Elisas Geburtstag

[51] To each his suff'rings: all are men,

Condemn'd alike to groan,

The tender for another's pain;

Th'unfeeling for his own.

Gray.


1779.


Dein gedenk' ich, o Freundin, mit Thränen des Danks und der Freude,

Dein mit Gefühlen der Ruh',

Hier auf dem schwellenden Rasen, beschattet vom blühenden Kirschbaum,

Wo, bei der Nachtigall Lied,

Jüngst dein weinendes Auge sich hellte, wo uns des Abends

Freundlicher Schimmer umfloß,

Ach! und begrüsse mit Himmelsempfindung den Morgen des Tages

Welcher der Erde dich gab.

Ruhig fliesse mein Lied und sanft, wie dein Leben, du Edle,

Wenn, am errungenen Ziel,

Einst die lohnende Mirthe dich kränzt und die Liebe zum Eden

Dir deine Pfade verschönt.

Als die erste Freudenthräne der redlichen Mutter

Ueber die Wange dir rann,

Als zum erstenmal ihr Arm, mit süsser Entzückung,

Um die Erflehte sich schlang:[51]

Siehe! da tönte das Lied der Engel aus leuchtenden Wolken,

Dich zu begrüssen, herab!

Schwester nannten sie dich und Bürgerin seliger Welten,

Weihten der Unschuld dein Herz,

Stimmten zum lautersten Einklang mit Gottes Natur deine Seele,

Gossen für Alles, was groß

Gut und erhaben und schön ist, dir Flammengefühl in den Busen,

Bildeten sorgsam den Keim

Zum beglückenden Wonnegedanken: daß Freundschaft und Liebe

Jenseits der Grüfte noch blühn.

Also begannen die Söhne des Lichtes, vereint mit der Harfe

Bebendem Silbergetön:

»Schwesterseele, willkommen auf Erden, holdseliges Mädchen,

Sei uns mit Wonne gegrüßt!

Sanft umwölkt sich dein Auge voll Unschuld am Busen der Mutter;

Ahndet, Geliebte, dein Herz

Schon in der Morgenröthe des Lebens die Stürme des Mittags?

Zittert ein dämmernd Gefühl

Jener nächtlichen Tage des hofnungslosen Ermattens,

Unter der beugenden Last

Unverschuldeter Schmerzen der Zukunft, dir bang durch die Seele?

Dornicht und rauh ist der Pfad,

Den die ewige Liebe dich leiten wird, aber am Ausgang

Schimmert die Krone des Lohns.

Unschuld, Einfalt und Liebe, und jede gefällige Tugend

Schmücke, Geliebte, dich einst!

Dann wird voll Hofnung und Ruh' und siegender Kraft, deine Seele

Mitten im Thale der Nacht,

Wo kein leitendes Sternchen dir funkelt, die Vaterhand segnen

Welche durch Wüsten dich führt.

Darum wandle voll göttlichen Friedens der Zukunft entgegen!

Eh' noch dein Mittag sich neigt,

Wird der Stürme Getümmel in Hauche des Frühlings sich wandeln,

Wird deines irdischen Laufs[52]

Blumenumduftete Bahn in rosige Schimmer sich kleiden,

Und, in Gefilden der Ruh',

Dir dein Leben, durch jedes Entzücken der Tugend verherrlicht,

Heiter und lächelnd entflieh'n.

Eile, wir flehen voll Sehnsucht, o eil' im Wechsel der Jahre,

Selige, selige Zeit!

Schwesterseele, willkommen auf Erden, holdseliges Mädchen,

Sei uns mit Wonne gegrüßt!«

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 51-53.
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