Elegie in den Ruinen eines alten Bergschlosses geschrieben

[114] Schweigend in der Abenddämmrung Schleier,

Ruht die Flur, das Lied der Haine stirbt,

Nur daß hier, im alternden Gemäuer,

Melancholisch noch ein Heimchen zirpt.

Stille sinkt aus unbewölkten Lüften,

Langsam ziehn die Heerden von den Triften,

Und der müde Landmann eilt der Ruh

Seiner väterlichen Hütte zu.


Hier, auf diesen waldumkränzten Höhen,

Unter Trümmern der Vergangenheit,

Wo der Vorwelt Schauer mich umwehen,

Sei dies Lied, o Wehmuth, dir geweiht![114]

Traurend denk' ich, was vor grauen Jahren

Diese morschen Ueberreste waren;

Ein bethürmtes Schloß, voll Majestät

Auf des Berges Felsenstirn erhöht!


Dort, wo um des Pfeilers dunkle Trümmer

Traurigflüsternd sich der Epheu schlingt,

Und der Abendröthe trüber Schimmer

Durch den öden Raum der Fenster blinkt,

Segneten vielleicht des Vaters Thränen

Einst den Edelsten von Deutschlands Söhnen,

Dessen Herz der Ehrbegierde voll,

Heiß dem nahen Kampf entgegen schwoll.


Zeuch in Frieden, sprach der greise Krieger,

Ihn umgürtend mit dem Heldenschwert,

Kehre nimmer, oder kehr' als Sieger,

Sei des Namens deiner Väter werth!

Und des edlen Jünglings Auge sprühte

Todesflammen, seine Wange glühte,

Gleich dem aufgeblühten Rosenhain

In der Morgenröthe Purpurschein.


Wild, wie Meere toben, flog der Ritter

Dann mit frohem Ungestüm zur Schlacht,

Wie der Tannenwald im Sturmgewitter,

Beugte sich vor ihm des Feindes Macht!

Mild, wie Bäche, die durch Blumen wallen,

Kehrt er zu des Felsenschlosses Hallen,

Zu des Vaters Freudenthränenblick,

In des keuschen Mädchens Arm zurück.


Ach! mit banger Sehnsucht blickt die Holde

Oft vom Söller nach des Thales Pfad;

Schild' und Panzer glühn im Abendgolde,[115]

Rosse fliegen! der Geliebte naht!

Sprachlos nun die treue Hand ihm reichend,

Steht sie da, erröthend und erbleichend,

Aber was ihr sanftes Auge spricht,

Sänge selbst dein Mund, o Liebe, nicht!


Laut erscholl im hochgewölbten Saale,

Dort wo aus dem Schutt die Säule ragt,

Dann der Klang der mächtigen Pokale,

Unter Freud' und Scherz entfloh die Nacht.

Die Geschichten schwererkämpfter Siege,

Grauser Abentheu'r im heilgen Kriege,

Weckten in der rauhen Helden Brust

Die Erinnrung schauerlicher Lust.


O der Wandlung! Graun und Nacht umdüstern

Nun den Schauplaz jener Herrlichkeit!

Schwermuthsvolle Abendwinde flüstern,

Wo die Starken sich des Mahls gefreut!

Disteln wanken einsam auf der Stäte,

Wo um Schild und Speer der Knabe flehte,

Wann der Schlachtdrommete Ruf erklang

Und sich wild aufs Roß der Vater schwang!


Asche sind die ehernen Gebeine,

Staub der Helden Felsenstirnen nun![116]

Kaum daß halbversunkne Leichensteine

Noch die Stäte melden, wo sie ruhn.

Viele wurden längst ein Spiel der Lüfte,

Ihr Gedächtniß sank wie ihre Grüfte,

Und den Thatenglanz der Heldenzeit

Hüllt das Dunkel der Vergessenheit!


So vergehn des Lebens Herrlichkeiten!

So entfleucht das Traumbild eitler Macht!

So versinkt im schnellen Lauf der Zeiten,

Was die Erde trägt, in öde Nacht!

Lorbeern, die des Siegers Stirn umkränzen,

Thaten, die in Erz und Marmor glänzen,

Urnen, der Erinnerung geweiht,

Und Gesänge der Unsterblichkeit!


Alles was mit Sehnsucht und Entzücken

Hier am Staub ein edles Herz erfüllt,

Schwindet, gleich des Herbstes Sonnenblicken,

Wenn ein Sturmgewölk den Aether hüllt.

Die am Abend freudig sich umfassen

Sieht die Morgenröthe schon erblassen;

Selbst der Freundschaft und der Liebe Glück

Läßt auf Erden keine Spur zurück!


Süsse Liebe! deine Rosenauen

Gränzen an bedornte Wüstenei'n,

Und ein plözliches Gewittergrauen

Düstert oft der Freundschaft Himmelsschein.

Hoheit, Ehre, Macht und Ruhm sind eitel!

Eines Weltgebieters stolze Scheitel

Und ein zitternd Haupt am Pilgerstab

Deckt mit einer Dunkelheit das Grab!

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 114-117.
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