Die Gnomen

[225] Des Tagscheins Blendung drückt,

Nur Finsterniß beglückt:

Drum hausen wir so gern

Tief in des Erdballs Kern.

Dort oben, wo der Aether flammt,

Ward alles was von Adam stammt

Zu Licht und Glut mit Recht verdammt.
[225]

Wir schmähn was Menschenlob

Zum Sternenplan erhob;

Des Nordpols Bärenstrand

Dünkt uns ein Zauberland,

Der Blumen Schmelz, die Nachtigall,

Nur Augengift und Ohrenquaal

Und Sieben eine grade Zahl.


Der Balg des Maulwurfs war

Lang' unser Prunktalar;

Jetzt blähn wir uns beim Fest

Im Leibrok von Asbest,

Den Pux, der muntre Nachtkumpan,

Dem Schooß der Steinkluft abgewann

Und Erl die Wassernixe spann.


Wann sich dem Gnomenstaat

Die Habsucht schaufelnd naht,

Am Goldgetäfel pickt

So Dom und Wände schmückt:

Dann löschen wir des Bergmanns Licht,

Sprühn Schwefeldampf ihm ins Gesicht

Und kneipen braun und blau den Wicht.


Wir blinzen scharf und klar,

Wie Kobolt, Elf' und Mahr,

Mit Augen von Smaragd

Durch schwarzer Grüfte Nacht,

Wo man des Bergöls Nektar trinkt

Und, grell mit Kupferglut geschminkt,

Auf Erdschwammpolster niedersinkt.


Wild saust, aus tiefem Schacht

Vom hagern Greif bewacht,

Im Sturm der Gnomen Trupp

Hervor zum Hexenklubb,[226]

Indeß, wie Satans Heerhorn tönt,

Des Bloksbergs Kuppe furchtbar drönt

Und sich mit Geisterschaaren krönt.


Uns zügelt kein Gesetz,

Plagt weder Pflug noch Netz;

Der Menschen Lehr' und Kunst

Bleibt ewig Irrwischdunst!

Kaum reitzt uns noch das Chorgequik

Von Belzebubs Vokalmusik.

So treibts die Gnomenrepublik.

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 225-227.
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