Fünfzehnter Auftritt.

[33] Die Vorigen. Schreiner Leimpfann.


LEIMPFANN. Allerseits gun Owend!

CAPITAIN UND MEHRERE ANDERE. Gun Owend Herr Leimpfann.

LEIMPFANN. Keller – Junfer Liesi wollt ich sage, e Partion Speensau un e Schoppe Wein, awwer aach e Salvet, wann ich bitte derf. Se kenne se anrechne Herr Kabbedehn.

CAPITAIN. Liesi, Alleh dutzwitt, wo stickt dann die Gretche?

LIESCHEN. Sie hot ja die Woch die Woch in der Kich!

LEIMPFANN. No! was sage se dann derzu, der Herr Fennerich Zipper is gestorwe; ich mache de Leichtkorb for ihne.

EPPELMEIER. Mer wisse's schond. Awer es hähßt die Fra Fennerichin wehr aach krank.

LEIMPFANN. Vor mir – die is es ewens die de brave Herr Fennerich geliwert hot, mit ihrer osige Schward. Hot se mer net ewe e Maul angehenkt, wie ich des Moos zum Leichtkorb genumme hab, weil ich die Fieß net am Kratzeise abgebutzt hab.

DAPPELIUS. Ja! in dere Fra stickt viel ze viel Vornehmigkeit. Ich wollts er awer austreiwe, wann ich ihr Mann wehr.

SCHMUTTLER. Ja, die Weiwer hawe den Deiwel im Leib mit Vornehmduerei; mer kann se gar net korz genug halte. Des geht in ähm fort – – bald e mohl noch Bernem, bald e mohl noch Owerrod, bald e Collegbahl, bald e Mittwochsbunnemang. Des kennt mern noch nochsehn; awwer dann soll der Mann for de Staat derzu sorje, do misse se Schleier, un englische Hiterchern hawe, un Feddern druff – dann hähßts, liewer Mann kaaf mer doch e poor Halbstiwel un en altdeitsche Riddekiehl, un wie se des Deiwelszeug nochenanner hähße.

EPPELMEIER. Ja, for die Lumbereye kennt e ordentlicher Mann manche Schoppe Wein trinke![34]

LIESCHEN. Fuy Deiwel, scheme se sich, so ze redde Herr Eppelmeier!

EPPELMEIER. Spas! Spas! pure Spas! Awer heint Junfer Liesi, misse Se ins Comedi gehn, zwä Sticker for ähns.

DAPPELIUS. Des is nix! Letzt hawe se ämohl finf uff ähn Awend gespielt, groß und klähn dorchenanner.

LIESCHEN. Do hot mer aach wos for sein Geld!

KNORZHEIMER. Nä; awwer heint solls scheen wärn!

SCHMUTTLER. Es reit gewiß ähner uff em Gaul?

EPPELMEIER. Oder hot der Deiwel den ohsige Barbelehmacher von Wien widder do?

DAPPELIUS. Nä! Se wern e recht Schaustick mit Verwannelunge uffihrn.

EPPELMEIER. Was heint gewe werd is e Singstick.

LIESCHEN. Wie häßts?

EPPELMEIER. Wann mer recht is: Der Kalif von – von Bacherach.

LIESCHEN. Ha, ha, ha, Sie mähne den Kalif von Bagdad, des is schond uralt. Und des anner?

EPPELMEIER. Des is e traurig Schauspiel, des is der Babelino, der große Apetit. Alle lachen.

LIESCHEN. Daß sie alles verkehrt lese misse. Abällino der große Bandit häßts –

EPPELMEIER. Ich hab mich nordst verredt. Erre is menschlich; humanium, erarium est.

SCHMUTTLER. Dausend Dunner, der Eppelmeier redt Lateinisch!

EPPELMEIER. Des will ich mähne, ei eh zwä Johr vergehn, redt alles lateinisch. Der dritt Mensch, dem mer uff der Gaß begegne duht is jo e Adfekat. –

CAPITAIN. Odder e Doktor Medikus.

EPPELMEIER. Die Theologisch Facilität is aach iwersetzt.[35]

DAPPELIUS. Fakeleteet, wolle se sage. Mein Sohn werd einstens studirn, awer kähns von dene drey. Er genießt e schlecht Gesundheit, un do soll er die Sach net ze heftig angreife. – Ich loß en sich uff die Dippelematick werfe.

SCHMUTTLER. Des is aach so e Gedippels!

KNORZHEIMER. Muß er dann studire? kann er kän Handwerk lerne!

CAPITAIN. Sie heerns jo! Herr Knorzheimer, er genießt e schwächlich Gesundheit.

KNORZHEIMER bei Seite. E scheen schwechlich Gesundheit, frißt alle Morjend en Schweinehaschpel zum Frihstick.

EPPELMEIER. Dorin liegt ewens des Unglick der Staate, daß käner kän Profession mehr lerne will. Ich losse mein Sohn inzwische er viel Anlage hot, nicht studire aus pure Grundsatz, dann Ehr un Emter stehn em doch uff; un hot mer net Beispiel von Exempel, daß ähner noch so viel studirt hot, un is nix worn, un e annerer, der gar nix studirt hot der hots weit gebrocht?

DAPPELIUS. Redde Se mer nicht do dervon, Herr Eppelmeier! Wos mecht dann eme Vatter die greeßte Frähd, als wann sein Herr Sohn von der Undenverschendeht zerick kimmt un hat brumlefiert? Ich hab dasjenige an dem meinige Elteste erlebt. Der hot dorch sein Studirn sein Vatter, und sogar Doktern, die schond zwanzig Johr braclizire, an Verstand iwertroffe.

CAPITAIN. Ah wos! wann ähner kähn Verstand mitgenomme hot, so werd er aach kähn widder mitbrenge. Do is jo gleich der Dokter Katzeaag, des is nu e gratelirt Persohn, der mecht des Dags die scheenste Schriffte, un Owens, wann er hieher kimmt, redt er so dumm, wie en Oos. Un Zeug mache se jo mit dem verrickte Hofrath, ärger als wie die Buwe mit dem narriche Wolf. –

DAPPELIUS. Sein se fertig Herr Leimpfann? Wohl bekomms![36]

MILLER. Gott seegens Ihne Herr Leimpfann! Ich winsche viele folgende.

LEIMPFANN. Danke, Herr Miller! Breng er mer emohl mein Pfeif. Tuwack hab ich kähn, ich wärn mer awwer vom Herrn Eppelmeier seim Kräitge ausbitte.

EPPELMEIER. Mit Vergnige! avec bocco Blesi, segt der Franzos. Reicht ihm den Tabak hin.

DAPPELIUS. Ah! vous barl france, Musjé Eppelmeyer.

EPPELMEIER. Oui Mussje aussi in pé (un peu).

CAPITAIN. Langsam, meine Herrn, Sie hawe ja erscht annerthalbe Schoppe, do redd mer noch kän franzeesch dervon.

KNORZHEIMER. Mit Verlaab, gewe Se emohl des Blettge Herr Kabbedehn.

CAPITAIN. Miller hol er emohl des Blettge.

MILLER. Do is es, Sie wolle gewiß die erneuerte Offebächer Worscht-Verordnung von anno 1648 nachsehn?

KNORZHEIMER. Nä! Es duht gewiß e sehr scheen Dodes-Anzeig von dem Herr Fennrich Zipper drinn stehn: Erlawe Se nor en Ageblick, bis ichs uffgesucht hab. Indem er in dem Intelligenz-Blatt blättert, spricht er folgende Anfänge einzelner Sätze in einem brummenden Ton vor sich hin. Bekanntmachung – nix – Prelusiv – nix – Alle diejenigen, welche an den verstorbenen hiesigen Bürger – – nix – Zur Heilbronner Bleiche – der Schornsteinfeger Milz – nix – In der Debitsache – hochlöbl. Recheney-Amt nix – Ein solides Frauenzimmer, nix; zwei kupferne Brantweinkessel – Ich warne hiermit Niemand auf meinen Namen – Dodesanzeige, do is es! – Ich wärn se Ihne vorlese.

CAPITAIN. Uffgebaßt! Er setzt die Brille auf um besser zuzuhören.

KNORZHEIMER lies. »Mit dem innigsten Dankgefühl, und nicht ohne Schmerz über den harten Schicksalsschlag, der ihn aus unserer Mitte zu jenem bessern Leben riß, zeigen wir einem verehrten Publikum an, daß am 6ten dieses Nachts um 10 Uhr mein theurer Gatte, wie auch Fähnrich des löblichen 15. Quartiers und[37] Handelsmann dahier, an den Folgen einer Magenschwäche, die viele Jahre schon an seiner irdischen Hülle genagt, sein thatenreiches Leben und Dasein endigte. Wer den Seeligen kannte, wird nicht ohne Schmerz die Leutseeligkeit seiner Gestalt, sich ins Gedächtniß zurückrufen, und ohne den gefühlreichen Gedanken in seinem Herzen aufkeimen zu lassen: O! lebte doch der Edle noch! – Was er uns war Gatte, Vater und dem Quartier als Fähnrich, das suche ein jeder seiner Mitbürger in seiner eignen Brust. Unser Schmerz aber verkriegt sich in unsere blutenden Herzer. Ruhe seiner Asche!

Zu gleicher Zeit machen wir hiermit bekannt, daß die Wittib des Entschlafenen, vor wie nach, das Spezerey-Geschäft fortführt und um geneigten Zuspruch bittet, besonders empfiehlt sie, die von sich selbst sich empfehlende Kernseife,«

Anna Barbara Zipperin

Fehnrichin.


Peter Heinrich David Zipper,

Johann Hartmann Zipper,

Jesaias Joachim Zipper,

Thekla Euphrosina Zipper, Die vier ungezogene Kinder des Verstorbenen.


CAPITAIN. Scheen, sehr scheen! kenne se mer net sage wer die Dodesanzeig gemacht hot?

KNORZHEIMER. Der Candedat au der Dollkerch.

CAPITAIN. Der soll mer aach mein mache, wann ich sterwe – Man hört auf der Straße »Feuer!« rufen.

LIESCHEN. Herr Jeche! es brennt!

CAPITAIN zum Fenster hinaus. Wo?

EINE STIMME auf der Straße. Hinnerm Pandhaus!


Die Gäste springen von ihren Sitzen auf, einige leeren eiligst noch ihren Schoppen. Sie laufen durcheinander, suchen ihre Hüte, vergessen zu bezahlen und wollen orteilen.


CAPITAIN. Bleiwe Se, meine Herrn! Es werd wahrscheinlich nor e blinder Lerme sein. Gucke Se, es is nix wie[38] Beckerraach! Die Gäste kehren um und wollen bezahlen. Dann so lang ich noch net sterme hehr, so lang glaab ichs net.

LIESCHEN am Fenster. Ach! der Himmel ist Feuerroth!

CAPITAIN. Stermts?

LIESCHEN. Ja Vatter, wanns nor net – –

CAPITAIN. Schwei – Still e bißi. Jeder der Anwesenden bleibt unbeweglich stehen und horcht, man hört die drei Schläge der Sturmglocke, bei dem letzten Schlag rennen alle Gäste zur Thür hinaus. Millerche mein Muntur!


Quelle:
Carl Malß: Volkstheater in Frankfurter Mundart. Frankfurt a.M. 31884, S. 33-39.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Rameaus Neffe

Rameaus Neffe

In einem belebten Café plaudert der Neffe des bekannten Komponisten Rameau mit dem Erzähler über die unauflösliche Widersprüchlichkeit von Individuum und Gesellschaft, von Kunst und Moral. Der Text erschien zuerst 1805 in der deutschen Übersetzung von Goethe, das französische Original galt lange als verschollen, bis es 1891 - 130 Jahre nach seiner Entstehung - durch Zufall in einem Pariser Antiquariat entdeckt wurde.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon