüchte

Mit allen Schätzen, heut noch, sonder Weile.

MARDUFF.

Wie, Herr? Du fürchtest –

YNGURD.

Fürchten? Niemand als

[123] Den König


Er deutet gen Himmel.


und den Teufel allenfalls.

Doch gegen diesen unzählbaren Schwarm

Kann ich das Feld nicht halten hier im Süden

Mit meinem Heer.

MARDUFF.

So ruf' das Volk zum Streit,

Es liebt dich.

YNGURD.

Thor! Das Volk liebt gute Zeit,

Zehn Könige giebt's hin für Einen Frieden,

Und für den Yngurd hebt's nicht einen Arm.

Mag eine Zeit Auslo des Dänen seyn;

Norweg ist lang, ich will ihn schon ermüden,

Und eh er's denkt, ist Auslo wieder mein.

ASLA hat unbemerkt den Sprechenden sich genähert.

Du irrst; so lang' du lebest, bleibt es dein.

YNGURD überrascht.

Wie? Du noch hier, mein Kind?

ASLA.

Ich bitt', erschrecke[124]

Die Mutter nicht mit dem Gebot. Du siegst!

YNGURD.

Seltsam! – Bleib, Marduff! Asla, wenn du lügst;

So gnad' mir Gott, daß ich den Teufel necke.

Die Zuversicht macht Schlimmes meist noch schlimmer;

Doch dieser Blick, dieß fremde Schlachtgelust,

In solcher zarten, jungfräulichen Brust –

Mir ist, als wär' dir mehr, als mir bewußt,

Und Aberglaube läßt vom Kriegsmann nimmer.

EIN KNAPP tritt auf im Vorgrunde.

Herr, Irma naht dem Heere sich zu Roß.

YNGURD.

Wer? Sahst du selbst –

DER KNAPP.

Sie hält auf jenem Hügel

Am Auslo'sweg. Ein Knecht aus ihrem Troß

Frug nach dem König, und mit schlaffem Zügel

Jagt' er zurück, hieher sie zu geleiten.[125]

YNGURD vor sich.

Will Satan hier 'nen Weiberzank bereiten

Statt einer Fehde? – Ritter Erichson!

Ihr habt vernommen, wie die Sachen stehen.

Was zu dem Reichsvolk ist, habt ihr gesehen;

Ich kann nur baun auf meine eignen Schaaren,

Und ging zurück, für's Letzte sie zu sparen.

Dorthin begebt euch, Alter. Wie ein Sohn

Liebt jeder Knapp' euch. Weist sie zur Geduld,

Bald zahlt der Sieg dem Muthe seine Schuld.

Ermüden nur die Heldin von der Spindel

Soll vorn im Feld der Flachs von Reichsgesindel;

Spinnt sie ihn fleißig auf vor Nacht, wohlan,

So mag sie diesem Steingethürme nahn!

Im Felsenthor von Norweg auf das Beste

Empfangen wir die ungelad'nen Gäste.

Bewacht des Feindes Thun, und laßt mir's melden,

Wenn's Zeit ist, daß ich komme. Ich bin gern

Vor der Gefahr vom Heere scheinbar fern;

Des Königs Ankunft macht den Knecht zum Helden

Im Augenblick, wo's gilt. – Nehmt Marduff mit,[126]

Zum Flug wird unter ihm des Rosses Schritt,

Er sei der Bote.


Erichson geht mit Marduff und allen noch anwesenden Knappen im Hintergrund ab.


ASLA.

Auf die Felsenstufen

Klimm' ich zurück, zum Siege dich zu rufen,

Den, unerklärbar wechselnd, meine Brust

Begehrt und scheut, durchströmt von Schmerz und Lust.


Sie ersteigt den Felsen.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 3, Braunschweig 1828, S. 119-127.
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