Die Elfenkönigin

[121] Was unterm Monde gleicht

Uns Elfen flink und leicht?

Wir spiegeln uns im Thau

Der sternenhellen Au,

Wir tanzen auf des Baches Moos',

Wir wiegen uns am Frühlingssproß,

Und ruhn in weicher Blumen Schooß!


Ihr Elfen, auf den Höh'n!

Ihr Elfen, an den See'n,

Zum thaubeperlten Grün

Folgt eurer Königin!

Im grauen Mettenfädleinkranz,

Umflimmert von des Glühwurms Glanz,

Herbei! herbei! zum Mondscheintanz!
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Ein Schleier, weiß und fein,

Gebleicht im Sternenschein

Auf kühler Todtengruft,

Umwall' euch leicht wie Duft!

Durch Moos und Schilf, durch Korn und Hain,

Bergauf, thalab, waldaus, feldein,

Herbei! herbei! zum Ringelreihn!


Beim Sommermondscheinball,

Am Quell im Erlenthal,

Umschleiert unser Chor

Ein weisser Nebelflor;

Wir kreisen schnell, wir schweben leicht,

Ein finstres Gnomenheer entsteigt

Dem Erdenschooß und harft und geigt!


Das Mark vom Schmetterling

Den eine Jungfrau fieng,

Das Hirn der Nachtigall

Bereiten wir zum Mahl,

Und schlürfen, unter Rundgesang

Und Flötenton und Harfenklang,

Aus Blumenkelchen Göttertrank!


Herbei! herbei! zum Tanz

Im Mettenfädleinkranz!

Schnell rollt der Elfen Kreis

Im zirkelrunden Gleis!

Wo ist ein Fuß der nimmer glitt?

Wir Elfen fliehn mit Zephyrschritt,

Kein Gräschen beuget unser Tritt!

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 121-122.
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