Das Ich

[244] »Ich bins!«

Jawohl, du bists, mein Ich;

Gestatte mir, dich zu erkennen!

Du rühmst und lobst und brüstest dich,

Stets fertig, dich mein Ich zu nennen.

Doch, seh ich dich mir in dem Licht

Der Wirklichkeit genauer an,

So bist du es und doch auch nicht.

Du weißt, was ich nicht sagen kann!


»Ich wills!«

Jawohl, du willsts, mein Ich;

Gestatte mir nur, dich zu kennen!

Du rühmst und lobst und brüstest dich,

Sets fertig, dich mein Ich zu nennen,

Du hast schon viel, schon viel gewollt,

Doch, sah ich mirs genauer an,

So war es nie, was ich gesollt.

Du weißt, was ich nicht sagen kann![244]


»Ich kanns!«

Jawohl, du kannsts, mein Ich;

Gestatte mir nur, dich zu kennen!

Du rühmst und lobst und brüstest dich,

Stets fertig, dich mein Ich zu nennen.

Du hast schon viel, schon viel gekonnt,

Doch, sah ich mirs genauer an,

So hast du dich in mir gesonnt.

Du weißt, was ich nicht sagen kann!


»Ich schweig!«

Jawohl, mein liebes Ich;

Gestatte mir, dies klug zu nennen!

Du bist nur Staub, nur Staub für mich,

Und von dem Staub muß ich mich trennen.

Denn, seh ich dich mir in dem Licht

Der Ewigkeit genauer an,

So brauche ich dich einstens nicht.

Das ists, was ich dir sagen kann![245]


Quelle:
Himmelsgedanken. Gedichte von Karl May. Freiburg i.Br. (1900), S. 244-246.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Himmelsgedanken
Himmelsgedanken. Gedichte
Himmelsgedanken. Gedichte von Karl May